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# taz.de -- Die Gegenwart der neuen Alten
> Ausstellung Die Schau „Europas neue Alte. Ein foto-ethnographisches
> Projekt“ porträtiert insgesamt 27 unterschiedlichgestaltete Lebensabende.
> Am Donnerstagabend wurde über die gesellschaftliche Rolle der neuen Alten
> diskutiert
Unter den „neuen Alten“ verstand man ab Beginn der 1970er Jahre
Frühpensionierte, die in ihrer freien Zeit Ehrenämter ausführten. Heute
wird der Begriff offener verwendet. Die Ausstellung „Die neuen Alten
Europas“ geht der Frage nach, was genau diese heute ausmacht. Das Museum
Europäischer Kulturen hat am Donnerstagabend zur Gesprächsrunde eingeladen.
Die Fotografin Gabriele Kostas und Wolfgang Kaschuba, Leiter des Instituts
für Europäische Ethnologie an der Humboldt-Universität Berlin, tauschten
sich über die neue Rolle der Älteren in der Gesellschaft aus. Im Rahmen der
Sonderausstellung diskutierten sie über Gentrifizierung und Landflucht,
Konservativismus und Selbstverwirklichung.
In „Europas neue Alte“ zeigt Kostas’ Fotografien von Menschen über 65
Jahren. Dazu sind Porträts zu lesen, die die individuelle Erwartung,
Zufriedenheit und Selbstreflexion im Alter thematisieren.
Die Älteste der Porträtierten ist zur Diskussionsrunde gekommen. Ilse, 94,
aus Deutschland steht über ihrem Abbild an einer der Ausstellungswände. Wie
viele der Protagonisten arbeitet sie weiterhin ehrenamtlich. Noch immer
betreut sie SchülerInnen, die ihr Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren.
„Es hat sich vieles verändert. Ab 80 ist man heute eigentlich erst alt“,
wirft sie aus dem Publikum in das offene Gespräch mit ein.
Wolfgang Kaschuba führt das auf das veränderte Gespür für Körperlichkeit
zurück. Wandern, Reisen und Sport gehören heute ganz selbstverständlich zum
Leben, schwere körperliche Arbeit sei dagegen im Durchschnitt deutlich
seltener geworden. „Aber natürlich sprechen wir dabei von einem
privilegierten Europa“, sagt er. Die Menschen leben immer länger. Doch wie
leben sie?
„Ich wollte keine typischen Porträtfotografien anfertigen“, sagt Gabriele
Kostas dazu. „Die Fotos zeigen die Protagonisten in ihren alltäglichen
Bewegungen. Heute gesteht man jedem zu, sich mit über 65 noch einmal frei
zu verändern und den Lebensabend individuell zu führen.“ „Europas neue
Alte“ porträtiert Menschen, die ihre letzten Jahre unterschiedlich
gestaltet haben.
Der schwedische Motorradfahrer ist neben den griechischen
Restaurantbesitzern zu sehen, die georgische Archäologin neben der
deutschen Auswanderin. Manche haben sich bewusst dafür entschieden, bis ins
hohe Alter ihren Beruf auszuführen, andere sind finanziell darauf
angewiesen.Die Rolle der Älteren hat sich verändert. Wolfgang Kaschuba
beschreibt das mit aufkommenden Widersprüchlichkeiten: „Ohne das
ehrenamtliche Engagement der Pensionäre würde Deutschland heute wohl anders
dastehen, andererseits müssen immer mehr Renten immer länger bezahlt
werden.“
Viele gesellschaftliche Aspekte des Älterwerdens sind Thema an diesem
Abend. Stehen die Älteren den Jüngeren im Weg? Ist die Selbstverwirklichung
im Alter tatsächlich vollends akzeptiert? Dabei steht während der
Gesprächsrunde der Austausch, weniger der gemeinsame Konsens, im
Vordergrund. Eine kritische Frage der Besucher wird an diesem Abend immer
wieder angesprochen: Geht es Europas neuen Alten tatsächlich so gut?
„Natürlich ist unsere Ausstellung nicht statistisch repräsentativ“, sagt
Irene Ziehle, Kuratorin der Ausstellung. „Doch abgesehen von finanziellem
und gesundheitlichem Stand der Protagonisten gaben viele an, im Alter
zufriedener zu sein.“
Neben Fragen zum Familienstand oder zur Zufriedenheit sollten die
Protagonisten auch angeben, wann sie jemanden als alt empfinden. Eine der
öffentlichen Antworten darauf bringt die Intention der Ausstellung auf den
Punkt. „Wenn die Neugier erlischt und die Augen nicht mehr funkeln“, Wolf,
74 Jahre alt. Verena Krippner
24 Oct 2016
## AUTOREN
Verena Krippner
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