# taz.de -- Für Beşiktaş auf die Mülltonne | |
> Beim Champions-League-Spiel gegen RB Leipzig wollte die Führung des | |
> Istanbuler Klubs keine Fans. Viele fuhren trotzdem hin und sahen einen | |
> 2:1-Sieg | |
Bild: Beşiktaş-Fans, die nicht ins Stadion sollen, feiern ihr Team am Bus | |
Aus Leipzig Ali Çelikkan | |
Beşiktaş Istanbul kann auf eine hervorragende Saison zurückblicken, in der | |
Champions League beendete der Klub die Gruppenphase auf dem ersten Platz. | |
Aber die Fans können das nur eingeschränkt feiern: Sie dürfen keine | |
Auswärtsspiele ihrer Mannschaft besuchen. | |
Nach dem Euro-League-Viertelfinale gegen Olympique Lyon im vergangenen Jahr | |
hatte es nach Ausschreitungen eine Bewährungsstrafe gegeben. Die | |
Klubführung rief die Fans auf, nicht zu europäischen Auswärtsspielen zu | |
gehen. Monatelang warb der Klub bei Fanclubs um Verständnis. Auch die | |
Berliner Sektion von Çarşı, einem weltweit agierenden Beşiktaş-Fanclub, der | |
für seine antifaschistische Haltung bekannt ist, akzeptierte die Forderung. | |
„Schon ein Knallfrosch würde ausreichen, dass Beşiktaş die nächste Strafe | |
bekommt“, sagte ein Berliner Çarşı-Mitglied. Vor dem Spiel gegen RB Leipzig | |
am Mittwochabend sagte ein anderer Fan allerdings: „Es tut weh, 190 | |
Kilometer zu fahren und dann die Mannschaft nicht von der Tribüne aus | |
unterstützen zu können.“ | |
Dennoch fuhr am Mittwoch ein Bus mit 30 Personen von Berlin nach Leipzig. | |
Nicht nur Berliner Fans, sondern auch Anhänger, die eigens aus Istanbul | |
angereist waren. Batuhan etwa. „Gleich nach der Auslosung haben wir die | |
Tickets besorgt, obwohl wir wussten, dass wir nicht zu den Spielen gehen | |
können“, sagt er. | |
Der Bus ist voll mit Menschen, die an der Beşiktaş-Liebe leiden. Einer will | |
sein Glück auf dem Schwarzmarkt vor dem Stadion probieren. Ein anderer | |
erzählt, dass er sich wegen Beşiktaş kurz vor der Hochzeit von seiner | |
Verlobten getrennt hat. „Unsere Liebe zu Beşiktaş ist etwas besonderes.“ | |
Nach einigen Zigarettenpausen erreicht der Fanbus schließlich Leipzig. Die | |
letzten Warnungen werden ausgesprochen: „Meine Herren, ich bitte euch, | |
lasst euch nicht provozieren! Niemand hat Schläger oder Messer dabei, | |
richtig?“ Vom Hauptbahnhof laufen 30 Leute in schwarzen Mänteln und Mützen | |
in Richtung Mannschaftshotel – begleitet von der Polizei. Vor dem Hotel | |
sind schon viele andere Fans, die seit Stunden auf die Mannschaft warten. | |
Als die Spieler herauskommen, zündet jemand ein bengalisches Feuer. Es wird | |
gesungen. Ansonsten bleibt es ruhig. | |
Der Mannschaftsbus fährt weg, und eine Gruppe von 150 Fans macht sich auf | |
die Suche nach einem Ort, wo sie „singen und ganz anständig das Spiel | |
anschauen können“, wie es einer ausdrückt. Begleitet von zehn Polizisten | |
gehtdie Gruppe Richtung Stadtzentrum. Alle sind bemüht, einen gewissen | |
Lärmpegel nicht zu überschreiten, niemand will das Wohl von Beşiktaş | |
gefährden. | |
Ein aus der Türkei stammender Mann auf der anderen Straßenseite ruft der | |
Gruppe zu: „Schwarz!“ Keine Antwort. Er fragt: „Ich habe ‚Schwarz’ ge… | |
wo bleibt euer ‚Weiß’?“ Ein paar Männer aus der Gruppe rufen dann doch … | |
„Weiß“. So geht nämlich der Fangesang des Klubs, dessen Farben Schwarz und | |
Weiß sind. | |
Während ein Helikopter den Himmel erhellt, erreicht die Fangruppe den | |
Leipziger Weihnachtsmarkt. Viele Besucher schauen sich mit einem Glühwein | |
in der Hand, viele auch mit einem Schal von RB Leipzig, an, was nun | |
passiert. | |
Ceyhun, einer der Jüngeren von Çarşı-Berlin, springt auf einen Mülleimer | |
und heizt die Menge ein. Die Polizei versucht, die Männer davon zu | |
überzeugen, doch endlich an den Ort zu gehen, an dem sie das Spiel schauen | |
möchte. Aber wohin? Ein Polizist reserviert Plätze in einer Sportsbar in | |
der Reichsstraße. | |
Um die RB-Arena herum bleibt es ruhig – trotz Zehntausenden Fans. Yücel von | |
Çarşı-Berlin ist einer von etwa 2.000türkeistämmigen Fans im Stadion. Auch | |
wenn es der Verkauf von Einzeltickets, die nicht zusammenhängen, | |
verhindert, dass die wenigen Beşiktaş-Fans im Stadion einen Block bilden, | |
lassen diese sich nicht davon stören. Schließlich seien es ja nicht sie | |
gewesen, die sich mit Fikret Orman, dem Präsidenten von Beşiktaş getroffen | |
haben, um ihm zu versprechen, dass sie nicht zu den Auswärtsspielen gehen | |
würden. | |
Auf den Rängen gibt es viele kleine, voneinander getrennte Gruppen von | |
Beşiktaş-Fans. Sie sind zufrieden mit ihrer Mannschaft, die mit ihrem | |
B-Team schon nach zehn Minuten in Führung geht. Immer wieder rufen die | |
kleinen Gruppen sich Fangesänge zu. | |
Nach zwei Abseitstoren werden die Leipzig-Fans allerdings ungemütlich. Als | |
klar wird, dass auch Porto gegen Monaco gewinnen wird, verstummen sie, weil | |
damit ein Weiterkommen in der Champions League für Leipzig ausgeschlossen | |
ist. Wenige Minuten nach dem Leipziger Ausgleich in der Endphase der | |
Begegnung trifft Beşiktaş noch einmal, geht somit als Sieger vom Feld und | |
ist mit 14 Punkten im Achtelfinale der Champions League. 14 Punkte, das ist | |
ein neuer Rekord im türkischen Fußball. | |
Nach dem Spiel kommen die versprengten Gruppen von Beşiktaş-Fans auf den | |
Tribünen doch noch einmal zusammen und schaffen es, einen Block zu bilden | |
und gemeinsam zu singen. Es scheint ganz egal, auf wen Beşiktaş im | |
Achtelfinale treffen wird: Die Fans werden da sein, im Stadion oder auf der | |
Straße. | |
Übersetzung Volkan Ağar | |
8 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Ali Celikkan | |
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