# taz.de -- zwischen den rillen: Fokussiert auf die Landstraße | |
Future Islands: „The Far Field“ (4AD/Beggars/Rough Trade) | |
Auf ihrem neuen Album erzählt die US-Band Future Islands in zwölf | |
flirrenden Synthie-Pop-Stücken vom Abenteuer eines Lebens unterwegs, on the | |
Road. Das passt durchaus zur Geschichte ihres britischen Labels 4AD, was | |
sich aufgemacht hat, von den esoterischen Anfängen als Gothic-Schmiede hin | |
zu neuen, stiloffeneren Pop-Ufern. „The Far Field“ ist als akustischer | |
Roadmovie mit Liebesliedern in Verwandtschaft zur Beat-Literatur angelegt. | |
Wie Future Islands sind auch die rastlosen Beatpoeten in den 1950ern und | |
1960ern über die Landstraßen Amerikas gezogen. Deren melancholische | |
Schönheit wird zur Projektionsfläche für Aufbruch, aber auch für Scheitern | |
und Sehnsucht nach einem Zuhause, das unerreichbar ist. In den Worten von | |
Sänger Samuel T. Herring: „The beauty of the road is lost in your eyes“. | |
Future Islands formulieren ihre eigene Version: In seinem zehnjährigen | |
Bestehen hat das Trio aus Baltimore mehr als 1.000 Konzerte gespielt. | |
„The Far Field“ wurde von John Congleton im Sunset Sound Recorders Studio | |
in Los Angeles produziert. Artifizielle Sounds, in den 80er Jahren | |
Inbegriff glitzernder Oberflächen, füllen Future Islands bis zum | |
Überquellen mit Seele. Das Spektrum von Gerrit Welmers Synthesizerarsenal | |
reicht von ätherischen Orgelflöten über leiernde Streichersounds bis zu den | |
blechern tönenden Drummachines. Eine in Sekundenschnelle pulsierende Hi-Hat | |
bildet mit geraden Schlägen die treibende, überaus tanzbare Rhythmik. | |
Herring faucht weniger als früher, Sein Gesang klingt noch immer | |
verschroben, trotz Blue-Eyed-Soul-Gestus. Dazu kommt William Cashions | |
melodisch tänzelnder Bass mit rundem, vollem Klang sowie Schlagzeug, | |
Streicher und Bläser als organische Elemente. Brüche bewahren das Album | |
davor, allzu kitschig zu werden. „Alladin“ etwa verwirft seine klassische | |
Songstruktur mit Strophe und Refrain, die Gesangsmelodien wiederholen sich | |
nicht. | |
Der zweistimmige Refrain von „Time on her side“ besitzt den Pathos eines | |
Gassenhauers – bei 142 bpm wird aus dem vermeintlichen Schunkeln dann aber | |
doch wieder Getriebenheit. Keines der acht Stücke sticht direkt heraus, die | |
Intensität bleibt hoch. Nur „Through the roses“ kommt etwas gemächlicher | |
daher. Herring singt von der Angst, aufzugeben, von wankendem Lebensmut und | |
dem Wunsch nach Zweisamkeit: „The curse of wanting/Takes me whole“. Nichts | |
im Text wirkt karikiert, er ist todtraurig und wunderschön zugleich. | |
Mit „Candles“, einem Walzer, stoppt die Beschleunigung abrupt. Die | |
Sehnsucht nach Ruhe deutet sich an und bringt schließlich „Ancient Water“ | |
in Worten auf den Punkt: „Too many wasted days and nights / Obsessed with | |
the flickering bits of my life“. Auch an anderen Stellen des Albums lässt | |
sich metaphorisch die pausenlos über Bildschirme transzendierte Gegenwart | |
spiegeln, in der alle permanent im Werden begriffen und dabei eigentlich | |
abwesend sind. | |
In „Shadows“ singt Herring mit Debbie Harry von Blondie im Duett über | |
Geister der Erinnerung. Mit „Black Rose“ versucht das Album anzuhalten. Es | |
endet verhallt und harmonisch offen, als wäre da noch eine Frage. Ein wenig | |
ist es, als träfe die Crux des Lebens unterwegs auch auf die Musik zu – die | |
überdrehten, schnelleren Stücke sind stärker, spannender aufgebrochen, als | |
die etwas ruhigeren gegen Ende. | |
Tabea Köbler | |
7 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Tabea Köbler | |
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