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# taz.de -- Krise bei Bayer Leverkusen: Die ganz große Scheiße
> Bayer Leverkusen setzt seine Misere fort und scheitert im Pokal am
> Drittligisten Lotte. Trainer Schmidt ist dabei, sein Team zu demontieren.
Bild: Verstecken bringt nichts: Leverkusens Spieler Kevin Kampl
Leverkusen taz | Die hübschen Wutreden von Rudi Völler sind für den geübten
Betrachter über die Jahre zu einem verlässlichen Bestandteil des
Fußballalltags geworden. In regelmäßigen Abständen schimpft der
Sportdirektor von Bayer Leverkusen mal über die Schiedsrichter, mal über
Gegner oder über die Fehlerhaftigkeit der eigenen Mannschaft.
Gerade erst hat Völler seinen ehemaligen Mitspieler Mario Basler als
„Pausenclown“ bezeichnet, weil der despektierlich über den Werksklub vom
Rhein gesprochen hatte, und natürlich wurde auch am Dienstagabend in Lotte
mit Kraftausdrücken hantiert. Die Niederlage im Elfmeterschießen sei „an
Dämlichkeit nicht zu übertreffen“, sagte Völler, dessen Team über weite
Strecken der Partie in Überzahl gespielt hatte und in der Verlängerung auch
noch mit 2:1 in Führung gegangen war.
Nach dem Elfmeterschießen jedoch jubelte der Drittligist, und die
Leverkusener stecken in einer Situation, die sich nicht mehr mit ein paar
zünftigen Formulierungen aus der Welt blasen lässt. „Das ist die
schwierigste Situation, seitdem ich im Verein bin“, erklärte Stefan
Kießling, vor dem Hintergrund von drei Champions-League-Partien ohne Sieg,
dem Absturz in die untere Hälfte der Bundesligatabelle, dem Aus im Pokal
und dem Ärger um den gesperrten Trainer Roger Schmidt, der die Partie im
Mannschaftsbus verfolgte.
Das waren dramatische Worte, schließlich hat Kießling in seinen zehn
Leverkusener Jahren schon viele Chaosphasen erlebt, inklusive eines halben
Dutzends Trainerwechseln. Doch so bedrohlich wie jetzt war es offenbar noch
nie. Und das hat natürlich mit Trainer Schmidt zu tun, der die schwierige
sportliche Situation durch sein Verhalten verschärft hat, statt
konstruktive Lösungen zu finden.
Dass es lächerlich ist, einen Fußballtrainer für Worte zu bestrafen, wie
sie in jedem Kinderzimmer gebräuchlich sind („Spinner“, „Halt die
Schnauze“), wurde hinlänglich diskutiert. Doch so zweifelhaft die verhängte
2-Spiele-Sperre nach seiner kleinen Tirade gegenüber dem Hoffenheimer
Kollegen Julian Nagelsmann auch sein mag, Schmidt wusste ganz genau, dass
diese Strafe folgen würde. Man könnte beinahe glauben, es habe sich um
einen Akt der Selbstzerstörung gehandelt, aber das wäre dann vielleicht
doch etwas zu viel Küchenpsychologie.
## Vorbild für die Balleroberungsteams
Ohnehin ist ein anderer Vorwurf, den Schmidt am Samstag an der Seitenlinie
erhob, noch viel interessanter. „Du glaubst auch, du hast den Fußball
erfunden“, hat er Nagelsmann nämlich vorgehalten, ein Satz voller Missgunst
gegenüber einem Trainer, der in vielen Aspekten des Spiels ähnlich denkt.
Hinter diesen Worten zeigt sich ein tiefer Frust, vielleicht sogar Neid auf
die erfolgreicheren Hoffenheimer, die mit einer Spielweise ins obere
Tabellendrittel stürmten, die in Grundzügen dem Leverkusener Stil ähnelt.
So wie übrigens auch die Ansätze von RB Leipzig (Tabellenplatz 2), Hertha
BSC (3), Köln (5) und Frankfurt (8). Leverkusen ist Elfter.
Dabei war Bayer 04 als eine Art Vorbild für die Balleroberungsteams in die
Saison gestartet. Seit über zwei Jahren feilt Schmidt an Details, im Sommer
verließ kein wichtiger Spieler den Klub, „der Kader ist eine Hausnummer,
dieses Jahr wird besser als die zwei Spielzeiten davor“, hatte er vor der
Saison angekündigt. Dass beim Meistertipp der 18 Trainer neben dem FC
Bayern nur Leverkusen genannt wurde, zeigt, dass externe Fachleute dem
Werksklub ebenfalls viel zutrauten. Nun leiden Spitzenklubs wie Dortmund,
Mönchengladbach, Schalke oder Wolfsburg tatsächlich unter den zum Teil
massiven personellen Umbaumaßnahmen, selbst die Bayern wirken in der
Nach-Guardiola-Ära nicht mehr so unnahbar. Aber Leverkusen macht nichts
draus.
Es ist nachvollziehbar, dass der superehrgeizige und etwas eitle Schmidt
leidet, wenn schwächer besetzte Konkurrenten mit einem von seinen Ideen
inspirierten Fußball über sich hinauswachsen. Dass er diesem Frust nun so
völlig freien Lauf lässt und sein Team immer tiefer in den Sumpf befördert,
ist allerdings bedenklich. „Jetzt haben wir ein Ziel kaputtgemacht durch
die ganze Scheiße“, sagte Kießling am Dienstagabend in Lotte noch. Und es
ist klar, dass diese Scheiße nicht alleine aus Fehlpässen, verlorenen
Zweikämpfen und verschossenen Elfmetern besteht.
26 Oct 2016
## AUTOREN
Daniel Theweleit
## TAGS
Fußball
DFB-Pokal
Roger Schmidt
Mesut Özil
Fußball
Sexismus
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