# taz.de -- Vor der Vierschanzentournee: „Die Hausaufgaben sind gemacht“ | |
> Vor dem Wettkampf gilt Richard Freitag als Favorit. Auch die anderen | |
> deutschen Springer treten so ambitioniert an, wie seit Jahren nicht mehr. | |
Bild: Höhenflüge in Oberstdorf | |
Oberstdorf taz | Die Bundesstraße 19 von Immenstadt nach Oberstdorf fahren | |
die deutschen Skispringer unzählige Male im Laufe eines Jahres. Sommers wie | |
winters treffen sie sich zum Training an der Schattenbergschanze. | |
„Oberstdorf ist das Epizentrum des deutschen Skispringens“, sagt | |
Bundestrainer Werner Schuster. Einmal im Jahr, am 28. Dezember, begleiten | |
Richard Freitag, Andreas Wellinger und Kollegen besondere Emotionen bei | |
dieser Fahrt. Dann geht’s nicht nur zum Training, sondern zum | |
Auftaktspringen der Vierschanzentournee. „Wenn ich den Anlaufturm sehe, | |
dann kommt bei mir eine unglaubliche Freud’ auf“, sagt Freitag. | |
In diesem Jahr ist diese Vorfreude sogar ein wenig größer. Denn der | |
26-Jährige hat das Gelbe Trikot des Weltcup-Führenden im Gepäck. Damit ist | |
er automatisch Favorit auf den Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee. Und | |
weil Andreas Wellinger auf Platz zwei in dieser Wertung liegt, sind die | |
Erwartungen an die deutschen Springer besonders groß. 16 Jahre nach Sven | |
Hannawalds historischen Triumph mit Siegen auf allen vier Schanzen soll | |
endlich wieder ein Athlet des Deutschen Skiverbands (DSV) den Holzadler | |
bekommen. | |
Für Angst sorgt diese Erwartungshaltung längst nicht mehr im deutschen | |
Team. „Schon seit einigen Wochen macht mir das Skispringen richtig viel | |
Spaß“, sagt Freitag, „und es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass man sei… | |
Sache gut macht.“ Drei Springen hat er bereits in diesem Winter bei den | |
unterschiedlichsten Bedingungen als Sieger beendet, eines Teamkollege | |
Andreas Wellinger. Das gibt Selbstbewusstsein. | |
Doppelweltmeister Stefan Kraft sagt über Freitag: „Der Ritschi ist der | |
Top-Favorit.“ Und Martin Schmitt meint: „Wenn man sich Ritschi anguckt, | |
dann stimmen alle Voraussetzungen, da sind die Hausaufgaben gemacht.“ | |
Schmitt war vor 17 Jahren der letzte Deutsche, der als Weltcup-Führender in | |
die Tournee gestartet ist. | |
## Öffentliche Auftritte in homöopathischen Dosen | |
Doch nicht nur die Springer sind bestens vorbereitet. „Wir haben uns in den | |
vergangenen Jahren zu den Abläufen, zur Lage der Hotels und Reisezeiten so | |
viele Gedanken gemacht“, sagt Trainer Schuster, „da sind wir nahe am | |
Optimum.“ Auch die öffentlichen Auftritte werden eher in homöopathischen | |
Dosen zelebriert. Deshalb sagt Schuster forsch: „Irgendwann ist die Zeit | |
der Ausreden vorbei.“ | |
Daran verschwenden die Springer im Vorfeld keinen Gedanken. „Unsere Stärke | |
im Moment ist, dass jeder Leistung zeigt“, sagt Wellinger, „das ist | |
eigentlich auch schon der Grund, warum es zurzeit funktioniert.“ Und Druck | |
von außen empfinden die Athleten keinen. „Ich lasse es auf mich zukommen“, | |
sagt Freitag lässig. Er freue sich sehr auf die vollen Stadien, die tolle | |
Kulisse und die große Aufmerksamkeit, die dem Skispringen während der | |
Vierschanzentournee zuteil werde. | |
Dieter Thoma ist einer, der weiß, wie es geht. 1990 hat der 48-Jährige die | |
Vierschanzentournee gewonnen, und als Experte für die ARD begleitet er | |
seine Nachfolger hautnah. „Wenn die Erfolgserlebnisse kommen, ist natürlich | |
die gesamte Stimmung wesentlich besser, und alles wirkt einfacher“, | |
beschreibt er die momentane Lage in der deutschen Mannschaft. | |
„Die Stimmung in der Mannschaft ist locker, und wir haben zusammen viel | |
Spaß, Skisprungdeutschland zu repräsentieren“, sagt Wellinger. Und Freitag | |
ergänzt: „Diese Stimmung macht es jedem Einzelnen leichter, das Optimum | |
abzurufen.“ Dies sieht auch Bundestrainer Schuster so: „Ein Baustein für | |
unsere bisherigen Erfolge ist auch der Zusammenhalt innerhalb der | |
Mannschaft. Die Sportler pushen sich gegenseitig zu Höchstleistungen.“ | |
Nicht nur im Training, sondern auch im Wettkampf. | |
Bis zum letzten Teamkollegen warten alle deutschen Springer hinter dem | |
Ausgang. Sie freuen sich gemeinsam über den Erfolg des Teamkameraden – | |
„egal, ob Podestplatzierungen, Top-Ten-Ergebnisse oder Weltcup-Punkte“, so | |
Schuster. Trotzdem möchte der Cheftrainer eines nicht vergessen zu | |
erwähnen: „Unsere gute Form ist das Resultat konsequenter und | |
konzentrierter Trainingsarbeit.“ | |
Doch die Vierschanzentournee gibt sich gerne wie eine launische Diva. | |
Favoriten mag sie nicht immer, manchmal bevorzugt sie einen Außenseiter. | |
Dieter Thoma hat dieses Phänomen schon häufig beobachtet. Deshalb sagt er: | |
„Es ist nicht die Frage des Könnens, sondern die Frage des Glaubens.“ | |
29 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Klaus-Eckhard Jost | |
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