Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ordnung 294 Landkreise gibt es in Deutschland. Noch. Die nächsten …
Bild: Die Anzahl der Landkreise je Bundesland. Im Westdeutschland wurden es nac…
Von Lea Diehl und Lorenz Horn
## Warum gibt es Landkreise?
Gemeinden sollen wichtige und große Aufgaben nicht alleine bewältigen
müssen. Die Idee stammt aus Preußen, wo Anfang des 19. Jahrhunderts Kreise
als Einheit zur kommunalen Selbstverwaltung im ländlichen Raum eingeführt
wurden. Heute gibt es nur in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg
keine Landkreise. Daneben können sogenannte kreisfreie Städte
beziehungsweise Stadtkreise aufgrund ihrer Größe die Aufgaben von
Landkreisen selbst übernehmen. Meist haben diese mehr als 100.000
Einwohner.
## Wie groß sind die Kreise?
Die Landkreise orientieren sich in erster Linie an der Einwohnerzahl, in
den meisten leben zwischen 100.000 und 200.000 Menschen. Je nach
Bevölkerungsdichte sind die Kreise von der Fläche her dementsprechend
unterschiedlich groß. Der kleinste ist mit 222,39 Quadratkilometern der
Main-Taunus-Kreis in Hessen. Die Mecklenburgische Seenplatte, der größte
Landkreis, ist 25-mal so groß und damit größer als das Saarland. Alle 294
Landkreise zusammen umfassen ein Gebiet von rund 96 Prozent der Fläche
Deutschlands, in dem gut zwei Drittel der Bevölkerung leben.
## Was sind ihre Aufgaben?
Landkreise kümmern sich um viele Dinge, die für unseren Alltag Bedeutung
haben. Sie bauen Straßen und stellen Mülltonnen auf, betreiben Schulen und
Krankenhäuser. Auch für Natur-, Lärm-, und Katastrophenschutz sind sie
zuständig. In jüngerer Zeit sind die Kreise beim Thema Flüchtlinge in den
Blickpunkt geraten, weil bei den Kreisen Ausländerbehörden, Sozial- und
Jugendämter, Jobcenter, Gesundheitsämter und Volkshochschulen angesiedelt
sind.
## Warum wurden es immer weniger?
Nach dem Krieg gab es in Deutschland noch mehr als 400 Landkreise. Mitte
der 60er Jahre begann in Westdeutschland eine Diskussion über die Größe von
Verwaltungseinheiten, auch weil im Zuge des Wirtschaftswunders viele
Menschen umgezogen sind. In der Folge wurden nicht nur viele Gemeinden
Anfang der 70er Jahre zusammengelegt, sondern auch die Zahl der Landkreise
radikal reduziert – um fast die Hälfte. Ähnlich war es nach der Wende in
den neuen Bundesländern. Die DDR hatte mehr als 200 Landkreise in die
Bundesrepublik eingebracht.
## Wieso gibt es jetzt Unmut in Thüringen?
Wie in den anderen ostdeutschen Bundesländern ist die Zahl der Landkreise
hier schon stark reduziert worden. Aber noch nicht genug, folgt man der
rot-rot-grünen Landesregierung. Die von ihr vorangebrachte Gebietsreform
ist eine Reaktion auf den prognostizierten Bevölkerungsrückgang. Künftig
sollen 130.000 bis 250.000 Menschen in einem Kreis leben. Deshalb soll die
Zahl der bisher 17 Landkreise und 6 kreisfreien Städte zum 1. Juli 2018
stark reduziert werden. Dagegen gibt es großen Widerstand. In einem
Volksbegehren wurden bis Anfang Oktober letzten Jahres 41.000 gültige
Unterschriften gegen die geplante Reform gesammelt; 5.000 wären nötig
gewesen. Wegen einer Klage der Landesregierung liegt das Volksbegehren
vorerst auf Eis. Mit einem zweiten Entwurf, der vor Kurzem vorgestellt
wurde, hat die Landesregierung auf den Protest reagiert. Neben künftig acht
Landkreisen soll es weiter vier kreisfreie Städte geben. Weimar und Gera
war dieser Status im ersten Entwurf aberkannt worden.
## Und was haben sie in Brandenburg vor?
Auch hier soll es eine Kreisreform geben. Geht es nach der rot-roten
Regierung, tritt sie im Sommer 2019 in Kraft, noch vor den Landtagswahlen.
Ein erster Entwurf sieht vor, aus den bisher 14 Landkreisen neun zu machen.
Nur Potsdam würde kreisfreie Stadt bleiben. Ähnlich wie in Thüringen
begründen die Befürworter die Gebietsreform mit dem Hinweis auf sinkende
Geburtenzahlen. Eine Volksinitiative sammelte fast 130.000 Unterschriften
mit dem Ziel, die Reform zu stoppen. Diese Anzahl reicht beim nächsten
Schritt – dem Volksbegehren – schon aus, um einen Volksentscheid zu
erzwingen.
## Wer profitiert von den Kreisreformen?
Im Idealfall natürlich alle, weil die Verwaltung effizienter arbeitet und
dadurch Geld gespart wird. Auf kurze Sicht profitiert offenbar auch die
AfD. In Mecklenburg-Vorpommern soll ihr Erfolg auch der umstrittenen
Kreisgebietsreform von 2011 geschuldet sein. Als die Partei 2016 mit 20,8
Prozent in den Landtag einzog, schnitt sie in den sehr stark von der Reform
betroffenen Gegenden besonders erfolgreich ab, ergab eine Studie des
Dresdner Ifo-Instituts.
## Wieso ist die Kreisfrageso emotional?
Die Menschen haben das Gefühl, dass sich die Politik von ihnen distanziert.
Und zwar nicht nur räumlich, weil die Wege zu den Behörden länger werden.
Sie spüren offenbar auch einen Verlust von Heimat und regionaler Identität,
wenn plötzlich der Kreis anders heißt und andere Orte dazugehören sollen.
Reiner Klingholz vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung sieht
besonders in den dünn besiedelten Gegenden Konfliktpotenzial. Dabei sei es
doch gerade dort wichtig, dass Gemeinden kooperieren – um die Versorgung
der Bevölkerung überhaupt noch gewährleisten zu können.
## Und wie kann man die Leute beruhigen?
Mit eigenen Nummernschildern, zumindest ein Stück weit. Seit 2012 dürfen
abgeschaffte Autokennzeichen ehemaliger Kreise grundsätzlich wieder neu
vergeben werden. Seitdem wurden bereits über 300 alte Nummernschilder
wieder genehmigt, etwa HOT, ZIG oder ALF. Die einen feiern das als
lokalpatriotischen Erfolg, andere sehen einen Keil, der mitten in einen
neuen Landkreis gerammt wird und nur Verwirrung stiftet.
29 Apr 2017
## AUTOREN
Lea De Gregorio
Lorenz Horn
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.