# taz.de -- Der Kirchenmaler als zwischenzeitlicher Nazi | |
> Nazikünstler? Nachkriegskünstler? Nachtrag zu einer Tagung über | |
> Biografienvon der Berliner Kunsthochschule verbundenen Künstlern zwischen | |
> 1937 und 1955 | |
Bild: Entnazifiziert? Die Hochschule der Künste um 1958Foto: Bildarchiv Pisare… | |
Von Wolfgang Ruppert | |
Plakative Begriffe können tiefere Einsichten in das Zusammenspiel von | |
politischer Macht und ästhetischer Entwicklung auch verstellen. Bei | |
„Nazikünstlern“ denken wir etwa allzu schnell an die politische | |
Ikonografie, die Büsten des Führerkults und die Bilder der Heroisierung der | |
SA. Nachdem jedoch belegt ist, dass diese nur einen kleinen Teil selbst der | |
in den großen deutschen Kunstausstellungen gezeigten Werke ausmachten, ist | |
zu fragen, inwieweit die „NS-Kunst“ auch die kulturkonservative | |
Genremalerei umfasste – und inwieweit die „Nachkriegskunst“ sich davon | |
entfernte. | |
Die Universität der Künste Berlin hat sich in einer Tagung unter dem Thema | |
„NS-Kunst? Nachkriegskunst?“ mit der Kunstentwicklung zwischen 1937 und | |
1955 in Deutschland – und damit ihrer eigenen Geschichte – beschäftigt. | |
Vorausgegangen war in einem ersten Arbeitsschritt 2013 eine Auftakttagung, | |
aus der das Buch „Künstler im Nationalsozialismus“ (Böhlau Verlag) | |
hervorgegangen ist. Hierbei zeigte sich bereits eine von den verbreiteten | |
Narrativen abweichende, empirisch erfassbare Wirklichkeit, um zwischen | |
weltanschaulich motivierten Nazikünstlern und denjenigen, die den | |
Künstlerberuf während des Nationalsozialismus ausübten, zu unterscheiden. | |
Beispielsweise überraschte, dass auch der „Bauhäusler“ Oskar Schlemmer | |
seine abstrahierende Denk- und Kunstauffassung im Frühjahr 1933 in den | |
Kunstbetrieb des „nationalen Staats“ einbringen wollte. Er wurde jedoch | |
abgewiesen, als sich eine Mehrheit für ein kulturkonservatives Verständnis | |
von „deutscher Kunst“ in der NS-Bewegung durchsetzte. | |
Emil Nolde hatte sich in der Nachkriegszeit bekanntermaßen als „verfemter“ | |
Künstler stilisiert. Daher erregte die Entdeckung im Archiv Emil Noldes | |
Aufsehen, dass dieser zwar wegen seines expressiven Stils bis 1945 im | |
staatlichen Kunstbetrieb als „entartet“ galt, sich selbst jedoch als | |
Nationalsozialist verstand und zudem während des Dritten Reichs auf dem | |
privaten Kunstmarkt sehr gut verdiente. Diese Forschungsergebnisse zeigten, | |
in welchem Maße wir es mit der notwendigen Dekonstruktion von stereotypen | |
Erzählungen zu tun haben, die die widersprüchlichen Realitäten in den | |
Künstlerbiografien verstellen. Davon heben sich die Schicksale der seit | |
1933 rassistisch ausgegrenzten, „nicht arischen“ KünstlerInnen wie das von | |
Lotte Laserstein oder Charlotte Salomon, ehemaligen Studentinnen der | |
Berliner Kunsthochschule, ab, im letzteren Fall durch die Ermordung in | |
Auschwitz. | |
Auf die Erträge der ersten Arbeitsphase stützte sich die Konzeption der | |
jüngsten Tagung. Diese hatten bereits verdeutlicht, wie notwendig es ist, | |
die Künstlerbiografien in der längeren Perspektive der Kultur-, Kunst- und | |
Politikgeschichte über 1933 und 45 hinaus zu untersuchen. Anhand solcher | |
Künstler, die mit der Berliner Kunsthochschule verbunden waren, sollten | |
deren unterschiedliche Haltungen zum Nationalsozialismus, die Veränderungen | |
ihrer künstlerischen Arbeitsweisen und die jeweiligen Übergänge in die | |
Nachkriegszeit umrissen werden. | |
Der Zeitrahmen begründet sich aus den kunstpolitischen Zäsuren. 1937 war | |
das Jahr der Vertiefung einer Grenze zwischen den Kunstrichtungen durch die | |
Münchner Parallelausstellungen. Einerseits wurde das „Haus der Deutschen | |
Kunst“ als Muster der „Naziarchitektur“ eröffnet und hier die angeblich | |
„artgerechte“, akademische Kunst versammelt. Als Gegenpol hierzu diente die | |
provisorisch inszenierte Schau zur „Entarteten Kunst“ zur Anprangerung der | |
unterschiedlichen Formen des Modernismus. 1955 entstand mit der documenta | |
eine internationale Bühne für die bis 1945 verfemte Kunst. Vor diesem | |
Hintergrund untersuchte Bernhard Fulda nunmehr die strategischen | |
Selbstinszenierungen von Nolde vor und nach 1945. | |
Als exponierter Repräsentant der „Nazikunst“ gilt der Bildhauer Arno | |
Breker, der 1936/37 in einer steilen Karriere zum Star des NS-Kunstbetriebs | |
aufstieg. Er hatte mit seinem „Zehnkämpfer“ für das Olympiagelände eine | |
klassizistische Wende vollzogen, die ihn in den Augen Hitlers befähigte, | |
eine Symbolsprache für die Vision einer „arischen“ Hochkultur zu finden. | |
Breker wurde 1938 als Kunstprofessor an die Berliner Kunsthochschule | |
berufen und trat in die NSDAP ein. | |
Die meisten seiner Werke zwischen 1937 und 1944 korrespondierten mit der | |
monumentalen „Großartigkeit“ der Architektur Albert Speers zum Ausbau der | |
Reichshauptstadt. Beschäftigt man sich jedoch mit Brekers Biografie, so | |
zeigt sich ein weiterer Breker, der vor 1933 im modernistischen | |
Kunstbetrieb Deutschlands und Frankreichs einen anerkannten Platz einnahm. | |
Er hatte sich in den zwanziger Jahren bereits als angesehener Porträtist | |
profiliert. Bis zu seinem Tod 1991 fertigte er zahlreiche Kopfstudien von | |
Mitgliedern der Gesellschaftseliten, von Max Liebermann, Joseph Goebbels, | |
Ludwig Erhard bis zum Sammlerehepaar Ludwig. | |
Einen Gegenpol zu Breker stellte der Maler Karl Hofer dar. Auch er hatte | |
während der Weimarer Republik als ein Repräsentant der expressiven Moderne | |
reüssiert. Da er sich bereits 1931 als Nazigegner äußerte, wurde an ihm und | |
an einigen anderen Berliner Kunstprofessoren im April 1933 ein Exempel der | |
„Säuberung“ statuiert, Hofer, Oskar Schlemmer und Edwin Scharff aus ihren | |
Lehrämtern entfernt. Doch selbst als zahlreiche seiner Werke auf der | |
Münchner Ausstellung „Entartete Kunst“ angeprangert wurden, blieb Hofer | |
Mitglied der Reichskammer der bildenden Künste, lebte in zurückgezogenen | |
Verhältnissen, verkaufte aber weiter am privaten Kunstmarkt. 1945 wurde | |
Hofer als neuer Direktor der „entnazifizierten“ Berliner Kunsthochschule | |
(HfbK) geholt, in der die „Nachkriegskunst“ einen Entfaltungsort finden | |
sollte. | |
Die Bühne im „Haus der Deutschen Kunst“ gehörte ab 1937 ausschließlich d… | |
Künstlern des „nationalen Lagers“. Hier präsentierte zum Beispiel der Mal… | |
Oskar Martin-Amorbach 1941 mit „Im Tagewerk“ seine Heimatkunst – mit | |
malerischen Mitteln der Neuen Sachlichkeit. Dieses Bild korrespondierte mit | |
der nationalsozialistischen Erzählung von der Bedeutung des „Erbhofbauern“, | |
der auf „heimatlicher Scholle“ pflüge, und nahm in diesem Kontext eine | |
weltanschauliche Bedeutung an. Im selben Jahr wurde er Kunstprofessor in | |
Berlin. Die Forschungen von Harald Schulze dokumentieren einen Künstler, | |
der bis 1933 als Kirchenmaler arbeitete und, nach seiner Phase in der | |
„Nazikunst“, weitere vierzig Jahre in Franken dem christlichen Genre | |
verbunden blieb. | |
## Spätere Staatskünstler | |
Ganz anders gelagert ist die Künstlerbiografie von Oskar Nerlinger, der | |
sich zunächst als Teil der sozialistisch-kommunistischen Kunstszene (ASSO) | |
verstand. Er verarbeitete in den zwanziger Jahren die technische | |
Modernisierung in einer futuristischen Bildlichkeit, passte sich jedoch | |
während des Nationalsozialismus an die naturalistische Bildsprache an. Nach | |
1945 wurde er von Hofer als Hochschullehrer berufen, musste aber nach der | |
Verschärfung des Ost-West-Konflikts nach Ostberlin wechseln. Doch auch hier | |
geriet er in Konflikt, nun mit der DDR-Kunstpolitik. | |
Demgegenüber bewies der Bildhauer Fritz Cremer seit den dreißiger Jahren | |
eine Fähigkeit zwischen Selbstbehauptung und Anpassung. Schüler von Wilhelm | |
Gerstel an der Berliner Kunsthochschule, avancierte er zu einem auch im | |
NS-Kunstbetrieb anerkannten Künstler, der nach 1950 in der DDR zum | |
Staatskünstler aufstieg. Seine Gestaltung des Buchenwalddenkmals | |
symbolisierte einerseits das Leiden der Häftlinge in den KZs und | |
andererseits den „antifaschistischen“ Machtanspruch der KPD/SED. | |
Diese Beispiele können die oft ambivalenten Positionierungen nicht weniger | |
Künstler veranschaulichen, die sich in einem Spannungsfeld befanden, sowohl | |
zum Nationalsozialismus als auch in ihren Übergängen in die | |
„Nachkriegskunst“. | |
Der Autor ist Professor an der Universität der Künste Berlin und war | |
Organisator der Tagungen | |
4 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Wolfgang Ruppert | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |