| # taz.de -- Berliner Szenen: In der Arminiusmarkthalle | |
| > Note von Karamell | |
| Im Grunde ist er vergorener Traubensaft. Trinken wir zu viel davon, fangen | |
| wir an zu taumeln und zu lallen. Er ist ein Gift, der unsere Sinne betäubt | |
| und unsere Zellen zerstört. | |
| Dennoch lieben wir ihn, den Wein. Er ist eines unserer ältesten | |
| Kulturgüter, wir hüten und zelebrieren die Vielfalt der Aromen. Das Getränk | |
| dient uns als Mittel, um zu genießen, uns zu berauschen und gesellig zu | |
| sein. | |
| Eine Freundin und ich trafen uns am Donnerstag bei der „10. Langen Nacht | |
| der Weine“ in Moabit. Als wir uns mit Anfang 20 kennen lernten, tranken wir | |
| den günstigen, pappsüßen Weißwein vom Discounter, inzwischen sind wir | |
| anspruchsvoller. In der Arminiusmarkthalle gab es an 14 Tischen insgesamt | |
| 92 Weine zu verkosten. Der Eintritt betrug zehn Euro, gegen Pfand erhielten | |
| wir ein Glas. Damit durften wir so viele Sorten probieren, wie wir wollten. | |
| Mit einem Weinglas in der Hand empfinde ich die Welt als festlich. Seine | |
| grazile Form erfordert eine gewisse Haltung. Behutsam berühre ich das Glas, | |
| um es nicht zu zerbrechen. Es ertönt ein zarter Klang beim Anstoßen. | |
| Weintrinken fühlt sich gediegen an und dennoch nicht spießig. Es ist ein | |
| Ritual, das verbindet. | |
| Die Atmosphäre in der Markthalle bewegt sich zwischen Volksfest und | |
| gehobenem Restaurant. „Die Kleine Blume“, ein lieblicher Weißwein, ist | |
| begehrt. Manche Weine, die andere als „phänomenal“ bezeichnen, sind mir zu | |
| sauer oder schmecken nach Torf. Mein Favorit ist ein halbtrockener Rosé von | |
| einem Weingut aus Karlsruhe. Er ist fruchtig, mit einer Note von Karamell. | |
| Der Winzer erklärt: „Der Schwarzriesling ist ein Wein für jeden Anlass. Da | |
| braucht man nicht mal ein Essen dazu.“ | |
| Das sehe ich anders. Meine Wangen glühen. „Schummer-Schummer“ nennt meine | |
| Freundin unseren Zustand liebevoll. Wir essen eine Crêpe, um dem toxischen | |
| Prozess entgegenzuwirken. Julika Bickel | |
| 25 Feb 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Julika Bickel | |
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