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# taz.de -- zwischen den rillen: Mehr Footwork, weniger Deutschpop
Der Ringer: „Soft Kill“ (Staatsakt/Caroline International/Universal)
Betritt man dieser Tage einen Plattenladen und sieht ein LP-Cover, das
irgendwie gar nicht so passen mag zu seinen Nachbarn im Regal oder in der
Auslage, dann könnte es sich um „Soft Kill“ von der Band Der Ringer
handeln. Darauf ist ein schlafender junger Mann abgebildet, in einer
sterilen Welt, das Gesicht für den morgigen Tag fit gehalten – mit einer
Kühlmaske, wie sie auch in Bret Easton Ellis’Roman „American Psycho“ (19…
eine Rolle spielt. Gleichwohl die Musik von Der Ringer auf dem Album beim
ersten Hören eher an den scheinbar unendlichen Achtziger-Jahre-Flashback
(inklusive Post-Punk, Indie und Grunge) erinnert und Cocteau Twins oder The
Cure als Referenzen kennt, verweist das Cover sehr genau auf die Welt, in
der sich die fünf Hamburger aufhalten.
Die Band bewohnt das Hier und Jetzt – mit all seinen Folgen. Pop zum
Beispiel begegnet man nicht euphorisch oder zynisch, sondern in seiner
allumfänglichen Durchflutung des Alltags. So wie es weltweit eben zurzeit
überall exerziert wird. Und nicht etwa nur in Deutschland. Deswegen lehnt
man konsequenterweise schon von vornherein die Zuschreibung „Deutschpop“
ab. „Wie kann man sich in Zeiten des Internets und seiner unendlichen
Möglichkeiten zu kommunizieren nur eingrenzen? Wir machen moderne
Popmusik.“
Was bei vielen Bands wie ein Marketing-Statement der stumpferen Art wirkt,
scheint dem hanseatischen Quintett ernst zu sein. Die Selbstverortung ist
dabei nicht bloßes Abgrenzen gegenüber den „verklebten Szenen“, die dann
Schubladen-Namen wie New Stuttgart oder Neue Hamburger Schule verpasst
bekommen. Nein, das wird fest geglaubt von der Band selbst. Man
interessiert sich im Hause eher für Trap à la Yung Lean, Footwork-Sound aus
Chicago, den Brit-Prankster Dean Blunt oder doch gleich Kanye West – und
all die anderen Superstars, die aus guten Gründen nicht aus Deutschland
kommen. „Hier hat man einen Diskurs verpasst, der alle Musiker bremst. Sei
in Deutschland erfolgreich, mehr kannst du gar nicht schaffen, bekommt man
dann vorgehalten.“
Dieser Selbstaufgabe stellt sich Der Ringer mit dem Album „Soft Kill“
selbstbewusst entgegen. Geschichten, Gefühle, Storys, Emotionen stehen im
Vordergrund – alle Mittel scheinen erlaubt. „Orbit“, der Auftaktsong, ist
zum Beispiel eine Geschichte über zwei Flugobjekte, Planeten, Trabanten,
die sich im Weltall umeinander drehen müssen. Der Schwerkraft wegen. Fragen
nach Sinn, nach der Freiheit und danach, seine Wege selbst zu wählen, aber
auch nach einem Schöpfer werden im Songtext aufgerufen. Große Hoffnungen,
sich irgendwann zu treffen und eine Beziehung einzugehen, sind zum
Scheitern verurteilt.
Musikalisch ist das weit mehr als nur ein schnöder Indierocksong. Schon
durch seine gesangliche Verfremdung (Autotune liegt auf der Stimme!) passt
er nicht ganz in das Spektrum der jungen Gitarrenbands. Auch in den anderen
Songs nehmen die fünf Musiker vom Ringer Haltungen, Positionen und Rollen
ein, die alle auf einen nicht-identitären Ansatz hinauslaufen. Musikalische
und textliche Begebenheiten wirken bei Der Ringer nie als Ausformung eines
originären Gedankens, sondern stellen stets affirmative „Now!“-Realität
dar. Der Ausbruch aus Simon Reynolds oft bemühter „Retromania“-Theorie wird
erfolgreich geprobt.
Wer „Soft Kill“ kauft, wird selbst herausfinden, inwieweit das der Band
gelingt. Wir drücken die Daumen! Lars Fleischmann
24 Feb 2017
## AUTOREN
Lars Fleischmann
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