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# taz.de -- Pardon? Das Zentrum spricht Englisch
> Sprache In Mitte oder Kreuzberg Kaffee auf Englisch zu bestellen ist
> normal. Auch in den Randbezirken? Wie Strukturwandel und Gentrifizierung
> die Sprachenvielfalt verändern, unter- sucht nächste Wo- che eine
> Konferenz
Bild: Immer internationaler heißt: immer öfter Deutsch/Englisch – oder nur …
Von Lara Janssen und Robert Pausch
Aus dem Café strömt der Geruch von frisch gemahlenen Bohnen auf die kleine
kopfsteingepflasterte Seitenstraße. Unter zwei schmalen schwarzen
Sonnenschirmen nippen die jungen Kunden an ihren Tassen. Die wenigen Tische
des The Barn in der Auguststraße sind voll besetzt, während im Inneren der
Barista Pablo Tabac hinter der Theke die Bestellung eines Pärchens
aufnimmt: Eine Tasse Nensebo-Kaffee aus exklusiven äthiopischen Bohnen,
deren Aroma an kandierte Zitrone und Hagebutte erinnern soll, eine Tasse
kenianischen Kamviu, dazu zwei Stücke Nusskuchen. Mit raschen Handgriffen
bedient er die Siebträgermaschine. Dann beugt er sich über den Tresen: „Hey
guys, your coffee is ready!“
„An der Kaffeekultur lässt sich der sprachliche Wandel in Berlin sehr
deutlich ablesen“, sagt Linguistin Britta Schneider, Mitorganisatorin einer
Konferenz zur Sprachenvielfalt (siehe Kasten). An der FU hat sie zum
Sprachgebrauch in Coffee-Bars in den Berliner Szenebezirken geforscht. „Man
sieht hier sehr deutlich, wie in manchen Vierteln Englisch bereits die
Verkehrssprache geworden ist. Eine Bestellung auf Deutsch versteht in
vielen Bars niemand mehr.“ Die Barista würden oft aus dem Ausland stammen,
da man nur dort die aufwendigen Ausbildungen absolvieren könne. Und die
Kellner seien nicht selten prekär beschäftigte Kreative.
Deutsch müsse das Servicepersonal nicht lernen, denn für ihre Kunden sind
Bestellungen auf Englisch in der Regel kein Problem. Schließlich sind die
Cafés vor allem Treffpunkt der Jungen und Kreativen, die es seit Jahren aus
der ganzen Welt in die deutsche Hauptstadt zieht.
Immer stärker prägen sie das Stadt- und Sprachbild im Zentrum: Hippe Cafés
reihen sich an mondäne Burgerläden – Speisekarten und Flyer sind
selbstverständlich in englischer Sprache. Theresa Heyd, ebenfalls
Mitorganisatorin der Sprachenkonferenz, hat zuletzt an einer Studie zu
Craft-Beer-Läden in der Stadt gearbeitet. „Es gehört hier einfach dazu,
sich möglichst international zu geben, die englische Sprache hat hier eine
wichtige symbolische Funktion.“ Viele der Ladenbetreiber seien eigentlich
Deutsche. Da die Craft-Beer-Kultur aber stark in Amerika verwurzelt sei,
seien sie bedacht, ein anglofones Image zu kultivieren.
„Diese Kultur ist natürlich exklusiv. Sie richtet sich an eine junge, gut
situierte Klientel“, sagt die Linguistin Schneider. Wer die
Verhaltensregeln nicht versteht und des Englischen nicht mächtig ist,
findet sich in den Kiezen der jungen Boheme nur schwer zurecht.
Im Gegensatz zum Englischtrend im urbanen Zentrum steht eine
Sprachentwicklung im Osten der Stadt: Junge Berliner sprechen hier häufig
Dialekt. „Einerseits wird das Sprechen ganz natürlich über Generationen
weitergegeben. Andererseits ist das Berlinern gerade für die Jungen auch
ein Ausweis von Authentizität. Wer ‚icke‘ und ‚gloob ick‘ sagt, zeigt:…
komme von hier“, sagt Schneider. Gerade wenn sich die Stadt verändert,
internationaler wird, steige bei einigen das Bedürfnis nach solch einer
sprachlichen Selbstverortung.
Der Sprachgebrauch ist immer auch ein Spiegel von Stadtentwicklung,
Strukturwandel und Gentrifizierung. „Derzeit können wir beobachten, wie
sich beispielsweise die türkische Community langsam an die Ränder der Stadt
verlagert“, sagt Theresa Heyd. Dort, wo der Wohnraum bezahlbar ist, finden
sich Sprachgruppen, die im Zentrum fast unbemerkt bleiben. In Lichtenberg
leben seit DDR-Zeiten zahlreiche Vietnamesen, im Wedding gibt es eine große
zentralafrikanische Community. Im Norden Marzahns wird in einigen Vierteln
fast ausschließlich russisch gesprochen. „Klein-Moskau“ nennen die Berliner
den Kiez zwischen Märkischer Allee und Havemannstraße.
„Von der kulturellen und sprachlichen Vielfalt hat Berlin stets
profitiert“, sagt Heyd. „Darum sollten wir die Verdrängungsprozesse
kritisch beleuchten. Auch wenn sie in Berlin erst am Anfang stehen.“
24 Sep 2016
## AUTOREN
Lara Janssen
Robert Pausch
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