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# taz.de -- Krach Ist Kindergeschrei strafbar? Wie laut darf der Ventilator sei…
von Fabian Stark (Text) und Lena Ziyal (Grafik)
Wann ist Nachtruhe?
Nachtruhe ist ein Fleckenteppich. Meist gilt sie aber von 22 bis 6 Uhr
(Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz). In manchen
Ländern verordnen Kommunen die Nachtruhezeiten abhängig von der Wohnlage
(Bayern, Hessen). In Hamburg und Thüringen gilt die Nachtruhe von 20 bis 7
Uhr, bezieht sich aber konkret aufs Bauen und Werkeln. Auch in anderen
Bundesländern gelten diese Stunden als Ruhezeiten, in denen laute
Heimarbeiten zu vermeiden sind.
Wenn es im meinem Wohnort keine gesetzliche Nachtruhe gibt, kann ich dann
treiben, was ich will?
Nein, seien Sie anständig und nehmen Sie Rücksicht auf Ihre Nachbar*innen.
Gucken Sie außerdem in Ihren Mietvertrag, mitunter sind dort Nacht- und
Ruhezeiten festgelegt.
Wie ruhig muss es nachts sein?
Kirchenglocken müssen Sie ertragen, solange das Läuten kirchlichen Zwecken
dient – sehen Sie im Zweifel in den Kalender. Sportstätten dürfen je nach
Lage in Wohngebieten nachts 35 bis 45 Dezibel laut sein, also etwas mehr
als ein Ventilator. Für Nachbarschaftslärm gibt es kein gesetzliches Maß,
grundsätzlich gilt Zimmerlautstärke.
Oft gehört, aber was bitte ist Zimmerlautstärke?
Jurist*innen gehen vom Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen
aus, der die Geräusche außerhalb einer geschlossenen Wohnung nicht mehr
oder kaum noch wahrnehmen kann. Das Problem wird sein, dass sowohl Sie als
auch Ihr Nachbar sich für verständige Menschen halten werden, obgleich der
amtsdeutsche „Durchschnitt“ etwas abwertend daherkommen mag. Sehen Sie
darüber hinweg. Kurz: Zimmerlautstärke ist letztlich subjektiv; und Lärm
ist nicht nur, was laut, sondern auch, was lästig ist. Musik dürfen Sie
auch nachts leise hören.
Darf ich nachts aufs Klo?
Ja, inklusive Spülung. Duschen und baden können Sie auch morgens um drei –
allerdings nur eine halbe Stunde lang, wie das Düsseldorfer
Oberlandesgericht einst in weiser Abwägung der Interessen entschied.
Was ist mit Haustieren?
Katzen dürfen miauen, Hunde bellen, aber nicht die ganze Nacht.
Die Kinder von oben schreien bis in die Puppen. Was tun?
Gegen Kinder sind Sie machtlos, sie dürfen spielen, lachen, schreien. Doch
die Eltern tragen eine Mitverantwortung, insbesondere in den Ruhezeiten.
Haben Sie den Eindruck, das Geschrei ist Folge häuslicher Gewalt, rufen Sie
die Polizei und schreiten Sie ein.
Ich bin versehentlich über eine Bar gezogen, und nun schallt es
allnächtlich „Bailando, bailando. Amigos, adiós, adiós, el silencio loco“
in mein Gemach.
Auch über Gaststätten haben Sie Anspruch auf gewisse Ruhe, gerade nachts.
Was Sie zu ertragen haben, ist von der Gegend abhängig.
Was kann ich gegen laute Nachbar*innen tun?
Vielleicht ist Ihren Nachbar*innen gar nicht bewusst, wie laut sie sind.
Senden Sie Ich-Botschaften. Bleiben Sie ruhig trotz Schlaftrunkenheit und
übler Laune. Finden Sie gemeinsam eine Lösung.
Sorry, klappt nicht.
Wenn es nicht anders geht, rufen Sie die Polizei. Die kann verwarnen, eine
Ordnungswidrigkeitenanzeige aufnehmen und bei wiederholtem Ruf gar die
Party auflösen oder den Fernseher abschalten.
Scheiße, die Polizei steht vor der Tür. Was kann die mir?
Lärm, der geeignet ist „die Nachbarschaft erheblich zu belästigen oder die
Gesundheit eines anderen zu schädigen“, kostet nach dem
Ordnungswidrigkeitengesetz Paragraf 117 bis zu 5.000 Euro, rechnen sollten
Sie aber mit einer Buße von 50 bis 150 Euro oder einer niedrigeren
Verwarnung. Lärm vor 24 Uhr ist in der Regel günstiger. Wenn die Polizei es
bereits angedroht hat, darf sie beim nächsten Mal mitunter auch Ihren
Fernseher, Ihre Bohrmaschine, Ihren Subwoofer konfiszieren.
Hab ich wenigstens einmal im Jahr das Recht zu feiern?
Nein, auch in Berlin nicht. Es sei denn, Sie meinen Silvester – geschenkt.
Quo vadis mit fight for your right to party?
Sprechen Sie mit Ihren Nachbarn, laden Sie sie ein. Außer, Sie mögen sich
ohnehin schon nicht. Dann warten Sie, bis sie in den Urlaub fahren. Ein
überquellender Briefkasten kann als Indiz dienen und eine spontane Sause
veranlassen. Auch kleine Aufmerksamkeiten, die über einen vorauseilenden
Entschuldigungsbrief hinausgehen – wie Hallorenkugeln und Ohrenstöpsel –
heben die Stimmung. Sie kommen aber nicht drum herum, dass Ihre Nachbarn
vielleicht wirklich schlafen wollen. Als alternativlos schallstarke
Befreiung aus einer Notlage werden Sie Ihre Feier kaum interpretieren
können.
Habe ich Anspruch auf Schadenersatz?
Beweisen Sie erst mal, dass Sie nicht nur nachts wachen, sondern dass Lärm
auch Ihre Gesundheit verletzt. Wenn Sie das schaffen: ja (Paragraf 253
BGB).
Kann mir meine Vermieterin helfen?
Auch hier müssen Sie beweisen, dass Ihr Nachbar nachhaltig lärmt und neben
der Nachtruhe den Hausfrieden stört. Jurist*innen empfehlen hässliche
Methoden wie das Führen eines Lärmprotokolls mithilfe eines Schallmessers –
so ein Protokoll kann auch Grundlage einer Unterlassungsklage sein. Auch
andere Nachbarn sollten sich gestört fühlen. Wenn die alle nichts hören,
sind sie wohl die oben genannten verständigen Durchschnittsmenschen, nicht
Sie. Die Vermieterin hat dann den Auftrag, Ihren Nachbarn zur Ruhe zu
bringen. Gelingt das nicht, haben Sie Anspruch auf Mietminderung. Im
schlimmsten Fall kann dem Nachbarn gekündigt werden.
Und wenn es gar nicht am Nachbarn liegt, sondern am fehlenden Schallschutz?
Im Altbau aus dem 19. Jahrhundert schallt es anders als im Neubau. Prüfen
Sie beim Vermieter eventuelle Schadenersatzforderungen.
9 Sep 2017
## AUTOREN
Fabian Stark
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