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# taz.de -- Kleinvieh macht auch Mist
> Nachlese Von ÜberraschungssiegerInnen und zu Geld Gekommenen – was die
> Wahl republikweit für ParteienvertreterInnen und Kleinstparteien bedeutet
Bild: No-Go Jamaika: die Kreuzberger Grüne Canan Bayram
## Kein Kançler, aber Kohle
Eindeutiger Gewinner, auch ohne Kançler: Die PARTEI verfünffacht ihr
Ergebnis im Vergleich zur letzten Wahl, sie holt 1,0 Prozent der Stimmen.
Finanziell lohnt sich das – die Höhe der Zuschüsse aus der staatlichen
Parteienfinanzierung hängt vom jeweils letzten Wahlergebnis ab. Schon bei
der Europawahl und einigen Landtagswahlen hat die PARTEI bereits Geld vom
Staat bekommen, doch jetzt steht ihr deutlich mehr zu. Stark sind die
Politsatiriker vor allem in Großstädten und dort in innerstädtischen
Wahllokalen. „Kançler“ Serdar Somuncu kommt im Wahlkreis
Friedrichshain-Kreuzberg sogar auf 7,2 Prozent der Erststimmen – mehr als
jeweils FDP und AfD. In einigen Wahllokalen überholt er sogar CDU und SPD.
## Bayram rockt Kreuzberg
Mit einem winzigen Vorsprung holt Canan Bayram bundesweit das einzige grüne
Direktmandat im Berliner Wahlbezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Der war bis
jüngst Beritt des Grünen-Urgesteins Christian Ströbele. Lange war unklar,
ob nicht Pascal Meiser von den Linken an Bayram vorbeizieht. Bayram kriegte
am Ende 26,3 Prozent, Meiser 24,9. Zweitstimmen holen die Grünen in
Friedrichshain-Kreuzberg deutlich mehr als im Bund. Ströbele hatte viermal
das Direktmandat geholt – mit teilweise bis zu 40 Prozent der Stimmen.
Seine Nachfolgerin Bayram steht ihm politisch nahe; der Bezirk wendet sich
aber wohl langsam von den Grünen ab. Obwohl Bayram sich im Vorfeld
entschlossen gegen Jamaika stellte, dürfte der Flirt mit CDU/CSU viele
linke Stammwähler verschreckt haben.
## BA-WÜ bleibt grün
Wenn Canan Bayram bei den Grünen ganz links steht, dann ihr Parteispezi
Boris Palmer am anderen Ende des Spektrums: Eine Koalition mit CDU/CSU ist
für ihn trotz der Flüchtlingspolitik der Christsozialen kein Problem. Im
Wahlkreis Tübingen, wo Palmer Oberbürgermeister ist, holen die Grünen 18
Prozent der Stimmen, in ganz Baden-Württemberg 13,5 Prozent – bestes
Landesergebnis für Grün. In Freiburg gibt es sogar 21,2 Prozent – bestes
Wahlkreisergebnis.
## Null Promistatus
Andrea Nahles, Cem Özdemir, Sahra Wagenknecht, Alexander Gauland, Alice
Weidel, Heiko Maas, Ursula von der Leyen und Ulla Schmidt: Keiner von ihnen
kann ein Direktmandat im Wahlkreis holen. Alle kommen aber über die
Landesliste in den Bundestag.
## NPD und Piraten versunken
Piraten und NPD ähneln sich in ihrer finanziellen Niederlage nach der Wahl.
Mit jeweils 0,4 Prozent (–1,8 bei den Piraten, –0,9 bei der NPD) gibt es
deutlich weniger Staatsknete – nur durch bessere Ergebnisse bei Europa- und
Landtagswahlen sind die beiden Parteien noch drin in der
Parteienfinanzierung.
## Lutze gegen Lafontaine
Thomas Lutze, Linken-Spitzenkandidat im Saarland, schafft es trotz Oskar
Lafontaine, seinem großen internen Gegner, ins Parlament. Lutze zählt im
Gegensatz zu Lafontaine zum Reformflügel der Linken. Im Saarland schnitt
seine Partei mit 12,9 Prozent deutlich besser ab als im Bundesschnitt.
Lafontaine, Chef der saarländischen Landtagsfraktion, und große Teile der
Basis hatten Lutze die Unterstützung verweigert.
## Sachsen rotblau
Erstmals in Sachsen gewinnt die Linke ein Direktmandat auf Bundesebene. Der
Grundschullehrer Sören Pellmann liegt rund 1.000 Stimmen vor dem
CDU-Kandidaten Thomas Feist. Der verliert viel an die AfD, und auch
Pellmanns regional bekannter Name half wohl – sein Vater Dietmar Pellmann,
einst SED-Genosse, war lange für die Linke im Landtag. Bundesweit holt die
Linke fünf Direktkandidaten, die restlichen davon in Berlin.
## Essig mit Einzug
Ein flüchtiger Sieg: Im Netz steht der SPD-Kandidat Tim Renner
fälschlicherweise kurz als Gewinner des Berliner Direktmandats in
Charlottenburg-Wilmersdorf. Der Exberliner Kultursenator, der den
umstrittenen Chris Dercon zum neuen Chef der Volksbühne machte, gibt sich
wenig später doch seinem CDU-Kontrahenten Klaus-Dieter Gröhler geschlagen.
Auch der sechste Platz auf der SPD-Landesliste reicht Renner nicht, um in
den Bundestag zu kommen.
## Kleinstparteien weiter klein …
. . . und arm: Das Bündnis Grundeinkommen (BGE) erhält 0,2 Prozent, die
Demokratie in Bewegung (DiB) kann lediglich 0,1 Prozent der Wähler*innen
von sich überzeugen. Beide Parteien liegen somit unter der magischen
Schwelle von 0,5 Prozent, die ihnen öffentliche Gelder zusichern würde. Mit
einem Mangel an Aufmerksamkeit für die Newcomer korreliert das Wahlergebnis
dabei nicht.
Annika Maretzki Tanya Falenczyk
26 Sep 2017
## AUTOREN
Annika Maretzki
Tanya Falenczyk
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