# taz.de -- Von der Geschichte eingeholt | |
> Kühne+Nagel Ein verlogenes Firmenjubiläum und die taz -Kampagne „4 qm | |
> Wahrheit“: Eine Bilanz. | |
Bild: Können nicht einfach davonfahren: Kühne+Nagel | |
Von Henning Bleyl | |
Manche Debatten dauern etwas länger – vor allem die, die man 70 Jahre lang | |
vermieden hat. Fast zweieinhalb Jahre ist es her, dass Kühne+Nagel in | |
Bremen sein Gründungsjubiläum samt aufwändigem History Marketing feierte. | |
Die 30er und 40er Jahre wurden dort recht stiefmütterlich behandelt, und | |
das habe auch seine Richtigkeit, wie der Logistik-Konzern auf Nachfrage der | |
taz erklärte: „Der Rolle von Kühne + Nagel“ in diesen Zeitperioden mangele | |
es an „Relevanz“. Diese Verdrängungstaktik ging nachhaltig nach hinten los. | |
Mittlerweile weiß jeder Mediennutzer, dass Kühne+Nagel eine maßgebliche | |
Rolle beim Abtransport des Besitzes der aus Westeuropa deportierten | |
jüdischen Bevölkerung spielte. Im Gefolge der Wehrmacht gründete das | |
Unternehmen dort Niederlassung um Niederlassung. Zudem weiß mittlerweile | |
jeder, wie massiv sich das Unternehmen gegen ein Mahnmal wehrt, das diese | |
Bereicherung thematisiert. Die taz hat dieses „Arisierungs“-Mahnmal als | |
Motor und Vehikel der inhaltlichen Debatte initiiert. | |
Diesen Zweck erfüllt es noch immer: Vordergründig erlebte die Stadt ein | |
langes Tauziehen um den Standort. Um den vom Parlament zunächst | |
favorisierten Bau direkt am Fuß von Kühne+Nagel doch noch zu verhindern, | |
schlug die SPD einen absurd entfernt gelegenen Standort vor – der innerhalb | |
der rotgrünen Regierungskoalition Stück für Stück zurück in die Innenstadt | |
verhandelt werden musste. Zuletzt war dafür eine lange Nachtsitzung des | |
Koalitionsausschusses nötig. Nun wird das Mahnmal möglicherweise rund 250 | |
Meter vom Firmensitz entfernt entstehen. | |
Auf der inhaltlichen Ebene wurde deutlich, dass einer konsequenten | |
Täteradressierung immer noch der Geruch von Einseitigkeit anhängt. Gab es | |
in Bremen nicht viele, die von Transport und „Verwertung“ jüdischen | |
Eigentums profitierten? Ist es nicht unerlässlich, alle zu adressieren, | |
damit keiner entlastet wird? Diese „Alle oder Niemand“-Position übersieht, | |
dass dann auch der Umkehrschluss gelten müsste: Dass eine Vermeidung von | |
Kühne+Nagel eine explizite Entlastung bedeutet. Und das, obwohl deren | |
Westeuropa-Geschäft die NS-Profite aller anderen Bremer Logistiker um ein | |
Vielfaches übertraf. | |
## Beharrliche Konfrontation | |
Die Bremer Unternehmensverbände haben nun erklärt, zusammen mit der Stadt | |
ihre „Rolle und Verantwortung bei der Vernichtung der wirtschaftlichen | |
Existenz der jüdischen Bevölkerung aufzuarbeiten“. Mitunterzeichner ist der | |
Verein Bremer Spediteure, zu dem Kühne+Nagel gehört. Konkretion und | |
Belastbarkeit dieser Erklärung sind schwierig abzuschätzen, Bremen betritt | |
mit dieser Selbstverpflichtung Neuland. Doch immerhin zeigt der Vorgang, | |
dass die beharrliche Konfrontation mit einem besonders schwarzen Schaf | |
durchaus weitergehende Wirkung haben kann. | |
Zusätzliche Brisanz gewann das Projekt durch die neorechten Angriffe auf | |
die Gedenkkultur: Radio Bremen fand es spannender, die „Junge Alternative“ | |
statt der Jüdischen Gemeinde zu einer Sendung über das Mahnmal einzuladen. | |
Dafür hatte sich die AfD-Jugend qualifiziert, in dem sie die Bremer | |
Mahnmal-Initiative als weiteren „Trieb der Schlingpflanze, die uns zu | |
ersticken droht“, schmähte. | |
Beim Weser-Kurier erlebte die Jüdische Gemeinde eine Abfuhr besonderer Art: | |
Ein verabredeter Gastbeitrag zur Mahnmalfrage wurde lange geschoben und | |
schließlich gänzlich abgelehnt. Die taz druckte den Beitrag in | |
aktualisierter Form ersatzweise ab und verschwieg auch nicht die Genese des | |
Textes. Anschließend sah sie sich mit juristischen Attacken seitens des | |
Weser-Kurier konfrontiert. Den Inhalt des Gegendarstellungsbegehrens wies | |
das Landgericht Berlin nun jedoch als „offensichtlich unwahr“ zurück und | |
klassifizierte die Einlassungen der Antragstellerin als „geschwätzig“. | |
Manche Debatten dauern eben etwas länger. | |
3 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Henning Bleyl | |
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