# taz.de -- Verhaftung von Oğuz Güven: Wegen einer Überschrift | |
> Was Cumhuriyet-Online-Chef Oğuz Güven passiert, kennen wir bereits: Er | |
> wurde zur Zielscheibe erklärt, die Staatsanwaltschaft reagiert, nun sitzt | |
> er in Haft. | |
Bild: Einer von 13 Cumhuriyet-Mitarbeitern in Haft | |
Lange Jahre war der Journalist Oğuz Güven bei Zeitungen und Fernsehsendern | |
als Redakteur, innenpolitischer Ressortleiter und Chefredakteur tätig. | |
Lange Jahre hatte auch ich die Gelegenheit, mit diesem Kollegen zusammen zu | |
arbeiten. Erst kürzlich treffe ich ihn zufällig in Istanbul. Wir trinken | |
gemeinsam einen Tee. Er drückt seine dünne Zigarette aus, steht auf und wir | |
umarmen uns. Wir wissen nicht, wen von uns es als nächstes treffen wird. | |
Beim Abschied lächelt er mir zu. “Wer weiß, wann und wo wir uns wiedersehen | |
werden, Bruder?“ | |
Kurz nach seiner Festnahme am 15. Mai sagt der Online-Chef der Tageszeitung | |
Cumhuriyet, Ogus Güven: “Angesichts dieser Verwesung gibt es nichts mehr zu | |
machen!“ | |
## Unfallmeldung wird zu „Terrorpropaganda“ | |
Seine vermeintliche Straftat: eine im Türkischen häufig gebrauchte | |
Redewendung als Überschrift einer Nachricht zu machen und dies über den | |
offiziellen Twitteraccount der Cumhuriyet zu teilen. Die Redewendung wird | |
vor allem bei Verkehrsunfällen verwendet. Die Überschrift lautet: | |
“Staatsanwalt von LKW niedergemäht!“ | |
Die Nachricht dreht sich um den Unfalltod von einem der Staatsanwälte, die | |
mit den Prozessen rund um den Putschversuch im vergangenen Sommer betraut | |
wurden. Und die Nachricht reicht aus, um Güven wegen “Terrorpropaganda“ | |
hinter Gittern zu bringen. Der Vorwurf: Die Nachricht würdige die | |
Putschgegner ab. | |
Und auch Oğuz Güven bemerkte schnell, dass die Nachricht falsch verstanden | |
werden könne, ließ den Tweet nur 55 Sekunden später wieder löschen. Aber da | |
war es schon zu spät. Zahlreiche Stimmen forderten schon innerhalb einer | |
Minute die Verhaftung des verantwortlichen Redakteurs. Darunter auch | |
Kolleg*innen. | |
## Nachricht nur Ausrede | |
Nach vier Tagen Polizeigewahrsam, sagt Güven vor dem Gericht aus und wird | |
anschließend in die Haftanstalt Silivri gebracht. Das Ziel: Kritiker | |
Erdoğans und der Regierung sowie deren Medien endgültig zum Schweigen zu | |
bringen. | |
Zu den bereits verhafteten Korrespondet*innen, leitenden Redakteur*innen | |
und Anwälten der Cumhuriyet kommt noch eine Person hinzu und somit sind | |
derzeit 13 Cumhuriyet-Mitarbeiter*innen im Gefängnis. Die Schlagzeile der | |
Tageszeitung, am Tag nach Güvens Verhaftung, lautete: “Sie haben die Justiz | |
niedergemäht.“ | |
Ein anderer Cumhuriyet-Kollege sagt, halb traurig, halb sarkastisch: | |
“Hätten sie nichts anderes gefunden, hätten sie Güven festgenommen, weil er | |
Slim-Zigaretten raucht.“ | |
## Regierung sieht zu | |
So werden Journalist*innen in der Türkei festgenommen. Erst werden sie zur | |
Zielscheibe erklärt. Dann von Staatsanwälten, die es sich zur Sache machen, | |
dem “Volk zu dienen“, hinter Gittern gebracht. Die Regierung sieht dem | |
ganzen aus der Ferne zu. | |
Vor allem, dass Journalist*innen von regierungsnahen Kolleg*innen falsch | |
beschuldigt und daraufhin erst verhaftet werden, ist besonders bedrückend. | |
Die Erdoğan-Regierung ist im Begriff, ein Informantennetz nach dem | |
“Bürger-Journalisten“-Modell zu erschaffen und wir werden Zeuge davon. Auch | |
im Fall von Oguz Güven ist etwas ähnliches zu beobachten. | |
## “Justiz niedergemäht“ | |
Nach Güvens Verhaftung äußert die Cumhuriyet-AnwältinTora Pekin folgendes: | |
“Es ist vollkomen klar, dass das einzige Ziel darin besteht, die Zeitung | |
Cumhuriyet umzustrukturieren oder komplett zu schließen. Es ist, als ob dem | |
Staatsanwalt, der es schafft die Zeitung zu schließen, ein Preis | |
versprochen wurde.“ | |
Und auch Cumhuriyet-Verleger Orhan Erinç erhofft sich nichts mehr von der | |
Justiz. Auf die Urteile zu warten, sagt er gleiche dem “Warten auf Godot“. | |
Und dennoch räumt er ein: “Wir nicht das Recht, pessimistisch zu denken. | |
Wir müssen einen Weg finden.“ | |
17 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Erk Acarer | |
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