# taz.de -- Eishockey in Nordamerika: Außenseiter mit krassem Flair | |
> Größenwahn oder Prophezeiung? Im ersten Finalspiel um den Stanley Cup | |
> deuten die Nashville Predators an, dass die große Sensation möglich ist. | |
Bild: P. K. Subban (l.) von den Nashville Predators im Einsatz gegen einen Pitt… | |
Sie hatten gewonnen, aber sie waren wenig begeistert. „Wir wissen, dass wir | |
besser spielen müssen“, sagte Sydney Crosby, Stürmerstar der Pittsburgh | |
Penguins. Und Trainer Mike Sullivan versprach: „Niemand hier lässt sich von | |
diesem Ergebnis etwas vormachen. Wir waren einfach nicht gut.“ | |
Das Ergebnis war ein 5:3-Heimsieg im ersten Finalspiel um den Stanley Cup. | |
Ein unverdienter 5:3-Sieg, denn der Gegner, die Nashville Predators, war | |
die deutlich bessere Mannschaft gewesen. | |
Die Statistiken waren eindeutig. 26 Mal hatte Nashville den Puck aufs | |
gegnerische Tor befördert, ganze 12 Schüsse dagegen hatte Pittsburgh | |
abgegeben. Der Titelverteidiger war nicht nur unterlegen, er hatte auch | |
viel Glück: Ein frühes Tor der Predators wurde erst nach Videobeweis | |
annulliert, den eigenen Führungstreffer hätte Pekka Rinne, der in den | |
Playoffs bislang überragende finnische Torhüter der Predators, eigentlich | |
halten müssen, und das Tor zur zwischenzeitlichen und höchst unverdienten | |
3:0-Führung beförderte ein Predators-Verteidiger mit dem Knie über die | |
eigene Linie. | |
Danach blieben die Penguins sage und schreibe 37 Minuten und 9 Sekunden | |
reine Spielzeit, nahezu zwei Drittel also, ohne Schuss aufs gegnerische | |
Tor. Solch eine Dominanz, wie sie die Predators zeigten, hatte man in einem | |
Finalendspiel selten erlebt. | |
Das stellte alle Erwartungen auf den Kopf. Denn der amtierende | |
Stanley-Cup-Champion war als großer Favorit in die Finalserie gegangen | |
gegen ein Team aus Nashville, von dem niemand geglaubt hatte, dass es | |
überhaupt so weit kommen könnte. Nicht nur, weil Nashville nun wahrhaftig | |
keine Eishockey-Stadt ist. Nicht nur, weil es den Klub erst seit 19, | |
weitestgehend erfolglosen Jahren gibt. | |
Sondern vor allem deshalb, weil die Predators gerade noch so in die | |
Playoffs gerutscht waren. Dass das Team mit der schlechtesten Punktausbeute | |
aller Playoff-Teilnehmer das Finale erreichte, hatte es seit 1980 nicht | |
gegeben, seit sich 16 Teams für die K.-o.-Runde der NHL qualifizieren. | |
## Aus dem warmen Süden Tennessees | |
Angesichts der unerwarteten Erfolgsstory ist in Nashville eine unglaubliche | |
Begeisterung ausgebrochen. In den knapp zwei Jahrzehnten hat sich ohnehin | |
eine Fankultur entwickelt, wie man sie eher aus Europa kennt. Die Fans sind | |
– im Gegensatz zum sonst eher passiven Publikums bei Profiveranstaltungen | |
in den USA – laut, beleidigend und fantasievoll. | |
Die im warmen Süden Tennessees gelegene Music City hat sich in das Spiel | |
auf der Eisfläche verliebt, Country-Stars wie Trisha Yearwood, Luke Bryan, | |
Keith Urban und Carrie Underwood, die verheiratet ist mit Predators-Kapitän | |
Mike Fisher, geben sich die Klinke in die Hand, um vor den Spielen die | |
Nationalhymne zu schmettern. Und der Glamour findet seine Fortsetzung auf | |
dem Eis. Der 28-jährige P. K. Subban, Afrokanadier mit jamaikanischen | |
Wurzeln, ist nicht nur einer der besten Verteidiger der Welt, sondern auch | |
der mit Abstand schillerndste und umstrittendste Profi in der NHL. | |
Mit extravaganter Kleidung, extrovertiertem Torjubel und selbstbewusstem | |
Auftreten zieht Subban schon seit Jahren den Neid von Kollegen und den Hass | |
mancher Fans auf sich. Subban, der 2014 in Sotschi mit Kanada Olympiasieger | |
wurde, bringt den Flair eines Basketball-Profis aus der NBA in eine Liga, | |
die immer noch blütenweiß und sehr auf ihre Traditionen bedacht ist. Dafür | |
wird er in den sozialen Netzwerken regelmäßig als „Nigger“ beschimpft. | |
In Montreal war er bereits Publikumsliebling, obwohl die Canadiens der | |
konservativste Klub der Liga sind. Als die Canadiens ihr Aushängeschild im | |
Sommer 2016 nach Nashville abschoben, war das die meistdiskutierte | |
Personalentscheidung in der NHL-Geschichte, seit Wayne Gretzky von Edmonton | |
nach Los Angeles ging. Subban und mancher Kommentator zogen daraufhin | |
öffentlich die geistige Gesundheit der Canadiens-Verantwortlichen in | |
Zweifel. | |
Kurz nachdem Subban in Nashville angekommen war, hatte er angekündigt: | |
„Ich glaube, wir haben hier eine großartige Gelegenheit, einen Stanley Cup | |
zu gewinnen.“ Damals klang das noch wie der trotzige Größenwahn eines | |
gekränkten Abgeschobenen. Heute klingt es wie ein hellsichtige | |
Prophezeiung. | |
30 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Thomas Winkler | |
## TAGS | |
Eishockey | |
NHL | |
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