| # taz.de -- Diss' die Diskriminierung | |
| > mädchen Gemeinsam mit Rapperin Sister Fa hat das Theater X in Moabit ein | |
| > Hip-Hop-Projekt für junge Mädchen auf die Beine gestellt. Am Freitag | |
| > bringen sie ihre Stücke auf die Bühne | |
| Bild: Sarah, Fasseha und Dana (von links nach rechts) proben im Mädea | |
| von Julika Bickel | |
| Ihre Hände sind zu Fäusten geballt, sie kreuzen ihre Arme zu einem X vor | |
| der Brust. XX – so heißt das Rap-Projekt von fünf Mädchen aus dem Wedding. | |
| Sie kämpfen mit ihrer Musik gegen Diskriminierung, Unterdrückung und | |
| Benachteiligung, mit ihren gerade mal 10 bis 12 Jahren. Im vergangenen | |
| halben Jahr haben sie sich einmal pro Woche getroffen, um Hip-Hop zu hören, | |
| zu diskutieren und selbst zu rappen. Bis zu 20 Mädchen haben zwischendurch | |
| mitgemacht. Sarah, Faseeha, Dana, Medina und Rebekah haben durchgehalten; | |
| sie sind bis zum Schluss dabeigeblieben. An diesem Donnerstag ist das | |
| Ergebnis ihrer Arbeit im Theater X in Moabit zu sehen und zu hören. | |
| Im Mädea am Gesundbrunnen waren die fünf zuletzt fast jeden Tag. Das | |
| interkulturelle Zentrum für Mädchen und junge Frauen ist wie ein Zuhause | |
| für sie. „Man kommt hier rein und zieht direkt die Schuhe aus“, sagt | |
| Faseeha. Hausaufgaben machen, malen, Theater spielen oder eben rappen – all | |
| dies findet hier statt. Aufgewachsen sind sie im Wedding, „nicht der | |
| sauberste Ort“, wie Dana sagt. – „Aber der Wedding hat sehr viel Grünzeu… | |
| zum Beispiel den Humboldthain“, wendet Faseeha ein. – „Und es leben hier | |
| sehr nette Menschen“, findet Sarah. | |
| ## Rechte im Rhythmus | |
| Eineinhalb Wochen vor dem Auftritt fläzen sie sich auf die Sofas und Sessel | |
| des Gemeinschaftsraums im Mädea. Die zwei Künstlerinnen Lisa Schwalb und | |
| Alma Wellner Bou von der Gruppe Ongoing Project, die das Projekt konzipiert | |
| und geleitet haben, haben die Studioaufnahmen mitgebracht. Alma klickt auf | |
| „Play“. Im Rapsong „girlthistrack“ geht es um Frauenrechte und | |
| Meinungsfreiheit. Der Rhythmus und die Worte des Refrains prägen sich | |
| schnell ein: „Du sagst, du zwingst mich nicht / Doch du überredest mich / | |
| Ist das deine Pflicht? / Nein, das ist es nicht!“ | |
| Bevor sie einen Durchlauf proben, wärmen sich die Mädchen auf. Sie strecken | |
| sich, klopfen sich gegenseitig auf den Rücken und kneten ihre Gesichter. | |
| Dann üben sie eine Zeile, die besonders schwer von der Aussprache ist: „Wir | |
| dissen jetzt Trump!“ Faseeha sagt: „Er wollte eine Mauer bauen.“ – „D… | |
| krank“, sagt Dana. | |
| Die Lyrics sind eine Collage aus verschiedenen Texten der Mädchen. Sie | |
| schreiben über Streit in der Familie, Ungerechtigkeit und ihre Träume. Als | |
| Präsidentin würde Sarah Waffen verbieten. Sie schreibt: „Warum gibt es | |
| Waffen? Sie sind sinnlos und verletzen.“ | |
| Der zweite Song der Mädchen ist eher Spoken Word als Rap. „Es heißt immer, | |
| dass Jungs besser in Sport oder Mathe sind / Warum? / Männer bekommen | |
| offensichtlich mehr Gehalt als Frauen“, sprechen die Mädchen zu einem Beat. | |
| Der feministische Song hat einen erstaunlich guten Flow. „On se bat, on se | |
| lève“ geht der soulige Refrain auf Französisch. Wir kämpfen, wir stehen | |
| auf, bedeutet das übersetzt. Die Zeile stammt von der Künstlerin Sister Fa, | |
| die ihnen das Rappen beigebracht hat. Während des Projekts hat sie mehrere | |
| Workshops gegeben und schnell das Vertrauen der Mädchen gewonnen. „Sie ist | |
| unsere Schwester!“, sagt Dana, die zunächst dachte, sie könne nicht rappen. | |
| Zwei Tage später in der Wohnung von Sister Fa in Neukölln. „Wenn es darum | |
| geht, Kinder stark zu machen, bin ich immer dabei“, sagt die Rapperin, die | |
| mit bürgerlichem Namen Fatou Mandiang Diatta heißt. Sie ist 1982 im | |
| westafrikanischen Senegal geboren, mit Hip-Hop aufgewachsen, seit 2006 | |
| wohnt sie in Berlin. Mehrmals im Jahr reist sie in ihr Heimatland und | |
| andere afrikanische Länder wie Guinea, um sich als Botschafterin von World | |
| Vision für Kinderrechte einzusetzen. Ihr Leben widmet sie denen, die keine | |
| Stimme haben. In ihren rebellischen Songs rappt sie gegen die | |
| Genitalverstümmelung von Mädchen. | |
| Musik ist für Diatta eine Waffe, eine mächtige Form der Kommunikation. | |
| „Viele Kinder haben Angst, über Gewalt zu sprechen. Sie sollen wissen: Wir | |
| müssen uns nicht verstecken!“ Deutschland habe viel für sie getan, sagt | |
| sie, doch Rassismus habe sie erst in Berlin kennen gelernt. Als jemand | |
| Fatou einen Affen nannte, entgegnete sie: „Weißt du, dass es auch weiße | |
| Affen gibt, zum Beispiel die Makaken?“ | |
| Zurück im Mädea, Wedding. Faseeha fällt mit ihrem Talent besonders auf. In | |
| der Pause tanzt sie Streetdance vor der Spiegelwand. Die Elfjährige | |
| beatboxt und rappt wie ein Profi: „Ich möchte tanzen und singen, denn das | |
| ist meine Leidenschaft.“ Sie erzählt, wie Jungs in ihrer Klasse ein paar | |
| Mädchen fertiggemacht hätten, als sie kurze Hosen trugen. Das sei haram, | |
| also verboten, sagten sie. Manche der Mädchen hätten angefangen zu weinen. | |
| Faseeha findet das ungerecht. „Das ist Diskriminierung. Es ist einfach | |
| Mode!“ Auch Sarah, die Klassensprecherin ist, steht mit ihrer Meinung | |
| manchmal alleine da. Doch die Zwölfjährige lässt sich nicht unterkriegen. | |
| Dann sagt sie schon mal: „Bitte bilde dich, Junge! Informiere dich! Christ | |
| oder Moslem, lass sie doch. Mensch ist Mensch. Nobody is perfect.“ | |
| Konzert von XX: Donnerstag, 13. April, 18 Uhr, Theater X vom | |
| JugendtheaterBüro Berlin, Wiclefstr. 32, Moabit | |
| 12 Apr 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Julika Bickel | |
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