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# taz.de -- Kolumne American Pie: Sehnsucht nach den Senioren
> NBA-Legenden versammeln sich in einer Altherrenliga und füllen in den USA
> die großen Sportarenen. Ein Ex-Star nimmt das besonders ernst.
Bild: Ein paar Gramm mehr auf den Rippen machen keinen Unterschied: Ex-NBA-Star…
Nahezu 20.000 Menschen passen in das BOK Center in Tulsa, Oklahoma. Die
riesige Arena zu füllen gelingt den angestammten Mietern allerdings nur
selten. Weder die drittklassige Eishockeymannschaft Tulsa Oilers noch das
Hallen-Football-Team Tulsa Talons oder die Basketball-Frauen Tulsa Shock,
die im NBA-Ableger WNBA antreten, sind attraktiv genug. Am vergangenen
Sonntag allerdings war die „Big3“ zu Gast und der Laden fast voll – und
durch die Reihen wehte ein Gefühl, das man hier, im Herzen des Mittleren
Westens, dort, wo die meisten der Abgehängten leben, die Donald Trump zum
Führer der freien Welt gewählt haben, kaum kennt: der Nabel der Welt, also
zumindest der der Sportwelt zu sein. Denn dort unten auf dem Parkett
spielten echte Basketballstars.
Oder, um ehrlich zu sein: Es spielten Basketballer, die mal Stars waren.
Ein paar zumindest. Charles Oakley (53) war in den Neunzigerjahren
Publikumsliebling bei den New York Knicks, Mahmoud Abdul-Rauf (48) galt
eine Weile als einer der besten Dreierschützen der NBA, Chauncey Billups
(40) führte 2004 die Detroit Pistons zur NBA-Meisterschaft. Die meisten
anderen sind ehemalige Profis, die mal ein paar Jahre in der NBA aktiv
waren, manche Stammspieler, eine Menge Bankdrücker und ein paar
gescheiterte Talente.
Für dieses Sammelsurium hat der „Big3“-Erfinder Ice Cube, seines Zeichens
Rapper, Schauspieler und Medienunternehmer, eine Basketballvariante
entworfen, die an das Spiel auf den Freiplätzen angelehnt ist: Drei gegen
drei auf einen Korb – mit ein paar seltsamen Sonderregeln wie einem
Vierpunkte-Wurf, der von markierten Kreisen noch hinter der regulären
Dreierlinie abgegeben werden kann. Jedes Team hat nur 14 Sekunden, um einen
Korb zu erzielen, und die Mannschaft die zuerst 50 Punkte erzielt hat,
gewinnt.
Am Sonntag fand der dritte von geplanten zehn Spieltagen der neuen
Altherrenliga statt. Acht Teams mit solch klangvollen Namen wie „3 Headed
Monsters“ oder „Ghost Ballers“ treten an, das ergibt an jedem Sonntag vier
Spiele in einer großen NBA- oder College-Basketball-Halle – und nach den
ersten beiden Partien performt Liga-Eigentümer Ice Cube zumindest in Tulsa
einen Song. Es ist eine große Show, deren noch größerer Höhepunkt Ende
August in Las Vegas stattfinden soll: Dort wird in einer Finalrunde der
erste Meister der „Big3“ gekürt werden.
## Die alten Herren sind nicht mehr 25
Um das Starpotenzial zu erhöhen, nehmen zumindest auf den Trainerbänken
richtige Legenden Platz, was schon daran zu erkennen ist, dass sie schicke
Spitznamen aus einer ruhmreichen NBA-Vergangenheit tragen: Allerdings sind
die Aufgaben der Coaches Julius „Dr. J“ Erving (67), Clyde „The Glide“
Drexler (55) und George „The Icemen“ Gervin (65) überschaubar, denn weder
wirken ihre Spieler sonderlich durchtrainiert noch werden die Begegnungen
von einem Übermaß an taktischer Finesse beeinträchtigt.
Tatsächlich ist das Tempo gemächlich, sind die Verteidigungsbemühungen
überschaubar und ist die Athletik ausbaufähig. Allzu viele der Akteure, vor
allem Center und Power Forwards, tragen ein paar Pfunde zu viel auf den
Rippen. Und manch einer der ehemaligen Stars muss sich nach einem Dribbling
auf die Oberschenkel stützen und erst einmal tief durchatmen.
Nicht dass sich die Altstars keine Mühe geben würden: Eher öfter als ein
verwandelter Vierpunktewurf sind Stürze und Karambolagen zu bewundern, nach
denen es mitunter besorgniserregend lange Sekunden dauert, bis sich die
Lädierten wieder aufrappeln oder von den besorgten Kollegen aufgerichtet
werden müssen. Tatsächlich ist das Verletzungsrisiko angesichts des
fortgeschrittenen Alters nicht zu unterschätzen. Oberschenkelhalsbrüche
wurden zwar bislang noch nicht vermeldet, aber nicht umsonst schaffte die
NBA in den Neunzigerjahren ein Ehemaligen-Spiel, das sie im Rahmenprogramm
des All-Star-Games eingeführt hatte, schnell wieder ab, als die alten
Herren reihenweise humpelnd vom Feld mussten.
## Der Anarchist Iverson
Richtig ernst nimmt das „Big3“-Spektakel allerdings nur einer: Allen
Iverson, in Personalunion Trainer und unangefochtener Alleinunterhalter der
„Killer 3s“. Zwar spannt auch bei „The Answer“ das Trikot etwas über d…
Wohlstandsbäuchlein, aber Iverson demonstriert denselben überbordenden
Ehrgeiz, den man von ihm schon aus seiner Zeit bei den Philadelphia 76ers
kannte. Der 42-Jährige, das merkt man ihm an, glaubt fest daran, dass er
auch heute noch in der NBA mithalten könnte.
Das Publikum quittiert es mit großem Applaus. Iverson ist fraglos der
unangefochtene Star der „Big3“, die meisten Zuschauer kommen ausschließlich
seinetwegen. Er ist der Posterboy der nostalgischen Zeitreise, denn sein
anarchischer Charakter war schon zu seiner aktiven Zeit nicht mehr
kompatibel mit der Professionalität der NBA. Wer also nach Tulsa kam, um
Allen Iverson und seine leicht übergewichtigen Kollegen zu bewundern, der
sehnte sich nach einem Basketball, den es eigentlich nie gab.
12 Jul 2017
## AUTOREN
Thomas Winkler
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