# taz.de -- TRANSGENDER POP Snoopy mit Davidstern:Mykki Blanco und ihr erstes L… | |
Bild: Scheint bereit für den Mainstream der Minderheiten: Mykki Blanco | |
von Laura Aha | |
An der Wohnzimmerwand sind Waffen aufgehängt, um den Fliesentisch sitzt ein | |
Gruppe Skinheads. Messer klappen auf und zu. „Frieden. Ich hasse dieses | |
Wort“, sagt einer auf Deutsch. „Wenn sie bleiben wollen, müssen sie | |
sterben.“ Damit ist eine Gruppe queerer Schwarzer gemeint, die auf dem | |
benachbarten Bauernhof in Brandenburg wohnt. Doch eine von ihnen, eine | |
tätowierte Transfemme mit wehender Lockenperücke, führt auch heimlich eine | |
Liebesbeziehung mit den weißen Skins. Im Video zu „Highschool Never Ends“, | |
der ersten Singleauskoppelung aus dem Debütalbum der US-Künstlerin Mykki | |
Blanco, erzählt Regisseur Matt Lambert genau dies als modernes Liebesdrama. | |
„Ich versuche mit meiner Kunst Dinge zu zeigen, die man noch nicht gesehen | |
hat“, sagt Mykki Blanco, bürgerlich Michael David Quattlebaum Jr. Elegant | |
und in Hotpants trägt sie dieselbe Perücke wie im Video, unter den Locken | |
im Gesicht erhascht man hin und wieder einen Blick auf ihre Tätowierungen. | |
Ein christliches Kreuz mit Engelsflügeln und Schriftzug „Wise Up“, Snoopy | |
und Davidstern. | |
Mit der Debüt-EP „Cosmic Angel: The Illuminati Prince/ss“ (2012) wurde die | |
Kunstfigur Mykki Blanco gefeiert. Sie oszilliert zwischen schwulem | |
Gangsta-Rapper und glamourösem Fashion-It-Girl in Drag. Pumpende | |
Party-Beats, lässig dahingerotzte Raps über Drogenexzesse und Sex im | |
HipHop-Underground. Mit philosophischen Texten präsentierte sie sich dann | |
2013 auf „Betty Rubble“ als psychedelischer Mutant ganz ohne Glam. „Mykki | |
ist mehr als diese hyperfeminine Drag-Persona. Es geht ihr nicht um | |
Entweder-oder, Make-Up ist nicht das Entscheidende“, so Mykki über Mykki, | |
die eine Vermarktung über Labels ablehnt. | |
Auf ihrem nun ersten Langspiel-Album, „Mykki“, zeigt sie erneut eine | |
bislang unbekannte Facette. „Ich hatte vorher noch keinen Song über mich | |
selbst geschrieben“, sagt sie. Nachdem sie sich 2015 als HIV-positiv | |
outete, will sie nun biografische Themen und die der LGBTQ-Community einer | |
breiten Öffentlichkeit näherbringen. | |
Mit melodischen Synthimhooklines und Vocoder-Effekten zieht sei dabei klar | |
in Richtung Pop. Den eingängigen Refrain in „You Don’t Know Me“, einem S… | |
über Aids und Stigmatisierung, singt sie nun selbst. Die epische Ballade | |
„Highschool Never Ends“, deren verträumte Streicher die Handschrift von | |
Produzent Woodkid trägt, erzählt von enttäuschter Liebe und der dumpfen | |
Betäubung der Schmerzen mit Drogen. Blancos Rap ist slanghaft, poetisch und | |
bleibt doch mehrdeutig, so sie über „Mollies“ (pulverförmiges Ecstasy) und | |
„Xans“ (Beruhigungsmittel) rappt. | |
Gleichzeitig reflektiert sie die überkomplexe, digitale Welt. Snapchat, | |
Make-Up-Marken und Model-Labels: in „Loner“ prophezeit sie die Vereinsamung | |
durch Social Media. Trotz Seelenstriptease, Mykki Blanco verteilt auch | |
Arschtritte. Den trügerischen Glanz der Clubwelt demaskiert sie mit „The | |
Plug Won’t“. „Shit Talking Creep“ ist ein wütender Track über Intoler… | |
Und auch Fans kriegen ihr Fett weg. Der Banger „For The Cunts“ verspottet | |
den Taumel der Feiernden . | |
„Mykki“ ist ein provozierendes Album, das trotz einer gewissen | |
musikalischen Offenheit unbequem bleibt. Gleichzeitig ist es eine klare | |
Aufforderung, die Themen an den Rand gedrängter Minderheiten in den Blick | |
zu rücken. | |
Mykki Blanco: „Mykki“ (!K7/Dogfood Music group) | |
17 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Laura Aha | |
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