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# taz.de -- Pass-Posse um Boxer Manuel Charr: Schwerer Kampf um ein Stück Papi…
> Manuel Charr, Weltmeister im Schwergewichtsboxen, wurde als „neuer Max
> Schmeling“ gefeiert. Hat sich der Faustkämpfer den Titel erschlichen?
Bild: Alexander Ustinow hat er besiegt. Nun kämpft Manuel Charr (r.) noch um s…
Berlin taz | Im Profiboxsport regiert nicht selten der schöne Schein. Das
fängt schon bei den Kampfnamen an. Boxer passen sich gern dem Markt an,
weswegen sich der Faustkämpfer Muamer Hukić plötzlich Marco Huck nannte.
Adnan Ćatić wurde Felix Sturm, und Awetik Abrahamjan stieg als Arthur
Abraham in den Ring, bisweilen auch als Schlumpfboxer, aber das ist eine
andere Geschichte.
Die Boxer mit Migrationshintergrund wollten wohl dem Boxpublikum in Köln
oder Riesa entgegenkommen mit ihren Namenseindeutschungen. Das Kalkül: Ein
Huck wird mehr gemocht als ein Hukić. Das mag sich auch Mahmoud Omeirat
Charr gedacht haben, als er sich Manuel Charr nannte.
Charr hat am vergangenen Wochenende den WBA-Titel im Schwergewicht
gewonnen, und in den Medien wurde er gefeiert als „erster deutscher
Boxweltmeister im Schwergewicht seit Max Schmeling 1932“. Das war eine
schöne Geschichte. Aber sie stimmt leider nicht, denn Charr besitzt keinen
deutschen Pass.
Der Diamond Boy, so sein Kampfname, ist in den 80er-Jahren mit seiner
Mutter von Beirut nach Deutschland gekommen. Der Vater, ein Syrer, war im
libanesischen Bürgerkrieg umgekommen. Die Familie lebte im Berliner Wedding
und in Essen. Sie wurde, wie es im Amtsdeutsch heißt, „geduldet“. Mahmoud
Omeirat Charr versuchte sich wie viele Zuwanderer im Kampfsport, unter
anderem im Max-Schmeling-Gym in Berlin.
## Mit dem Führerschein gewedelt
Der heute 33-Jährige ist ein großes Talent, selbst eine OP, bei der ihm im
Mai zwei künstliche Hüftgelenke eingesetzt wurden, konnte Charr nicht
aufhalten. Auch nicht ein Anschlag auf ihn im September 2015, als er vor
einer Essener Dönerbude in den Bauch geschossen wurde. Ob es sich um eine
Auseinandersetzung des Omeirat-Clans mit einer konkurrierenden Gruppe
handelte, wurde nie geklärt. Das Boxen brachte ihn wieder zurück, und auch
die Sache mit Schmeling, auf den er sich vor dem Kampf gegen den Russen
Alexander Ustinow berief.
Doch dann kam der Spiegel und hegte Zweifel an Charr. Der Boxer habe gar
keinen deutschen Pass, hieß es nun. Seitdem versucht sich Charr an
Erklärungen. Der Bild-Zeitung verriet er: „Ja, ich schwöre es! Ich bin seit
eineinhalb Jahren Deutscher!“ Sein Pass liege beim Amt, er habe es nur seit
Monaten versäumt, ihn abzuholen. Dann trat er im Fernsehen bei Sky Sport
News auf und kramte in seiner Brieftasche. Er zog seinen Führerschein
heraus, seine Bankkarte, die vom ADAC und fuchtelte damit herum. Einen
Ausweis konnte er nicht vorlegen.
Dem Kölner Express hatte er folgende Geschichte präsentiert: „Mein
Einbürgerungsverfahren liegt wegen eines möglichen Strafverfahrens auf Eis.
Das wird von meinen Anwälten geklärt, und dann hoffe ich, meinen Pass
endlich abholen zu dürfen.“ Charr ist nicht zum ersten Mal mit
Ermittlungsbehörden in Kontakt gekommen. 2006 wurde er wegen des Verdachts
auf versuchten Totschlag verhaftet, angeklagt – und freigesprochen; fünf
Jahre später wurde er nach einer Razzia gegen Autoschieber verhaftet und
nach Einstellung des Verfahrens aus der U-Haft entlassen.
## Charrs Friedensinitiative
Charrs Manager, Christian Jäger, ließ wissen, dass er die Diskussion
„armselig und typisch deutsch“ finde, es ginge doch nur um ein Stück
Papier, was sage das schon über das Deutschsein seines Schwergewichts aus.
Charr hat sich in einem Video, das in sozialen Netzwerken verfügbar ist,
übrigens zu „seinem“ Präsidenten bekannt. Wer nun vermutet, es handele si…
um Frank-Walter Steinmeier, der liegt falsch.
Charr richtet seinen Gruß an Recep Tayyip Erdoğan, den Präsidenten der
Türkei. Den WM-Gürtel möchte er Erdoğan überreichen – zum Dank, dass der
sich so vorbildlich um syrische Flüchtlinge gekümmert habe. Er spricht sich
dafür aus, die „Fitna“, also das Schisma zwischen verschiedenen Richtungen
des Islam, zu beenden. Er will das als Friedensinitiative verstanden
wissen.
Manuel Charr wäre bestimmt sehr gerne in die Fußstapfen von Max Schmeling
gestiegen, aber die waren ja eh schon besetzt. Willi „de Ox“ Fischer hat
2001 gegen Joseph Akhasamba aus Kenia den Schwergewichtstitel nach Version
der WBB gewonnen. Damit darf sich der Hesse als „neuer Schmeling“
bezeichnen.
Mitarbeit Martin Krauss
1 Dec 2017
## AUTOREN
Markus Völker
## TAGS
Boxen
Kolumne Linker Haken
Schwergewicht
USA
Vitali Klitschko
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