| # taz.de -- Strahlenresistente Überlebenskünstler: Unverwundbar dank Wasserb�… | |
| > Forscher entdecken bei winzigen Bärtierchen ein Survivalprotein, das auch | |
| > dem Menschen nutzen könnte. Es schützt die DNA vor Schädigungen. | |
| Bild: Ein Blick durchs Mikroskop auf ein Bärtierchen | |
| Man muss nicht nach Mallorca fliegen, um pralles Strandleben genießen zu | |
| können. Ein Ausflug an deutsche Küsten reicht völlig. Denn wer dort seinen | |
| Fuß in den Sand setzt, hat in diesem Augenblick etwa 100.000 muntere | |
| Tierchen unter seiner Sohle. Viele davon gehören zu den Bärtierchen oder | |
| Wasserbären. Sie sind so zäh, dass selbst extremste Witterungen und | |
| radioaktive Strahlen ihnen nichts anhaben können. Japanische Forscher haben | |
| jetzt das dafür verantwortliche Protein gefunden – und hoffen, es auch mal | |
| dem Menschen injizieren zu können. | |
| Mit weniger als einem Millimeter Körpergröße sind Bärtierchen mit bloßem | |
| Auge kaum zu sehen. Unter dem Mikroskop sehen sie eher aus, als wären sie | |
| bei Haribo vom Förderband gehüpft, als dass sie sich im Rahmen der üblichen | |
| Evolution entwickelt hätten. Weswegen Zoologen sie weder den Insekten und | |
| Krebsen noch den Würmern zuordnen konnten und einen eigenen Tierstamm für | |
| sie erfinden mussten: die Tardigraden. Das klingt schon so ähnlich wie ein | |
| altes Adelsgeschlecht, und das passt. Denn auch die Bärtierchen sind nicht | |
| tot zu kriegen. | |
| Egal, ob in Dachrinnen oder Pfützen, ob in Tropenwäldern oder in der | |
| Tiefkühltruhe – sie überleben. Ihre Hauptbestandteile sind der Kopf sowie | |
| vier Segmente, die jeweils mit einem einziehbaren Beinpaar ausgerüstet | |
| sind. Wobei es sich bei den Extremitäten eher um Stummel handelt, die | |
| jedoch mit Krallen oder Haftscheiben bewehrt sind, sodass sich die | |
| Minibären festhalten können, wenn beispielsweise bei Ebbe das Wasser vom | |
| Strand abläuft. | |
| Wenn Trockenheit oder extreme Temperaturen herrschen, fährt der Bärenkörper | |
| seinen Wassergehalt bis auf wenige Prozent herunter und er verformt sich zu | |
| einer winzigen Tonne. Stoffwechsel gibt es dann nicht mehr, was eigentlich | |
| heißt, dass der Tod eingetreten ist. Doch sofern die Umweltbedingungen | |
| besser werden, kann sich der Survivalbär binnen 15 Minuten selbst zum Leben | |
| erwecken. Auf diese Weise kann er selbst Röntgenstrahlen in hoher Dosis und | |
| Temperaturen von plus 125 Grad Celsius überstehen, was sonst ausreicht, | |
| selbst hartnäckigste Bakterien abzutöten. | |
| Ein Forscherteam der Universität entdeckte nun im Labor ein Protein, das | |
| wohl hauptverantwortlich für die Robustheit der Tiere ist. Man findet es | |
| nur in den Tardigraden, und seine besondere Stärke liegt darin, dass es die | |
| Gene vor Schäden bewahrt. „Wir haben es daher Damage supressor genannt“, | |
| berichtet Studienleiter Takekazu Kunieda. Abgekürzt: Dsup. | |
| Seine außergewöhnliche Leistungsfähigkeit demonstrierte es, als man es in | |
| menschliche Nierenzellen einführte, die anschließend starker | |
| Röntgenstrahlung ausgesetzt wurden. Sie zeigten daraufhin deutlich weniger | |
| Erbgutschäden als ohne Behandlung mit dem Wasserbär-Eiweiß. „Unseres | |
| Wissens ist es bislang das erste Protein, das menschliche Zellen resistent | |
| gegen Röntgenstrahlen macht“, so Kunieda. | |
| Und darin liegen natürlich große Chancen für die Medizin. Denn prinzipiell | |
| wäre es denkbar, dass man etwa die Nebenwirkungen einer Strahlentherapie | |
| durch Dsup in den Griff bekommt. Oder gleich das Krebsrisiko senkt, | |
| insofern ja Tumore auch durch Schäden am Erbgut ausgelöst werden. | |
| Doch was im Labor klappt, kann im klinischen Alltag durchaus versagen. Noch | |
| ist die Survivalimpfung mit dem Wasserbär-Protein nur Zukunftsmusik, von | |
| der die Spender selbst ohnehin nie etwas hören werden. Denn die Tardigraden | |
| können zwar gut tasten und ein wenig sehen – doch hören können sie nicht. | |
| 4 Oct 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Jörg Zittlau | |
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