# taz.de -- Leben ohne Exzellenz | |
> Die Bremer Uni ist nicht mehr bei der Exzellenz-Initiative dabei. Die | |
> Verantwortlichen wurden von dem Ausscheiden kalt erwischt – viele | |
> Studierende hatten von der Exzellenz sowieso nichts mitbekommen | |
Bild: Macht einen eher unexzellenten Eindruck: der Bremer Campus | |
Von Paulina Hamesath | |
Schaut man sich an der Universität Bremen um, kommt einem wohl kaum in den | |
Sinn, dass es sich hier um eine deutsche „Elite-Uni“ handeln könnte. Zwar | |
hat die Uni sich, von Restbeständen abgesehen, längst von ihrem Ruf als | |
„roter Kaderschmiede“ verabschiedet, doch einen „exzellenten“ Eindruck | |
macht sie nun auch wieder nicht. Die meisten Gebäude stammen aus den | |
1970er-Jahren – den Zeiten, in denen die Studentenbewegung an der Bremer | |
Universität für Reformen kämpfte und viele Professoren sich vom Geist | |
marxistischer Theorie inspirieren ließen. Heute prägen heruntergekommenen | |
Fassaden und vollgeschmierte Wände das Gesamtbild der Universität. Etwas | |
ranzig – aber durchaus mit einem gewissen Charme. Es erinnert tatsächlich | |
noch ein bisschen an die Zeiten der linken Revolte. | |
In roter Farbe steht das Wort *EXKREMENT an die Wand in der Cafeteria | |
geschrieben. Ein Überbleibsel vom ehemaligen „Arbeitskreis | |
Exzellenzinitiative“, der sich im Jahr 2012 als eine Art Gegenprotest | |
gegründet hatte. Es ist eine Anlehnung an den wohl inoffiziellen | |
Werbeslogan der Bremer Universität: Mit dem Wort *EXZELLENZ bewirbt sich | |
die Uni auf ihrer Website und nahezu allen Flyern oder Prospekten als eine | |
deutsche Spitzenhochschule. Man merkt: Die Verantwortlichen sind mächtig | |
stolz auf die Auszeichnung. | |
Nach nur fünf Jahren ist es allerdings aus mit der Exzellenz. Bereits in | |
der ersten Runde des neuen Vergabeverfahrens entschieden sich die | |
Gutachter*innen gegen die Universität Bremen. Das trifft die Uni und ihre | |
Führung doppelt hart: Neben dem besonderen Image als Exzellenz-Uni fallen | |
auch beachtliche finanzielle Fördermittel weg. | |
Rund 100 Millionen Euro bekam die Bremer Universität seit 2012 aus der dem | |
Topf der Exzellenz-Initiative. Etwa die Hälfte dieser Summe war für ein | |
Zukunftskonzept mit dem Namen „Ambitioniert und agil“ vorgesehen, weitere | |
39 Millionen Euro gingen an das Zentrum für Marine Umweltwissenschaften | |
„MARUM“ und mit neun Millionen Euro wurde die sozialwissenschaftliche | |
Graduiertenschule „BIGSSS“ unterstützt. Wenn man sich die Universität | |
anguckt, kommt allerdings die Frage auf: Was wurde eigentlich mit diesen | |
Geldern gemacht? | |
Das Bremer Zukunftskonzept „Ambitioniert und agil“ sollte eine Art | |
Entwicklungsstrategie für die gesamte Universität sein: Mit den | |
finanziellen Mittel sollten die Profilbereiche gestärkt, neue Ideen | |
unterstützt und Talente gefördert werden. | |
Fragt man bei der Uni nach der Konzept-Umsetzung, beteuert eine Sprecherin, | |
es laufe „voll nach Plan“. Mit dem Geld der Exzellenz-Initiative seien vor | |
allem neue Stellen geschaffen worden. Viele „renommierte und talentierte | |
Wissenschaftler“ seien nach Bremen geholt worden, sagt die Sprecherin, zum | |
Beispiel der ehemalige Harvard-Professor Ron Kikinis, der nun in Bremen das | |
Fraunhofer-Institut für bildgestützte Medizin leitet. Nebenbei lehrt er | |
auch: Laut Vorlesungsverzeichnis einmal im Semester in einer kompletten | |
einwöchigen Blockveranstaltung. | |
Auch von den sogenannten „Creative Units“, kurz CU, schwärmt die | |
Universitätssprecherin. Mithilfe der Exzellenzgelder seien mehrere | |
Kleingruppen gebildet worden, in denen sich Wissenschaftler*innen „mit | |
einem hohem Maß an Kreativität mit neuen gesellschaftlichen | |
Fragestellungen“ auseinandergesetzt hätten. So habe zum Beispiel die | |
Creative Unit „Kommunikative Figurationen“ einen „interaktiven Tisch“ | |
entwickelt, der bereits auf Ausstellungen eingesetzt worden sei. 750.000 | |
Euro seien in die Entwicklung geflossen. | |
Aktuell werden die Erfolge der Exzellenz-Initiative evaluiert, der | |
Abschlussbericht wird im Jahr 2019 erwartet, wenn die Exzellenzförderung | |
ausläuft. Man darf gespannt sein, in welche wissenschaftlichen Projekte das | |
restliche Geld noch so geflossen ist. | |
Fragt man bei den Studierenden nach, so hört man Kritik. „Man bekommt von | |
der ganzen Exzellenz überhaupt nichts mit“, berichtet eine Studentin. Vom | |
Ex-Harvard-Professor oder dem interaktiven Technik-Tisch hat sie auch noch | |
nie etwas gehört. | |
Der Asta geht mit seiner Kritik noch einen Schritt weiter: „Die Exzellenz | |
bezieht sich nur auf die Forschung, die Lehre geht leer aus“, sagt | |
Asta-Mitglied Tom Hoffmann. Seiner Meinung nach nutze die Universität die | |
Exzellenz-Initiative als Marketingkampagne, während die Studierenden eher | |
darunter litten. | |
Die Bremer Uni, die den Schriftzug *EXZELLENZ platziert, wo sie kann, weist | |
die Kritik zurück. Es handele sich bei der Exzellenz-Initiative eben um | |
einen Forschungswettbewerb, bei welchem die Gelder an bestimmte | |
wissenschaftliche Projekte gebunden seien, sagt die Sprecherin der | |
Universität. Für Studierende gebe es Gelder aus anderen Haushaltstöpfen. | |
Was das Ausbleiben der Fördergelder für die Zukunft der Bremer Universität | |
bedeutet, lässt sich noch nicht genau einschätzen. „Dafür war die Förderu… | |
zu komplex“, sagt die Uni-Sprecherin. Man habe erst seit Kurzem das | |
Gutachten der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) erhalten und müsse | |
dieses erst einmal auswerten. Vorher könne man keine Prognosen abgeben. | |
Fest steht aber, dass die Universität auch ohne Exzellenz-Initiative viele | |
Drittmittel bekommt. Allein im Jahr 2016 wurde bei einem Gesamthaushalt von | |
300 Millionen Euro rund ein Drittel von externen Institutionen | |
bereitgestellt. Christina Selzer, die Sprecherin der Wissenschaftsbehörde, | |
berichtet von sechs Sonderforschungsbereichen und sechs Graduiertenkollegs, | |
welche alle von der DFG finanziell gefördert würden. Durch die Gründung der | |
„U Bremen Research Alliance“ habe man außerdem die finanzielle Kooperation | |
mit zehn außeruniversitären Forschungseinrichtungen verstärkt. Man müsse | |
entscheiden, wo man Gelder am besten einsetze, um in sieben Jahren wieder | |
als Elite-Universität ausgezeichnet zu werden, sagt Selzer. | |
Der Stolz der Bremer Verantwortlichen hat wohl dennoch einen ordentlichen | |
Knacks bekommen. Denn auch wenn man die finanziellen Ausfälle auffangen | |
kann, so muss man sich in Zukunft wohl oder übel ein neues Aushängeschild | |
für die Universität Bremen suchen – mit *EXZELLENZ ist es für die nächsten | |
Jahre vorbei. | |
14 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Paulina Hemesath | |
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