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# taz.de -- Schönheit und Verzweiflung
> FESTIVAL Unter dem Motto „Von Marokko bis Afghanistan“ zeigt das 1.
> Creole Filmmusik-Fest in der Neuköllner Werkstatt der Kulturen Filme über
> die Musik des Maghreb, aber auch aus dem Libanon und dem Iran
Bild: Die libanesische Sängerin Fairuz auf einer Aufnahme von 1974
von Laura Aha
Von Marokko bis Afghanistan braucht man mit dem Flugzeug 16 Stunden. Knapp
10.000 km liegen zwischen Marrakesch und Kabul. Auf dem Weg von Marokko
nach Afghanistan überquert man theoretisch zehn Länder: von Algerien,
Tunesien und Libyen über Ägypten nach Israel, Jordanien, den Libanon,
Syrien, den Irak und den Iran. „Von Marokko bis Afghanistan“ ist auch das
Thema des ersten Creole Musikfilm-Fests, das in der Neuköllner Werkstatt
der Kulturen stattfindet. Mit dem Schwerpunkt auf Maghreb und Westasien
spannt der in Berlin lebende Kurator Hakim El-Hachoumi damit sowohl
geografisch als auch kulturell einen weiten Bogen.
## Im Diskursraum
„Musik ist ein Spiegel der Gesellschaft. Sie öffnet eine Tür zu
politischen, kulturellen und sozialen Fragestellungen und Themen im
Allgemeinen“, erklärt der in Casablanca geborene Regisseur und
Filmkritiker. Als Antwort auf die zunehmende Migration, wolle er einen
transkulturellen Erlebnis- und Diskursraum schaffen und anhand ausgewählter
Filme die Geschichten hinter der Musik erzählen. Dass das Verständnis von
Musik als universelle Sprache leider nicht überall auf der Welt so liberal
ist wie hierzulande, verdeutlichen die Filme.
Die fiktive Dokumentation „No One Knows About Persian Cats“, die 2009 den
Preis der Specialjury in Cannes gewann, erzählt die wahre Geschichte des
iranischen Pärchens Ashkan Kooshan und Negar Shaghaghi nach. Nachdem sie
wegen eines Auftritts mit ihrer Rockband Take It Easy Hospital drei Wochen
in Haft waren, versuchen sie umso verbissener, eine Band zusammen zu
stellen, um zu einem Gig nach London zu reisen. Da westliche Rock- und
Popmusik seit der islamischen Revolution 1979 im Iran verboten ist, muss
das Paar illegale Umwege nehmen, bei denen sie auf den etwas kuriosen
Mittelsmann Nadar angewiesen sind.
Ihre zunehmende Verzweiflung transportiert Regisseur Bahman Ghobadi
besonders in den Sequenzen zwischen den Dialogen. Schöne Landschaften,
urbanes Leben in Teheran, auch Bilder der Armut werden mit Undergroundmusik
unterlegt. Der iranische Rapper Hichkas bringt die Wut, für seinen Traum
die Heimat verlassen zu müssen, auf den Punkt: „Wir sind auf diesen Straßen
aufgewachsen: Was wir dafür zu sagen haben, ist für das Herz dieser Stadt.“
Dann prangert er mit dem Song Ekhtelaaf („Unterschied“) soziale Missstände
an. Nach erscheinen des Films wurde er wegen angeblich kontroverser
Aussagen ausgewiesen. Auch Ashkan und Negar mussten 2009 in Großbritannien
Asyl beantragen, auch aufgrund des internationalen Filmerfolgs. Bis heute
dürfen sie nicht nach Iran zurückkehren.
Eine ähnliche Geschichte erzählt die vielfach preisgekrönte Dokumentation
„No Land’s Song“ (2016). Regisseur Ayat Najafi folgt der iranischen
Komponistin Sara Najafi, die entgegen des Auftrittsverbots von Frauen ein
Konzert für Sängerinnen organisieren möchte. „Ein rechtschaffener Mann, der
dasitzt und Musik hört, sollte keine sexuelle Erregung verspüren“, sagt ein
Mullah. Auf ihre Frage, warum ein männlicher Sänger Frauen dann Herzklopfen
verschaffen dürfe – verwirrtes Schweigen. Unzählige Behördengänge,
irrationale Begründungen und Machtlosigkeit – „No Land’s Song“ führt,
durchaus mit Galgenhumor, ein repressives System vor.
## VielfältigeGeschichte
Dass in der Region „Von Marokko bis Afghanistan“ vielfältige
Musikgeschichte geschrieben wurde, thematisiert das Creole Musikfilm-Fest:
„Trances El Hal“ (1981), ein Konzertfilm, begleitet die marokkanische Band
Nass El Ghiwane, die als die Rolling Stones Marokkos bezeichnet wurden und
mit ihrem Mix aus marokkanischer und ritueller Gnawa-Musik auch die
Entwicklung des modernen maghrebischen Raï-Sounds beeinflusst hat.
„Dananir“ beschäftigt sich mit der Biografie der ägyptischen Sänger-Lege…
Oum Kalthoum. Und natürlich wird auch der Star der arabischen Musikwelt
gewürdigt: Fairuz, die „Mutter der libanesischen Nation“. Im Film „We Lo…
Each Other So Much“ erzählen Fans unterschiedlichster Herkunft, wie es die
Libanesin schaffte, Christen, Muslime, Kommunisten und rechte Extremisten
durch ihre Musik gleichermaßen zu einen. In gewisser Weise kann dies auch
als symbolisches Schlusswort des Creole Musikfilm-Fests gelesen werden.
Werkstatt der Kulturen, Wissmannstr. 32, bis Sonntag, 13.11.
11 Nov 2016
## AUTOREN
Laura Aha
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