# taz.de -- Handreichung: Bilderbuch fürs Museum | |
> Damit die Besucher der Ausstellung „Lose Dichte“ mit den Objekten nicht | |
> allein sind, haben Bremer Studentinnen ein Buch gemacht. | |
Bild: Es gibt in der Kunst nicht die eine Wahrheit, Darum lassen sich die Seite… | |
Wer derzeit das Gerhard-Marcks-Haus betritt, fühlt sich im ersten Moment | |
wie auf einer verlassenen Baustelle. Gerüste stehen im Raum herum, Rohre | |
und Teppiche liegen scheinbar vergessen auf dem Boden. Glücklicherweise | |
erweckt der helle Innenraum mit seinen makellos weißen Wänden den Eindruck | |
eines Museums. Ansonsten müsste man die Frage stellen, die allen | |
Kunstfeinden ein leicht süffisantes Grinsen verleiht, Kunstliebenden aber | |
wahrscheinlich aus den Ohren heraushängt: „Ist das Kunst, oder kann das | |
weg?“ | |
Dabei stehen all diese Gegenstände genau an der für sie vorgesehenen | |
Stelle. Sie gehören zur Ausstellung „Lose Dichte“ des Bildhauers Michael | |
Kienzer. Der 1962 in Steyr geborene Österreicher verbindet | |
Alltagsgegenstände aus Aluminium oder Gummi zu modernen Installationen. So | |
entstehen mitunter Skulpturen, die nur von Magneten zusammengehalten | |
werden. | |
Um mögliche Hürden auch für Kunstlaien zu senken, begleitet ein Buch die | |
Ausstellung. Im Zusammenspiel mit den ausgestellten Skulpturen soll es | |
eigene Assoziationen ermöglichen. Fünf Studentinnen der Kunst- und | |
Kulturvermittlung der Universität Bremen entwickelten diese Form der | |
Begleitung im Rahmen eines einjährigen Praxisseminars. | |
## Kein klassisches Format | |
Das Buch ist keines im klassischen Sinne. Durch sein Format und eine | |
Ringbindung sieht es aus wie ein Tischkalender und erinnert an das | |
Bastelspiel „Himmel oder Hölle“, das aus einem quadratischen Papierstück | |
gefaltet wird. Je nachdem, wie man es öffnet, sind andere Bilder zu sehen. | |
Das Prinzip ist hier ähnlich: Durch die Bindung lassen sich die „Seiten“ �… | |
eher Karten – zu insgesamt 120 verschiedenen Variationen kombinieren. So | |
entsteht eine Art Bilderbuch, das die Installationen begleiten und durch | |
das interaktive Erlebnis verständlicher machen soll. | |
Dem Werk vorangestellt ist eine Anleitung, und die ist auch notwendig. Sie | |
beschreibt den Gegenstand als „Seiteninstrument, mit dem gespielt werden | |
darf“. Empfohlen werden „Pausen während der Handhabung“. Tatsächlich | |
braucht es einige Zeit, das Buch zu verstehen. Ist das aber gelungen, | |
werden die BesucherInnen mit einer interessanten Erfahrung belohnt. | |
Das Buch lädt dazu ein, es und auch sich selbst auszuprobieren. Es kann von | |
vorn nach hinten, von hinten nach vorn sowie querbeet gelesen werden. Da | |
wünscht man sich schon mal mehr Hände. „Richtig“ oder „falsch“ gibt es | |
nicht. Mithilfe von winzigen Markierungen werden der LeserIn zwar gewisse | |
Assoziationen empfohlen, wirklich festlegen wollten sich die Studentinnen | |
aber nicht. | |
„Es gibt in der Kunst nicht die eine Wahrheit“, sagt Karolin Leitermann, | |
die das Buch mitentwickelt hat. Sie und ihre Kommilitoninnen möchten die | |
BesucherInnen der Ausstellung zwar zum Denken anregen, aber nicht belehren. | |
Kinder würden das Buch sofort verstehen und damit losziehen. „Erwachsene | |
sind eher zögerlich – als würden sie auf die Erlaubnis warten, es nutzen zu | |
dürfen“, so Leitermann. | |
## Grillkorb und Kuhstall | |
Wenn man sich erst einmal traut, lassen sich die Installationen ganz anders | |
erleben. So wird aus Rohren und Stangen, die gefährlich spitz aussehen, | |
kurzerhand ein Zelt. In der für die Ausstellung namensgebenden Skulptur | |
„Lose Dichte Nr. 12“ haben die Studentinnen einen Grillkorb für Fische | |
gesehen. Und eine Ansammlung verschieden großer Rohre erinnert an einen | |
Kuhstall. | |
Ob man die vorgeschlagenen Assoziationen nachvollziehen möchte oder eigene | |
Kombinationen besser findet – das Buch lässt es zu. „Was in den Skulpturen | |
gesehen wird, ist auch abhängig vom eigenen Vorwissen“, sagt Studentin | |
Sarah Landes. | |
Die Entwicklung sei zeitaufwendig gewesen. Vom finalen Produkt gebe es 35 | |
Exemplare, die von den Studentinnen teilweise in Handarbeit hergestellt | |
wurden. Allein die Material- und Herstellungskosten betrügen 40 Euro pro | |
Buch. Das Marcks-Haus stellte die nötigen Ressourcen bereit. | |
Drei bis vier Versionen habe es vor der fertigen Ausgabe gegeben. „Trotzdem | |
haben wir immer wieder neue Ideen“, sagt Landes. Die Studierenden hätten | |
auch mit Michael Kienzer zusammengearbeitet. Das Buch habe er lange | |
durchblättert und dabei häufig geschmunzelt. | |
Die Ausstellung wurde zusammen mit dem Kunsthaus Zug in der Schweiz | |
entwickelt. Ab September soll das Buch der Bremer Studentinnen auch dort | |
BesucherInnen zu eigenen Assoziationen anregen. | |
Irgendwann meint man, die Möglichkeiten erschöpft zu haben. Aber auf dem | |
Rückweg sind wieder die Teppiche, die im Eingangsbereich etwas verloren | |
wirken. Dann fallen einem zwei Karten aus dem Buch ein, die den | |
Ersteindruck perfekt beschreiben. „Warum ist das hier?“ wird dort gefragt �… | |
nur eine von vielen möglichen Assoziation. | |
Die Ausstellung „Lose Dichte“ von Michael Kienzer ist noch bis zum 12. | |
November im Bremer [1][Gerhard-Marcks-Haus] zu sehen. | |
20 Aug 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://marcks.de/de/startseite/ | |
## AUTOREN | |
Lukas Thöle | |
## TAGS | |
Kunst | |
Gerhard Marcks | |
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