# taz.de -- Ex-RAF-Mitglied entschuldigt sich: Ein Anfang, immerhin | |
> Silke Maier-Witt hat sich auf ein Treffen mit dem Sohn des ermordeten | |
> Hanns-Martin Schleyer eingelassen – und sich entschuldigt. | |
Bild: Der am 5. September 1977 von der Roten Armee Fraktion entführte damalige… | |
So steht sie mal wieder im Licht der Medien, die RAF, linksterroristische | |
Gruppe, die von den frühen siebziger bis zu den neunziger Jahren ihren | |
Krieg gegen die Bundesrepublik führte: Vorige Woche fand ein von der | |
Bild-Zeitung arrangiertes Treffen zwischen der früheren RAF-Angehörigen und | |
bekennenden Nichtmörderin Silke Maier-Witt und Jörg Schleyer, Sohn des von | |
der RAF während des sogenannten Deutschen Herbstes 1977 ermordeten | |
Hanns-Martin Schleyer, statt. Und zwar in Skopje, der Hauptstadt | |
Mazedoniens, wo Maier-Witt seit vielen Jahren lebt. | |
Sie, inzwischen in Rente, arbeitete dort nach einer Ausbildung als | |
„Friedensfachkraft“, hatte der Begegnung zugestimmt, sie gilt unter ihren | |
alten Kamerad*innen seit jeher als eine, die das Schweigegelübde zu allem, | |
was sich einst in der RAF abgespielte, brechen würde. Und vor gut zehn | |
Jahren in gewissen Grenzen schon brach: Damals hatte [1][sie in einem | |
Gespräch mit der] Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung auf die Frage, | |
warum die bundesdeutsche Gesellschaft nach wie vor so aufgewühlt über die | |
Zeit der RAF und den Terrorismus spreche, geantwortet: „Die Verletzungen | |
sitzen sehr tief. Ich dachte auch in meinem Fall: Irgendwann hört das auf. | |
Aber es hört nicht auf. Ich werde immer wieder damit konfrontiert auf die | |
eine oder andere Weise.“ | |
Tatsächlich mag Maier-Witt an dem Gespräch mit dem Sohn Schleyers | |
interessiert sein, existenziell wichtig war (und womöglich bleibt) das | |
Treffen für Jörg Schleyer: Er und seine Familie wissen nach wie vor nicht, | |
wie ihr Vater ums Leben gebracht wurde; wer ihn konkret während der | |
Geiselnahme demütigte und in eine kleine Zelle sperrte; wer in welcher | |
Weise an der mörderischen Verschleppung teilhatte – und wer ihm den | |
Genickschuss verpasste. | |
Das linksradikale und linksautonome Milieu der Bundesrepublik, dessen | |
Sympathisantenschar bis weit in linksbürgerliche Schichten wirkte, hatte | |
solchen Fragen für unwichtig gehalten – ja, wie viele womöglich bis heute | |
die Schleyer-Entführung (und die Ermordung etwa von Generalbundesanwalt | |
Siegfried Buback) legitimiert, indem sie auf die Mitgliedschaft Schleyers | |
während des Nationalsozialismus in der SS verwiesen. So einer, so die | |
damalige Atmosphäre, hat doch als Exnazi und „Kapitalistenschwein“ | |
(Schleyer war Arbeitgeberpräsident) den Tod verdient. | |
## Staksig und distanziert | |
Die emotionale Kälte dieser Haltung musste schon damals erstaunen, aber sie | |
währt recht eigentlich bis in diese Tage: Silke Maier-Witt ist die erste | |
aus dem verwesenden RAF-Milieu, die sich ernsthaft an so etwas wie | |
Aussöhnung, Erklärung, Reue und die Bitte um „Verzeihung“ heranwagt – e… | |
wie Peter-Jürgen Boock, auch Teil der RAF während der Schleyer-Entführung | |
und -ermordung, hat zwar öfter Auskunft gegeben zur damaligen Zeit, aber | |
stets in Worten, die kaum als anteilnehmend am Leid ihres Opfers und seiner | |
Angehörigen empfunden werden konnten. | |
Jetzt gab Maier-Witt der Bild zu Protokoll: „Eigentlich habe ich immer | |
versucht, mich damit (der Schleyer-Entführung; d. Red) auseinanderzusetzen. | |
Aber die eigentliche direkte Konfrontation mit Ihnen zum Beispiel habe ich | |
nicht gesucht. Dafür möchte ich mich auch noch mal entschuldigen. Weil ja | |
nun wirklich Zeit verflossen ist. Das hätte ich ja auch schon längst mal | |
von mir aus versuchen können. Das war eine gewisse Feigheit, die ich mir | |
auch jetzt noch übel nehme.“ | |
Das ist, auch wenn die Sprachformel vom „übel nehmen“ staksig und | |
distanziert klingt, ein Anfang. Jetzt wüsste man gern noch mehr: Was war am | |
Morden (oder der Drohung) so attraktiv? Welche echten Gründe hatte die RAF, | |
Angst und Schrecken zu verbreiten – und nicht davor zurückzuschrecken, | |
sogenannte kleine Leute zu töten? Oder war die RAF vor allem dies, was mit | |
der Distanz von vier Jahrzehnten erst kenntlich wird: Reichsbürger – nur | |
linke? | |
28 Nov 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://www.faz.net/aktuell/politik/silke-maier-witt-wir-haben-nie-gefragt-w… | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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