# taz.de -- das ding, das kommt: Klimperkiste mit Kunstanspruch | |
Bild: Das Spielzeugklavier wurde erst in den vergangenen Jahren als wirklich er… | |
Einmal, [1][im April 1953], fragt Charlie Brown seinen Peanuts-Kollegen | |
Schroeder, wie er auf seinem Spielzeugflügel all diese komplizierten Stücke | |
spielen könne – schließlich seien die schwarzen Tasten nur aufgemalt. | |
Schroeders Antwort ist resolut: „Ich übe viel.“ [2][Ein anderes Mal] fragt | |
ihn Lucy, ob man mit dem Klimpern auch Geld verdienen könne. Aber es gehe | |
doch nicht um Geld, fährt Schroeder sie an und drischt in die Tasten: „Es | |
ist eine Kunst! Kunst! Kunst! Kunst! Kunst! Kunst!“ Kein Kinderkram also, | |
dieses Kinderklavier, sondern ein ernst zu nehmendes Instrument, mit dem | |
man den lieben langen Tag Beethoven spielt! Erfunden allerdings hatte es | |
der Deutsche [3][Albert Schoenhut] Mitte des 19. Jahrhunderts nun mal als | |
Spielzeug – in seinem Kinderzimmer. Und hat es mit der daraus entstandenen | |
Firma sogar zum größten Spielwarenhersteller des Landes geschafft. | |
Aber der Erste, der das Potenzial des Toy Pianos als ernst zu nehmendes | |
Musikinstrument tatsächlich erkannte und eigens dafür komponierte, war | |
natürlich John Cage. 1948, acht Jahre, nachdem er erstmals die Saiten und | |
Hämmer eines Klaviers mit Radiergummis, Nägeln und anderen Kleinteilen | |
präpariert hatte, schrieb er seine kleine fünfteilige „[4][Suite for Toy | |
Piano]“. Was Cage damals vor allem faszinierte, war der harte und | |
emotionslose Klang, der das Toy Piano eher wie ein kleines Gamelan oder | |
eine Kalimba klingen lässt. | |
Viel Klavier steckt also gar nicht drin in den kleinen Kasten, eigentlich | |
ist es ein Glockenspiel mit Klaviatur. Statt Saiten gibt es einen Tonkamm, | |
sobald eine Taste gedrückt wird, schlägt ein Hammer einen Metallstab. Ob | |
man die Taste dabei lang oder kurz, stark oder sanft drückt, macht keinen | |
Unterschied: Weil es keine Dämpfung gibt, klingt jeder Ton immer gleich. | |
Töne liegen lassen, staccato oder legato: Geht nicht. Und Cage reizte der | |
begrenzte Tonumfang von gerade mal einer Oktave. Seine Suite beginnt sogar | |
mit noch mehr Reduktion: fünf Töne in der Mitte der Klaviatur, dazu gesellt | |
Cage drei weitere und lässt das Ganze mit wieder nur fünf Tönen enden. | |
Aber der Weg auf die Konzertbühne war noch weit. Nach Cage blieb es erst | |
mal weitere 30 Jahre lang weitgehend still ums Spielzeugklavier. Erst in | |
den 1970er-Jahren begannen Komponist*innen wieder, sich für die kleine | |
Klimperkiste zu interessieren. Pionier war der Düsseldorfer [5][Bernd | |
Wiesemann], der – von Cage inspiriert – mit einem 45-Minuten-Programm in | |
Büchereien, Kneipen, Volkshochschulen und Ausstellungen auftrat. In den USA | |
wiederum machte sich erst 1997 die „[6][Queen of the Toy Piano]“ (New York | |
Times), Margaret Leng Tan, ums Spielzeugklavier verdient und spielt auf | |
ihrem Album „The Art of Toy Piano“ auch – Kunst! Kunst! Kunst! – Beetho… | |
Mondscheinsonate. Heute gilt Leng Tan als versierteste unter den | |
Spielzeugpianist*innen. | |
Aber keiner hat sich in seinem Werk intensiver mit dem Toy Piano | |
beschäftigt als der österreichische Komponist und Klangkünstler | |
[7][Karlheinz Essl]. Neun zum Teil große Werke hat er in den vergangenen | |
zwölf Jahren geschrieben: Solowerke, Ensemblestücke, mit und ohne | |
Live-Elektronik oder Zuspielung. Auch für Essl liegt der Reiz in der | |
Reduktion und darin, dass der Klang noch nicht konnotiert ist, nicht bei | |
jedem Ton die ganze Geschichte des Klaviers mitklingt. Und erstmals hat | |
Essl Cages Toy-Piano-Suite mit der Idee der Präparierung zusammengebracht, | |
versteckte unter anderem einen Lautsprecher und einen komplizierten | |
Kanon-Generator darin, damit das Instrument „aus sich heraus explodiert und | |
aus den Gedärmen des Klaviers etwas ganz, ganz wunderbar schillernd Buntes | |
entsteht“, sagt Essl. | |
Genug Stoff also gibt es fürs vierte „[8][Non-Piano/Toy Piano Weekend]“ in | |
Hamburg, das dem erwachsen gewordenen Spielzeug am kommenden Wochenende | |
zwei Konzertabende widmet. Stargast: das | |
[9][Schoenhut-Pink-Midi-Butterfly-Toy-Piano]. Ein ernst zu nehmendes | |
Instrument ist das aber gar nicht mehr: nur ein Keyboard im | |
Toy-Piano-Kasten, mit USB-Port für die Karaoke-Software. Robert Matthies | |
„Non-Piano/Toy Piano Weekend“ in Hamburg: Fr, 10. 11., 19.30 Uhr, Meßmer | |
Momentum, Am Kaiserkai 10; Sa, 11. 11., 20 Uhr, Resonanzraum, Feldstraße 66 | |
4 Nov 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://peanuts.wikia.com/wiki/April_1953_comic_strips | |
[2] http://barberspiano.com/blog/2014/6/2/Barbers_Piano/The_Peanuts/ar/21/ | |
[3] http://www.toypiano.com/about_history.asp | |
[4] https://www.youtube.com/watch?v=j1Ob7jTzzEI | |
[5] http://www.bernd-wiesemann.de/ | |
[6] http://margaretlengtan.com/ | |
[7] http://www.essl.at/ | |
[8] http://www.nonpiano-toypiano.de/programm/ | |
[9] http://www.toypiano.com/product_information.asp?html_model_number=6101P | |
## AUTOREN | |
Robert Matthies | |
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