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# taz.de -- Streit um Kudamm-Bühnen: Gar nicht witzig
> Müssen die beiden Kudamm-Bühnen ihr Theater räumen? Das Landgericht hat
> in erster Instanz der Räumungsklage des Investors Recht gegeben.
Bild: Das Theater am Kurfürstendamm
Den beiden Boulevardbühnen „Theater am Kurfürstendamm“ sowie der „Komö…
dürfte seit gestern Mittag der Spaß abhanden gekommen sein. Das Berliner
Landgericht unter dem Vorsitz von Richter Siegfried Sommerfeld verurteilte
Martin Woelffer, Direktor der traditionsreichen Kudamm-Bühnen, die beiden
Theatersäle, die Intendanz, alle Garderoben, Werkstätten und Technikräume
„zu räumen und an den Kläger herauszugeben“. Sollte das Urteil Bestand
haben, wäre dies das erste Mal in der Berliner Theatergeschichte nach 1945,
dass zwei große Häuser geräumt werden müssten.
Sommerfeld gab mit dem Spruch überraschend den Anträgen der Klägerfirmen
Mars Propco 1 aus Luxemburg und der Münchner Cells Bauwelt recht. Die neuen
Eigentümer und Investoren des Kudamm-Karrees, im dem auch die beiden Bühnen
spielen, hätten angesichts „hoher Zahlungsrückstände“ des Theaters bei
Mieten und Betriebskosten eine „berechtigte Klage“ vorgetragen, erläuterte
der Richter.
Auch sei „ein Aufschub der Räumung bis 2018 nicht gerechtfertigt“, so die
Kammer. Das Aus könne somit – sollten die Theater gegen dieses
erstinstanzliche Urteil kein Einspruch einlegen – „sofort“ über die Büh…
gehen.
2015 hatten Mars Propco 1 und der Projektentwickler Cells die Immobilie von
der irischen Ballymore Group gekauft. Anfang 2016 hatten sie eine
Räumungsklage angestrengt, da die Theater Kosten in Höhe von 600.000 Euro
schuldig geblieben sein sollen.
Woelffer hielt dagegen, dass es hierfür weder eine Vertragsgrundlage
gegeben habe noch die Luxemburgische Mars Propco überhaupt klageberechtigt
sei, könne diese doch in Deutschland keinen rechtsfähigen Firmensitz
nachweisen. Zudem gab sich Woelffer davon überzeugt, dass die Mietensache
nur vorgeschoben ist: Mars Propco 1 und Co. wollen das Kudamm-Karree
komplett umbauen und die Theater abreisen, so der Theaterleiter.
Woelffer und rund zwei Dutzend Theaterleute, darunter der Schauspieler
Winfried Glatzeder, zeigten sich nach dem Richterspruch enttäuscht – aber
auch kämpferisch. „Wir werden die Theater auf keinen Fall verlassen“, sagte
Woelffer zur taz.
Er appellierte zugleich an die politisch Verantwortlichen „endlich einen
Weg zu finden, die Komödie am Kurfürstendamm zu erhalten und die
Institution langfristig – gegen immer neue Eigentümerinteressen – zu
sichern“.
Reiner Geulen, Rechtsanwalt der Theaterbetreiber, kündigte nach dem Prozess
Revision an. Das dürfte seiner Einschätzung nach einen Aufschub von über
einem Jahr bedeuten. Zudem werde er einen Antrag auf „Einstellung der
Zwangsvollstreckung“ stellen, sagte Geulen.
Norman Schaaf, Geschäftsführer der Cells Bauwelt, wollte am Dienstag
gegenüber den aufgebrachten Theaterleuten keinen Räumungstermin nennen.
Sein Rechtsanwalt Hans Konrad war zufrieden mit dem Richterspruch, der dem
Kläger jetzt die Räumung erlaube und die Gesellschaft in jedem Fall als
„rechtsfähig“ ausweise.
## Briefkastenfirma
Vor der Gerichtsverhandlung war dies nicht so klar gewesen, hatte doch an
zwei Prozessterminen im Frühjahr und im Juli der Richter die Klägerseite
mehrmals auffordern müssen zu beweisen, dass es sie überhaupt gibt. „Dem
Kläger wird aufgegeben, die Gründungsurkunde seiner Gesellschaft, die
Veröffentlichung im Luxemburger Amtsblatt, eine Übersetzung der Satzung und
den Registerauszug im Original vorzulegen“, so Sommerfeld im Juli.
Rechtsanwalt Geulen sprach von einer „Schein- oder Briefkastenfirma“, die
gar nicht existiere.
Franziska Eichstädt-Bohlig, ehemals grüne Bundestagsabgeordnete und jetzt
Vorsitzende des Vereins „Rettet die Kudamm-Bühnen“ hält die Dokumente, die
dem Gericht jetzt vorlagen, für nicht beweiskräftig genug.
Eichstädt-Bohlig war noch nach der Verhandlung sauer: „Das dreht mir schon
den Magen um, dass hier solch dubiose Firmen Grundeigentum bilden können.“
Jetzt müsse weiter gegen diese gekämpft werden.
18 Oct 2016
## AUTOREN
Rolf Lautenschläger
## TAGS
Kulturpolitik
Maria Furtwängler
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