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# taz.de -- Feuerattacke auf Obdachlosen: Haft für Haupttäter
> Haupttäter bei der Feuerattacke gegen Obdachlosen wegen versuchter
> gefährlicher Körperverletzung zu zwei Jahren und neun Monaten Haft
> verurteilt.
Bild: Ein Anwalt und zwei der sechs Angeklagten (Mitte und rechts) am Dienstag …
Es waren deutliche Worte. Ein brennendes Taschentuch neben den Kopf eines
schlafenden Obdachlosen zu legen, sei eine sehr gefährliche, bösartige Tat.
„Das Opfer war eines der schwächsten Mitglieder der Gesellschaft“, sagte
die Vorsitzende Richterin Regina Alex am Dienstag bei der
Urteilsverkündung. „Eine niedrige Strafe würde nicht dem
Gerechtigkeitsempfinden entsprechen.“
Zwei Jahre und neun Monate Haft wegen versuchter gefährlicher
Körperverletzung lautete das Urteil für den 21-jährigen Hauptangeklagten
Nour N. Er hatte am 25. Dezember 2016 auf dem U-Bahnhof Schönleinstraße ein
Taschentuch angezündet und es neben den auf einer Bank schlafenden
Obdachlosen gelegt. Bei den übrigen fünf Angeklagten, die letzten Freitag
bereits aus der U-Haft entlassen worden waren, differenzierte die Kammer.
Zwei 18-Jährige und ein 17-Jähriger wurden wegen Beihilfe zur gefährlichen
Körperverletzung zu 8 Monaten Jugendstrafe auf Bewährung sowie 60 Stunden
gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Ein 19- und ein 16-Jähriger wurden wegen
unterlassener Hilfeleistung zu vier Wochen Jugendarrest sowie 30 Stunden
Freizeitarbeit verurteilt.
Dass die 13. Jugendstrafkammer mit ihren Strafen dennoch deutlich unter dem
Antrag des Staatsanwalts blieb, lag daran, dass die Richter im Unterschied
zu diesem nicht von einem versuchten Mord ausgegangen sind. In seinem
Plädoyer hatte der Staatsanwalt seinen Strafantrag von vier Jahre Haft für
den Hauptangeklagten damit begründet, der Tötungsvorsatz sei durch die
Videos der Überwachungskameras belegt. Alle Angeklagten hätten die Flammen
gesehen und gewusst, wie gefährlich das sein könne.
Bei der Urteilsvorberatung habe sich die Kammer die Videos mehrfach
angesehen, sagte die Vorsitzende Alex. Die Aufnahmen sind ohne Ton. Die
Angeklagten seien friedlich im U-Bahnhof zu sehen. „Sie haben sich
gelangweilt.“ Die Laune sei gestiegen, als N. den „großen Macker markierte…
und angefangen habe zu zündeln. „Die anderen wirken wie sein Publikum.“
Dass sich jemand von N.s Tun distanziere, sei nicht zu erkennen. Aber aus
den Aufnahmen ergebe sich auch „nichts, woraus man einen bedingten
Tötungsvorsatz ableiten könne“.
Die Angeklagten beschrieb Alex als sehr unreife Persönlichkeiten mit
geringer Schulbildung. Vor nicht allzu langer Zeit seien sie als
Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. „Ihren Platz in unserer Gesellschaft
haben sie noch nicht gefunden.“ Für die Beurteilung ihrer Schuld spiele das
eine Rolle, weil es bei einem Versuchsdelikt auf die Vorstellung des Täters
im Kopf ankomme.
Die Angeklagten hatten sich als lose Gruppe zusammengefunden, einige sahen
sich in jener Nacht das erste Mal. Sie seien sehr damit beschäftigt
gewesen, ihre Rolle in der Gruppe abzuklären, meinte die Richterin. Dass
der Obdachlose durch das Feuer erheblich hätte verletzt werden können, sei
für alle erkennbar gewesen. Aber dass sie gedacht hätten, dass der Mann
sterben könnte, so Alex, „das glauben wir nicht“.
Der Obdachlose war unverletzt geblieben, weil nach zwei Minuten eine U-Bahn
kam und Fahrgäste das Feuer löschten. Bei einem anderen Brandverlauf hätten
zwei Minuten aber auch viel zu spät sein können, betonte die Richterin.
Die Verteidiger hatten in ihren Plädoyers die sachliche Verfahrensführung
der 13. Strafkammer gelobt und Strafen zur Bewährung beziehungsweise
Freispruch gefordert. Heftige Kritik musste die ermittelnde 4.
Mordkommission einstecken. Selten habe er einen so großen Belastungseifer
erlebt, sagte ein Anwalt.
13 Jun 2017
## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Ermittlungen
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