# taz.de -- Geldregen für die Platzhirsche | |
> Premiere Das Jugendtheaterstück „My Money My“ startete am Mittwoch im | |
> Ballhaus Ost als interaktives Brettspiel auf der Bühne. Gezeigt wurde | |
> eine Simulation des Kapitalismus | |
„Würdest du dir für 500.000 Euro das McDonald’s-Logo auf die Stirn | |
tätowieren lassen?“ Das jugendliche Publikum im Ballhaus Ost antwortet mit | |
überraschtem Schweigen. Die Frage ist Teil der heutigen Thematik, es geht | |
nämlich um Geld. Darum, wie das noch mal funktioniert mit unserem | |
Finanzsystem und dem Kapitalismus und wie viel Moral im Geschäft mitspielen | |
darf. Das zu veranschaulichen ist nicht leicht, vor allem bei 14-Jährigen. | |
Denn deren regelmäßigste Einnahmequelle ist schließlich oft das elterliche | |
Taschengeld. | |
Die vier Mitglieder der „Kompanie Kopfstand“ versuchen diese Nuss mit einer | |
Art interaktivem Schauspiel zu knacken: Sie sind die Puppenspieler, das | |
Publikum die Marionetten. Die Bühne ist das Spielbrett, auf dem alle | |
sitzen. Die Kompanie entscheidet, wer wie viel kriegt. Wissen spielt selten | |
eine Rolle, vielmehr sind es Zufall, Sympathien, Gespür, aber vor allem | |
Glück, die den Erfolg bei „My Money My“ ausmachen. Erfolg, das sind kleine | |
gelbe Plastikchips, die es zu sammeln gilt. | |
Es folgt ein buntes Spiel um das größte Vermögen. Die meisten | |
Entscheidungen werden mit einem Drehrad in der Mitte getroffen, zum | |
Beispiel, wer viel Startkapital erhält. Wie bei Milton Bradleys Brettspiel | |
„Spiel des Lebens“ darf man das dann verteilen und investieren. „Lasst lo… | |
spekuliert!“, ruft eine Schauspielerin beschwörend, „was euch nicht umhaut, | |
macht euch greater!“ Der erfolgreichste Akteur wird zum Champion gekrönt | |
und noch mit einem Chipsbonus belohnt. Im Verlauf bekommt der Rest des | |
Publikums ab und zu noch eine Chance aufzusteigen – wenn man die richtige | |
Intuition hat, kann man das Kapital noch vergrößern. | |
Der/die durchschnittliche BesucherIn jedoch endet mit drei oder vier | |
Spielsteinen, während die Platzhirsche vom Anfang ihre Stellung an der | |
finanziellen Spitze der Gesellschaft behalten und die Chips eimerweise auf | |
das Haupt der Spitzenreiterin herabprasseln. Das ist auch der Schluss, der | |
als Fragezeichen im Raum hängen bleibt – schadet zu viel Geld denn nun? | |
Hört der glückliche Great-Gatsby-Geldregen irgendwann auf? Explizite | |
Aussagen sind selten, das meiste wird in Spielregel-Sprache verpackt. Doch | |
vereinzelt gibt es auch direkte Kritik, und sie sticht heraus: wie niedrig | |
die deutsche Erbschaftssteuer ist zum Beispiel und wie viel man in der | |
Rüstungsindustrie verdienen kann. | |
Dass das Publikum nicht zahlreich ist und größtenteils auf der Bühne sitzt, | |
hilft der Vermittlung. Die PerformerInnen mischen sich immer wieder | |
schwungvoll unter die Zuschauenden, sprechen mit Ihnen und heben die | |
Handlung auf eine familiäre Ebene. Das Konzept funktioniert sehr | |
interaktiv, fordert, dass sich das Publikum beteiligt. Die Vorstellung | |
wirkt daher ein bisschen wie eine improvisierte Hochzeitsmoderation, bei | |
der faule Gäste zum Mitspielen überredet werden. Spannend bleibt, ob das | |
auch klappt, wenn 40 SchülerInnen auf Klassenfahrt im Raum sitzen, die | |
jetzt eigentlich lieber durch Berlins Innenstadt tingeln würden. | |
Das Programm lässt dabei kaum Beiträge aus dem Publikum zu, denn der Fokus | |
liegt nicht auf dem Zu-Wort-Kommen. Auch aufgeklärt wird am Ende nichts. | |
„Das Schöne ist ja, dass hier keine Sau mehr was kapiert!“, schreit die | |
Kompanie zuletzt in den Raum. Dann geht das Licht aus, Applaus, und alle im | |
Raum sollen beim Aufräumen der Plastikchips helfen: Den eigenen Dreck muss | |
man schon selbst wegmachen. | |
Katharina Schantz | |
9 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Katharina Schantz | |
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