# taz.de -- Ans schnelle Geld denken | |
> Literaturpreis Heute wird im Haus der Kulturen der Welt der | |
> kongolesische Autor Fiston Mwanza Mujila ausgezeichnet | |
Für den Roman „Tram 83“ erhält der kongolesische Autor Fiston Mwanza Muji… | |
heute den Internationalen Literaturpreis, den das Haus der Kulturen der | |
Welt in Berlin und die Stiftung Elementarteilchen aus Hamburg seit 2009 | |
vergeben. In seinem furiosen Debüt schreit sich Mujila viele Jahrhunderte | |
Kolonialismus aus der Seele. Und macht dabei einen Fehler. | |
Das Tram 83 ist ein ekelhafter Ort. In dem Bastard zwischen Bordell und Bar | |
in Fiktiv-Afrika wird gesündigt, geprügelt, gepöbelt, getrödelt, gevögelt, | |
jeden Tag und jede Nacht, von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Rhythmisch | |
erzählt der 1981 in Kongo geborene Mujila die Geschichte von zwei | |
Stammgästen: dem gescheiterten Schriftsteller Lucien und seinem | |
Haudegen-Kumpel Requiem. | |
Der Autor begleitet sie durch eine vielstimmige afrikanische Großstadt, in | |
der Bergbau, nun ja, floriert will man angesichts der vielen Grubentoten | |
nicht gerade sagen, in der ständig die Rede von Erz und Silber ist und | |
Menschen an schnelles Geld denken. | |
Touristen, Grubenarbeiter, Gauner, Studenten: Alles trifft sich in diesem | |
Club. Alle paar Zeilen stellt eines der sich dort anbietenden Mädchen, der | |
„Single Mamis“, der „Küken“, die Alibi-Frage: „Was sagt die Uhr?“ … | |
selbst aber spricht, wenn man die kolonialistische Vergangenheit und | |
kapitalistische Gegenwart des afrikanischen Kontinentes mitdenkt, die | |
Sprache der Ausbeutung. | |
„Wir sind die Prinzen des Wolkenreichs der Gerissenheit, die Söhne de Erde | |
und der Eisenbahn. Das hier ist die Neue Welt. Wenn du nicht fickst, wirst | |
du gefickt. Wenn du nicht frisst, wirst du gefressen. Wenn du nicht | |
vernichtest, wirst du vernichtet […] Hier gilt: Jeder für sich, Scheiße für | |
alle.“ | |
Die deutsche Fassung des 2014 auf Französisch erschienenen Romans ist | |
Katharina Meyer und Lena Müller zu verdanken. Sie haben für „Tram 83“ eine | |
so brutale und kompromisslose Sprache gefunden, dass einem fast schwindelig | |
wird. Wie ein unbequemes Jazzstück voller Geschichten und Zitate trägt | |
einen der Text durch die versoffene Nacht. | |
„Man hört Jazz, weil Jazz einfach dazugehört, wenn man auf Geldscheinen | |
schläft, wenn man jeden Tag seine Ware ausliefert, wenn man einer Mine | |
vorsteht, wenn man ein Cousin des abtrünnigen Generals ist, wenn man sich | |
eine kleine Geliebte hält, die einen ans Bett nagelt und an den Rand der | |
Besinnungslosigkeit bringt. Jazz ist ein Zeichen von Erhabenheit, die Musik | |
der Reichen und Neureichen, die Musik der Schöpfer dieser schönen, kaputten | |
Welt.“ | |
„Tram 83“ wäre ein atemberaubendes Debüt, wäre da nicht dieses eine | |
Problem: Sexismus. Die gnadenlose Ausbeutung des weiblichen Körpers in | |
einer männerdominierten Gesellschaft wird durch den Erzähler an keiner | |
Stelle hinterfragt oder aufgebrochen. Gerade weil er aus einem Land kommt, | |
in dem Frauen systematisch vergewaltigt werden, hätte man sich das | |
gewünscht. | |
Die Verachtung der „Beute“ Frau, die gerne auch minderjährig ist, deren | |
„Karosserie“ dem bloßen Lustgewinn des ungewaschenen Mannes dient, der man | |
ungefragt zwischen die Schenkel und an die „Fleischtomatentitten“ greift, | |
hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack und einige Fragen. | |
Antworten darauf erhofft man sich bei der Verleihung des Internationalen | |
Literaturpreises, die in diesem Jahr unter dem Motto „Reclaim your | |
fictions“ steht. Der mit insgesamt 35.000 Euro dotierte Preis für | |
übersetzte Gegenwartsliteratur wird heute Abend im Rahmen einer | |
öffentlichen Veranstaltung mit Lesungen und Gesprächsrunden im Haus der | |
Kulturen der Welt in Berlin verliehen. Das Preisträger-Trio und alle | |
Nominierten der Shortlist sind anwesend. Nora Voit | |
Verleihung heute ab 18 Uhr auf der Dachterrasse im Haus der Kulturen der | |
Welt, Eintritt frei | |
Fiston Mwanza Mujila: „Tram 83“, Hanser Verlag, 207 Seiten, 15,99 Euro | |
6 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Nora Voit | |
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