# taz.de -- Die Maschine ist ewig | |
> E. M. Forster hat das Internet vorausgesehen. Seine Geschichte „Die | |
> Maschine steht still“ wird am Theater an der Parkaue adaptiert | |
Von Julika Bickel | |
Die Menschen leben, jeder für sich, tief unter der Erde in komfortablen | |
Waben. Die Maschine, eine künstliche Intelligenz, sorgt für alles: für Luft | |
und Licht, per Knopfdruck liefert sie Essen und Kleider oder spielt den | |
Lieblingssong. Alle sind über einen gigantischen Kommunikationsapparat, die | |
sogenannte Rohrpost, miteinander vernetzt. Bewegung, direkte Begegnungen | |
und Körperkontakt sind überflüssig geworden. Dafür haben die Menschen auch | |
gar keine Zeit: Sie müssen Ideen haben und diese teilen, um die Maschine zu | |
nähren. Wie einen Gott verehren sie die künstliche Intelligenz, ihr | |
Handbuch ist zu einer Art Heiliger Schrift geworden. Doch das Wissen, wie | |
das System funktioniert, ist verloren gegangen. Immer häufiger passieren | |
Pannen und niemand weiß, wie die Fehler zu beheben sind. | |
Die Erzählung „Die Maschine steht still“ von E. M. Forster ist ein | |
unglaublich spannender Stoff, vor allem wenn man bedenkt, wann sie | |
geschrieben wurde: Die Science-Fiction-Geschichte erschien bereits im Jahr | |
1909, also Jahrzehnte bevor es den ersten Computer gab. Der englische | |
Erzähler beschreibt eine frühe Vision des Internets, die Rohrpost erinnert | |
an heutige Instant Messenger. Seit Silvester wird eine Dramatisierung der | |
Antiutopie von Evy Schubert am frisch sanierten Theater an der Parkaue | |
aufgeführt. Die 90-minütige Inszenierung richtet sich an Jugendliche ab | |
zwölf Jahren, ist aber genauso für Erwachsene geeignet. Sie wirft wichtige | |
aktuelle Fragen auf, zum Beispiel, wie wir von der Technik profitieren | |
können, ohne unsere Selbstbestimmung zu verlieren. | |
In „Die Maschine steht still“ haben sich die Menschen selbst versklavt. Sie | |
begeben sich in die totale Abhängigkeit von der Maschine und tauschen ihre | |
Autonomie für ein Gefühl der Sicherheit und Bequemlichkeit ein. Nur einer, | |
Kuno, wird misstrauisch. Er will sich bewegen und an die Erdoberfläche, auf | |
der angeblich kein Leben möglich sein soll. Mit seiner Mutter Vashti will | |
er nicht mehr durch die Maschine kommunizieren, sondern sie live treffen. | |
„Du darfst dich nicht maschinenfeindlich äußern“, mahnt die Mutter, begibt | |
sich aber trotzdem auf eine lange Reise mit dem Luftschiff zu ihm. | |
Die gesamte Inszenierung ist sehr abstrakt: Von der Decke hängen silberne | |
Schläuche, die mal für die Rohrpost stehen, mal für eine Frau und dann für | |
Würmer, die Kuno wieder unter die Erde ziehen, als er unerlaubt an die | |
Oberfläche gelangt. Die drei SchauspielerInnen tragen futuristische, bunte | |
Kostüme, sie verrenken ihre Körper zu fremdartigen Bewegungen und ziehen | |
Grimassen. Sie verwenden eine merkwürdige Satzmelodie, sprechen teils | |
abgehackt, mal zu schnell oder viel zu hoch. Das wirkt einerseits lustig, | |
andererseits verstörend. Manchmal lachen die jungen ZuschauerInnen, zum | |
Beispiel, als die Stewardess des Luftschiffs künstlich kichert und sich auf | |
den Hintern haut. Gleichzeitig zeigt das zwanghafte Verhalten, wie sich die | |
Isolation auf die Psyche der Menschen auswirkt. „Die sind ja total | |
verrückt“, flüstert ein Junge zu seinem Sitznachbarn. Besonders gruselig | |
ist die Maschine, die von einem der Schauspieler personalisiert wird. In | |
einer Szene erinnert sie stark an Big Brother aus Orwells „1984“: Durch | |
eine von der Decke hängende Lupe in Form eines Auges blickt die Maschine | |
ins Publikum. | |
Aufgrund der abstrakten Darstellungsweise ist es für junge ZuschauerInnen | |
nicht immer leicht, der Handlung zu folgen. Die Konzentration sei | |
irgendwann weg gewesen, sagen mehrere SiebtklässlerInnen während des | |
Publikumsgesprächs. Und wer die Geschichte von Odysseus noch nicht kennt, | |
versteht die eingebaute Szene mit den Sirenen nicht. Am Ende wurden jedoch | |
alle wieder wachgerüttelt. Dann nämlich, als die Maschine dabei versagt, | |
sich selbst zu reparieren, und alles kollabiert und zum Stillstand kommt. | |
Vashti glaubt dennoch bis zum Schluss an die Technik. „Die Maschine ist | |
allgegenwärtig und ewig“, betet sie. „Der Maschine sei Dank.“ | |
„Die Maschine steht still“. Theater an der Parkaue: So., 11. März um 16 | |
Uhr; Mo., 12. März, und Di., 13. März, jeweils um 10 Uhr | |
8 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Julika Bickel | |
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