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# taz.de -- Finale der deutschen Futsal-Meisterschaft: Demonstranten aus Porto …
> Ein mit Brasilianern gespicktes Team aus Regensburg gewinnt klar die
> deutsche Meisterschaft. Das macht den DFB nachdenklich.
Bild: Die deutschen Futsal-Meister vom SSV Jahn 1889 Regensburg feiern sich
Zwickau taz | Zumindest ein wenig Pathos muss beim Finale um die deutsche
Meisterschaft mitschwingen. Das hatte sich wohl der Veranstalter, der
Deutsche Fußball-Bund, gedacht. So intonierte ein Sänger der Dresdner
Staatsoper in der Zwickauer Stadthalle die Nationalhymne. Aber kaum war das
Finale um die Futsal-Meisterschaft angepfiffen, da setzten die
Samba-Trommeln der Gästefans aus Regensburg ein. Und sie gaben bis zum
erfolgreichen Ende des Spiels, das der SSV Jahn Regensburg mit 7:4 Toren
gewann, den Rhythmus am Sonntagnachmittag vor.
Mit dem Schlusspfiff begann die brasilianische Party. Edelfan und
Fußballprofi Douglas Costa, der erst am Vorabend mit dem FC Bayern München
den Gewinn der Meisterschaft gefeiert hatte, wurde vom Spielertrainer des
SSV Jahn, Silveira Kruel, in vorderste Front beordert, damit sie gemeinsam
den handlichen Trophäenteller in Empfang nehmen konnten.
Hinter ihnen hüpften sechs ausgelassene Landsleute, vornehmlich aus dem
südbrasilianischen Porto Alegre. Alle sieben Treffer hatten sie erzielt.
Der überragende Halison Goncalves traf allein viermal. „Genau deshalb sind
sie hier“, sagte Oliver Vogel. „Sie wollen zeigen, wie man Futsal spielt.“
Er ist der Spiritus Rector dieses Teams, das er vor zwei Jahren gegründet
hat.
Der rasante Gewinn des Titels veranschaulicht, warum man vom
Futsal-Entwicklungsland Deutschland spricht. Die Meisterschaft in Zwickau
schien zugleich auch ein Wettbewerb darum zu sein, wer die bunteste und
wildeste Erfolgsgeschichte erzählen kann.
## Zuwendungen von oben, anarchischer Geist von unten
Der DFB ist ja mit reichlich Verspätung dabei, den Sport zur nationalen
Angelegenheit zu machen. Im vergangenen Jahr gründete man ein Nationalteam
– 39 Jahre nachdem sich die Niederlande zu diesem Schritt entschlossen hat.
Der Spielbetrieb in Deutschland wird mit Fördergeldern aufgepäppelt, und
mit Sport1 präsentierte man erstmals einen TV-Partner, der das Endspiel
live übertrug. Die Zuwendungen von oben treffen derzeit aber noch auf den
anarchistischen Geist von unten.
In Zwickau hätte den brasilianischen Erfolg nur die osteuropäische Auswahl
vom VfL 05 Hohenstein-Ernstthal verhindern können. Zu Beginn der zweiten
Hälfte drehte das Ensemble mit Spielern aus Polen, Tschechien, Ukraine und
Russland auf und egalisierte den 1:3-Pausenrückstand. „Doch dann hat sich
die individuell höhere Qualität des Gegners durchgesetzt“, erklärte
Teammanager Heiko Fröhlich. Seiner Initiative ist in der sächsischen
Kreisstadt nahe Zwickau der Aufstieg in die nationale Spitze zu verdanken.
Auslösendes Erlebnis war die EM 2012 in Split.
Nach seiner Rückkehr baute er in Hohenstein-Ernstthal eine Futsal-Abteilung
auf und machte sich die Nähe zu Tschechien und Polen zunutze. Mit dem
russischen Trainer Petr Schatalin kamen drei starke ukrainische Spieler
dazu, „aus touristischem Grund, um Land und Sprache kennenzulernen“, sagt
Fröhlich. Wegen der instabilen Situation in der Ukraine würden die jungen
Leute nach neuen Perspektiven Ausschau halten.
## Vorbildfunktion brasilianischer Futsaler
Weil die unterlegenen Vereine sich in dieser Saison über die vielen
Nicht-EU-Ausländer in den Reihen der Finalisten mokierten, legt Fröhlich
Wert auf die Feststellung, dass sich sein Klub seit Jahren um eine
nachhaltige Entwicklung bemühe und auch vielversprechende deutsche Spieler
unter Vertrag nehme, wie den Nationalspieler Christopher Wittig. Im Finale
tauschten die Sachsen ihren osteuropäischen Block regelmäßig gegen ihre
deutschen Spieler aus, wobei Letztere deutlich weniger Gefahr vorm
gegnerischen Tor erzeugten.
Oliver Vogel, dem Meistermacher von Regensburg, interessiert die
Ausländerdebatte nicht. Er ist von der Vorbildfunktion seiner
brasilianischen Futsal-Spezialisten überzeugt: „Nur so lernen unsere
Jugendteams, wie es funktioniert.“ Der Futsal in Deutschland brauche
Demonstrationsspieler. Seinen Spielertrainer Silveira Kruel hat er während
eines vierjährigen Australien-Aufenthalts kennengelernt. Vogel spielte
damals selbst in der australischen zweiten Liga.
Als Kruel mit der Verpflichtung von Douglas Costa beim FC Bayern im Sommer
2015 als dessen Freund und Personalcoach ebenfalls nach München kam,
dauerte es nicht lange, bis Vogel zu ihm Kontakt aufnahm. Im Nu lotste
Kruel über seine privaten Futsal-Netzwerke Freunde nach München. Die
meisten jobben in einem brasilianischen Restaurant in der Leopoldstraße,
und viermal die Woche wird in Regensburg trainiert. „Freitags“, berichtet
Vogel, „übernachten die sieben immer in meiner Zweizimmerwohnung. Danach
sieht es fürchterlich aus.“
Dem DFB werden die Geschichten aus der kleinen Futsal-Gemeinde offenbar zu
bunt. Man denkt über eine Ausländerbegrenzung nach.
2 May 2017
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Deutscher Fußballbund (DFB)
Deutsche Meisterschaft
Futsal
Fifa
DFB-Pokal
Deutscher Fußballbund (DFB)
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