# taz.de -- Sportliches Abendprogramm | |
> Fahrradkino Kinobesucher zeigen in der UFA-Fabrik Körpereinsatz | |
Wir treten unerbittlich in die Pedale. Ich bin schon ziemlich am Hecheln, | |
gleich kommen sicher die Schweißringe unter den Achseln. Eigentlich fahre | |
ich ja immer mit dem Rad: Wegen Fitness, Zeitaufwand, Umwelt und so, all | |
den Gründen, die ich normalerweise moralapostelartig meinen Mitbewohnern | |
erzähle, die abends nach Hause kommen und sich genervt über die Verspätung | |
der S-Bahn auslassen. Aber gerade ist mein Reifen platt, und ich fahre seit | |
einer Woche mit der U-Bahn. Weiß natürlich keiner, hab’s ja auch nicht | |
erzählt. | |
Aber dieses Rad läuft gut, ist ja nicht meins, sondern kommt aus Heinrichs | |
Fahrradladen um die Ecke. Nur leider komme ich gar nicht voran, denn es | |
bewegt sich nur mein Hinterrad. Der Dynamo daran freut sich und speist | |
pflichtbewusst den Beamer im Theatersaal der UFA-Fabrik. Wir strampeln zu | |
zehnt, damit wir den Film auf der Leinwand vor uns sehen können. „Sonic | |
Sea“ klärt etwas emotional und unstrukturiert über die Geräuschbelastung | |
der Meere auf, die immer mehr zunimmt und den Meeresbewohnern schadet. | |
Während uns Rachel McAdams entschlossene Stimme die Dramatik der Lage | |
verdeutlicht, schmiert plötzlich das Computerprogramm ab und wir treten | |
fünf Minuten unbefriedigend weiter, ohne dass der Film uns ablenken kann. | |
Doch das technische Problem ist behebbar, und ich lasse mich doch wieder | |
von den bildgewaltigen und traurigen Unterwasseraufnahmen in Bann ziehen. | |
Auch Sting darf in der nächsten Einstellung seinen Senf abgeben und | |
philosophiert als musikalischer Kenner über die Relevanz des Gehörsinns. Es | |
ist ein bisschen wie bei den Walen: Die müssen sich schließlich auch | |
mittels ihres Singens verständigen, brauchen die Unterwassergeräuschkulisse | |
zur Orientierung, und auch die Fortpflanzung hängt da mit drin. Ihr | |
Walgesang, der unter Wasser locker ganze Erdhälften zurücklegt, dient eben | |
auch dem Balzverhalten. Die Parallelen sind erkennbar. Gestört werde diese | |
„Unterwassersinfonie“ von Transport- und Marineschiffen. Also: lokal | |
einkaufen, um den Schiffsverkehr nicht anzukurbeln, und am besten gleich | |
den Jutebeutel mitnehmen, damit man keinen Plastikbeutel braucht. | |
Die Message ist klar, nur sackt meine Aufmerksamkeit trotzdem immer wieder | |
von der Leinwand zum Ergometer, und ich ringe mit mir, wann ich abgelöst | |
werden will. Nach einer halben Stunde gebe ich auf und kehre völlig außer | |
Atem zu meinem Platz zurück. Zum Glück bekomme ich jetzt ein Freigetränk an | |
der Bar. | |
Beim Radeln bei mittelhoher Geschwindigkeit erzeugt man 50 Watt die Stunde, | |
wurde mir erklärt. So viel, wie es braucht, um eine Glühbirne am Leben zu | |
halten. Eigentlich, sinniere ich, sollte man das mal durchziehen: einen | |
ganzen Feierabend Rad fahren, bloß damit die Birne brennt. Des Bewusstseins | |
wegen vielleicht. Ein Glück kann ich zu Hause einfach auf den Schalter | |
drücken. Oder das Licht geht so an, dank dem Bewegungssensor vor der | |
Haustür. Mein Blick fällt auf meinen luftleeren Hinterreifen. Ich sollte | |
wirklich mal diesen Schlauch flicken. | |
Katharina Schantz | |
17 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Katharina Schantz | |
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