# taz.de -- Spender-Bestattung zu teuer: Sozialamt verhindert Körperspende | |
> Ein Hartz IV-Empfänger aus Neumünster will der Universität Kiel seinen | |
> Körper vermachen. Doch das Sozialamt stellt sich wegen Bestattungskosten | |
> quer | |
Bild: Konserviert und in Folie verpackt: Studenten untersuchen einen Leichnam | |
Werner M. hat viel über das Sterben nachgedacht – nach der Diagnose | |
Kehlkopfkrebs im vergangenen Jahr und während seiner Chemotherapie. Der | |
61-Jährige möchte seinen Körper nach seinem Tod dem Anatomischen Institut | |
der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel spenden, damit Medizinstudenten | |
an ihm lernen können. Die Sache hat nur einen Haken: M. ist Hartz | |
IV-Empfänger, und das Sozialamt in seiner Heimatstadt Neumünster will ihm | |
nicht bestätigen, dass es die Kosten für die spätere Bestattung übernimmt, | |
berichtete der Holsteinische Courier. | |
Wer seinen Körper zu Lehr- und Forschungszwecken spenden möchte, muss an | |
einigen Instituten einen Teil seiner Bestattungskosten selbst tragen – und | |
für deren Übernahme eine Garantie abgeben. Wie hoch die Kosten sind, | |
variiert zwischen den Einrichtungen. [1][In Kiel sind es 1.050 Euro] – zu | |
viel für M., der keine nahen Verwandten mehr hat und von einer | |
Erwerbsminderungsrente und Hartz IV lebt. | |
Er fragte zunächst beim Jobcenter an, wurde dann ans Sozialamt Neumünster | |
verwiesen und bekam dort von seinem Sachbearbeiter erneut eine Absage. Das | |
bestätigte der Leiter des Fachdienstes Soziale Hilfen der Stadt, Holger | |
Pohlmann der taz. „Der Gesetzgeber hat das nicht vorgesehen, deshalb dürfen | |
wir das auch nicht machen“, sagt er. Zuständig für Bestattungen von | |
Menschen, deren Angehörige nicht finanziell einspringen können oder die | |
keine Verwandten mehr haben, ist in Neumünster das Ordnungsamt. Doch | |
Anträge für die Zukunft könnten nicht gestellt werden. | |
Auch ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums in Berlin bestätigt, dass | |
Kosten nur erstattet würden, wenn sie auch angefallen seien. M. muss also | |
bereits tot sein, damit seine Beerdigung bezahlt wird. Für eine | |
Einwilligung zur Körperspende wäre es dann allerdings zu spät. „Eine | |
Vorleistungspflicht gibt es nicht“, sagt der Ministeriumssprecher. | |
M. ist darüber enttäuscht. „Ich habe Verständnis dafür, dass sich das | |
Institut absichert, damit es nicht auf den Beerdigungskosten sitzen bleibt, | |
aber nicht für die Bürokratie“, sagt er. „Das Amt verhindert, dass ich | |
meinen Körper spenden kann.“ | |
Es gehe ihm nicht darum, ihm oder Angehörigen die Kosten seiner Bestattung | |
zu ersparen, sagt er. Denn enge Verwandte, die vom Amt dazu verpflichtet | |
werden könnten, die Kosten zu übernehmen, habe er nicht. Das wären Eltern | |
oder Kinder. „Ich wollte nur etwas Nützliches tun, bevor ich irgendwo | |
verscharrt werde“, sagt er. | |
Wolfram Otto von der S[2][ozialberatung des Vereins Tacheles] in Kiel | |
kritisiert, dass das Amt M. diese Möglichkeit nimmt. „Das ist ein Fall für | |
eine Klage vor dem Sozialgericht“, sagt er. „Das Selbstbestimmungsrecht | |
wird hier beschnitten.“ | |
Die Argumentation, Anträge für die Zukunft könnten nicht gestellt werden, | |
weil der Betroffene noch einmal zu Geld kommen könnte, lässt Otto nicht | |
gelten. Gewänne M. im Lotto, „wäre das Sozialamt sowieso nicht mehr | |
zuständig“. Derzeit sehe es aber eher so aus, als wäre die Beisetzung auf | |
dem Ehrengrab der Universität für das Amt sogar billiger. „Selbst die | |
einfachste Urne mit anonymen Grab kostet mehr als 1.000 Euro“, sagt Otto. | |
Laut Amtsleiter Pohlmann liegt eine „Bestattung nach ordnungsrechtlichen | |
Bestimmungen“ tatsächlich bei rund 2.000 Euro. Darin seien eine | |
„pietätvolle Trauerfeier“ und das Grab enthalten. Doch auch wenn die | |
Bestattung, die M. sich wünscht, billiger sei, müsse diese abgelehnt | |
werden, da ein solcher Fall in den Sozialgesetzbüchern nicht vorgesehen | |
sei. | |
Das Anatomische Institut hält sich gegenüber der Behörde lieber zurück und | |
will die Ablehnung der Kostenübernahme nicht bewerten. Ein ähnlicher Fall | |
sei ihm bisher nicht bekannt, sagt Thilo Wedel von der Uni Kiel. | |
Werner M. will trotz der Absage noch nicht aufgeben. „Eine Klage wäre eine | |
Überlegung wert“, sagt er. | |
19 Mar 2017 | |
## LINKS | |
[1] https://www.anatomie.uni-kiel.de/de/koerperspende | |
[2] http://www.my-sozialberatung.de/adressen/infoladen-sozialberatung | |
## AUTOREN | |
Andrea Scharpen | |
## TAGS | |
Jobcenter Hamburg | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Servicewüste für Arbeitslose in Hamburg: Jobcenter stellt Telefone ab | |
Seit dieser Woche sind alle Hamburger Jobcenter nur noch über ein | |
Service-Callcenter erreichbar. Sozialberater sind entsetzt, Die Linke übt | |
Kritik |