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# taz.de -- Schwarze Hymnen, die Brücken bauen
> Konzerte Der Pianist Fazıl Say ist ein Weltstar. Weil er für
> Menschenrechte einsteht, wird er bedroht
„Hört endlich auf, mich zu kategorisieren. Ich mache einfach Musik. Von der
Türkei geht sie um die Welt, aus der Welt bringe ich mit ihr wiederum
Universalität und Freundschaft nach Hause.“ Der 47-jährige Fazıl Say ist
der international renommierteste Pianist und Komponist der Türkei,
weltbekannt als Interpret klassischer Musik. Doch in seiner türkischen
Heimat erfährt Say wegen seiner regierungskritischen Haltung und seines
Engagements für Menschenrechte leider nicht die ihm gebührende Anerkennung.
Dort wird er regelmäßig wegen seiner Äußerungen verunglimpft, bedroht und
angeklagt.
Bereits im Alter von fünf Jahren begann Say mit dem Klavierunterricht,
studierte am staatlichen Konservatorium in Ankara und setzte seine
Ausbildung an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf und der
Universität der Künste Berlin fort. Anlässlich der 750-Jahr-Feier Berlins
1987 führte er sein Werk „Black Hymns“ in Westberlin auf, welches er als
16-Jähriger komponiert hatte. Bald darauf erlangte er internationalen Ruhm
und spielte etwa mit dem New York Philharmonic Orchestra und den Wiener
Symphonikern.
## Der Kolumnist
In der Türkei ist Say außerdem als Kolumnist aktiv. Zurzeit schreibt er für
die Onlineausgabe von OdaTV. Zuletzt veröffentlichte er auch in der
Tageszeitung Cumhuriyet, dessen Chefredakteur Can Dündar mittlerweile im
Berliner Exil lebt, da in der Türkei gegen ihn ein Verfahren wegen
Landesverrat läuft. Auch gegen Fazıl Say wurden diverse Strafanträge, etwa
wegen Volksverhetzung gestellt. 2013 wurde er von einem türkischen Gericht
wegen Blasphemie zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Er erhält
aufgrund von Äußerungen auf Twitter regelmäßig Hassbotschaften in den
sozialen Medien, wo er als Landesverräter verunglimpft und persönlich
beleidigt wird.
Kommende Woche wird er im Taunus auftreten, heute Abend gibt er im
Kammersaal der Berliner Philharmonie ein Konzert. Organisiert wird dies vom
Berliner Musiker Taner Akyol, der sich als Vorstandsmitglied einer
Künstlerinitiative auch für aus politischen Gründen nach Deutschland
geflüchtete Künstler engagiert. Während des Konzerts wird Say mit der
Sängerin Serenad Bağcan traditionelle Volkslieder interpretieren. Daneben
wird Say mit Taner Akyol und seinem Trio (Antonis Annisegos, Sebastian
Flaig) zusammen auf der Bühne stehen.
Die heftigen Diskussionen in der Türkei um die liberale Einstellung von Say
sind symptomatisch für die gesellschaftlichen und politischen Spannungen.
Say, bekennender Atheist, hat 2016 den Beethovenpreis für Menschenrechte,
Frieden, Freiheit, Armutsbekämpfung und Inklusion verliehen bekommen.
Während eines Konzerts im Dezember 2016 in Izmir wurde er etwa von einem
Unbekannten mit einer Machete bedroht und mit „Allahu akbar“-Rufen
provoziert.
Zuletzt wurden Fazıl Says Kompositionen ohne jede Begründung aus den
Repertoires der staatlichen türkischen Symphonie-Orchester gestrichen und
mehrere Auftritte von ihm abgesagt. Der Künstler antwortete auf diese
jüngsten Entwicklungen: „Jeglicher Kontakt zu öffentlichen Stellen ist
abgebrochen. Meine Kompositionen wurden aus den Repertoires entfernt. Auf
Nachfragen erhielt ich nur vorwurfsvolle schriftliche Antworten. Dem ist
nichts mehr hinzufügen. Was soll man denn über Zensur noch sagen?“
Einen anderen Musiker mit einer derart vielfältigen Begabung gibt es in der
Türkei nicht. Fazıl Say sieht sich selbst als Brückenbauer, der die
unterschiedlichsten westlichen, östlichen und arabischen Einflüsse in
seiner Musik zusammenführt. Als junger Mann spielte er zudem zahlreiche
Werke von Beethoven, Mozart, Bach und Chopin ein. Seit seinem Umzug nach
Istanbul widmet er sich verstärkt Sinfonien, die „mit der Kultur, der
Musik, den Städten und Provinzen meines Heimatlandes“ zu tun haben. Seine
Kompositionen „Istanbuler Sinfonie“ und die „Vier Städte-Sonate“ sind
inspiriert von Istanbul, Sivas Bodrum, Hopa und Ankara. Fazıl Say hat diese
Werke inzwischen überall auf der Welt mit großen Orchestern zur Aufführung
gebracht. Schriftsteller wie Nâzım Hikmet, Metin Altıok und Cemal Süreya
sind auch wichtige Inspirationsquellen, allen drei hat er Oratorien
gewidmet. Say ist ein Arbeitstier, er gibt mehr als 100 Konzerte pro Jahr.
Momentan arbeitet er an einer Oper, die er 2019 fertiggestellt haben will.
Ali Çelikkan
Aus dem Türkischen von
Feyz Yeşilkaya
Live: 29. September: Philharmonie Berlin; 3. Oktober: Johanniskirche
Kronberg im Taunus
29 Sep 2017
## AUTOREN
Ali Celikkan
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