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# taz.de -- E-Roller in Berlin: Italienische Verhältnisse?
> Schneller als das Fahrrad, umweltschonender als das Auto: In Berlin
> etablieren sich elektrische Leihroller. Sind sie auch ein Treiber der
> Mobilitätswende?
Bild: Ssssst … endlich mal Motorräder, die keinen Lärm machen
Ein Klacken im Helmfach, eine App bestätigt die Reservierung, lautlos
startet die Zündung. E-Roller tauchen zunehmend im Berliner Straßenbild
auf, die Unternehmen auf dem Markt der elektronischen Leihroller
expandieren: Emmy, ein junges Berliner Start-up, bietet momentan 350
Fahrzeuge zum Verleih an, bald sollen 450 E-Schwalben hinzukommen. Coup,
hinter dem Bosch und die Boston Consulting Group stehen, möchte noch in
diesem Sommer eine Flottengröße von 1.000 Fahrzeugen erreichen.
Aufgrund der hohen Nachfrage planen beide Unternehmen außerdem, ihr Angebot
auf weitere Städte auszuweiten. Valerian Seither, einer der Gründer von
Emmy, empfindet die Konkurrenz nicht als Nachteil: „Das ist kein Markt, auf
dem es nur einen Gewinner gibt.“ Er sieht Emmy, Coup und alle anderen
Leihsysteme in einer Allianz gegen einen gemeinsamen Konkurrenten: den
privaten Pkw-Besitz. „Unser Ziel muss sein, zu jeder Situation das richtige
Fortbewegungsmittel zum Verleih anbieten zu können“, sagt Seither.
## 100 Kilometer bei vollem Akku
Wer einen Roller ausleihen möchte, braucht neben einem gültigen
Autoführerschein die App des jeweiligen Anbieters. Diese dient als
Buchungssystem, zeigt verfügbare Roller in der Nähe an und ersetzt bei
manchen Modellen sogar den Zündschlüssel. Ist ein Roller gefunden und
entsperrt, kann aus einem Fach der Helm entnommen werden. Mit vollem Akku
beträgt die Reichweite etwa 100 Kilometer.
Abgestellt werden kann der Roller nach der Fahrt überall innerhalb eines
festgelegten Gebiets. Dieses umfasst bei beiden Anbietern bisher die
Stadtgebiete innerhalb des S-Bahn-Rings – dahinter ist Schluss. Die Kosten
für eine Fahrt variieren je nach Anbieter und Berechnungsmodell. Die
Strecke vom Hermannplatz zum Kottbusser Tor kann so zwischen 1 und 3 Euro
kosten. Dabei spielt es keine Rolle, ob nur eine oder zwei Personen auf dem
Roller sitzen.
Stefan Gelbhaar, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im
Abgeordnetenhaus, zeigt sich gegenüber der neuen Entwicklung offen: „Wo Bus
und Bahn das Mobilitätsinteresse nicht bedienen können, sind
Sharing-Systeme eine sinnvolle Ergänzung.“
Wichtig sei jedoch, dass die Roller nicht nur wie momentan im Stadtkern
angeboten würden, sondern dort, wo ÖPNV und Radwege nicht ankommen. „Die
großen Fragen der Mobilität haben wir nicht nur in Mitte oder Kreuzberg zu
klären, sondern besonders außerhalb des S-Bahn-Rings“, erklärt Stefan
Gelbhaar.
Dr. Katrin Dziekan sieht das ähnlich. Rückgrat eines modernen
Mobilitätskonzeptes müsse der ÖPNV sein, der durch Fuß- und Radverkehr
ergänzt werde. Die Fachgebietsleiterin für Umwelt und Verkehr am
Umweltbundesamt relativiert den ökologischen Aspekt der E-Roller: „Wird ein
Roller anstatt eines Autos benutzt, ist das gut – anstatt eines Fahrrads
jedoch nicht.“ Dass der Roller als Verkehrsmittel in Berlin eine ähnliche
Relevanz bekommt wie in italienischen oder asiatischen Großstädten,
bezweifelt die Mobilitätsexpertin.
In einem kürzlich veröffentlichten Papier des Umweltbundesamts mit dem
Titel „Die Stadt für Morgen“ kommt der E-Roller als Fortbewegungsmittel
sogar überhaupt nicht vor. Im schlechtesten Fall beschränke sich der Nutzen
auf einen reinen Lifestyle- und Bequemlichkeitsaspekt. „Lasten werden damit
nur selten transportiert“, erläutert Dziekan.
Emmy-Mitgründer Valerian Seither sieht die Zielgruppe vor allem bei
denjenigen, die auf etwas Bequemlichkeit nicht verzichten wollen und eine
Alternative zum Auto suchen. Ein erhöhtes Sicherheitsrisiko stellten die
fast lautlosen Roller mit ihren 45 Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit
seiner Meinung nicht dar. Zwar passierten mit den Rollern auch Unfälle,
jedoch nicht mehr als mit anderen Verkehrsmitteln.
„Würden wir da jetzt ein Geräusch einbauen, würden wir die Diskussion über
lebenswerte und geräuscharme Städte ad absurdum führen“, so der Mitgründer
von Emmy. Die Berliner Polizei bestätigte auf Nachfrage der taz, dass die
elektronischen Leihroller in der Verkehrsüberwachung bisher nicht mehr
aufgefallen sind als andere Verkehrsmittel.
19 Jul 2017
## AUTOREN
Fabian Franke
## TAGS
Verkehrswende
Elektromobilität
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