# taz.de -- Unter Nachbarn | |
> ILBBegegnungsort Buchhandlung: Die Schriftstellerin Svenja Leiber sprach | |
> mit SyrerInnen über kulturelle Gemeinsamkeiten | |
Zu Hause schmeckt es am besten. Zu Hause sind Freunde und die Familie. Zu | |
Hause fühlt man sich sicher. Hunderttausende Menschen, die in den | |
vergangenen Jahren nach Deutschland gekommen sind, mussten ihr Zuhause und | |
alles, was dazugehört, neu definieren. | |
Zwei von ihnen sitzen am Mittwoch in der Theaterbuchhandlung Einar & Bert. | |
Im Rahmen des Internationalen Literaturfestivals erzählen Lina Al Haddad | |
und Bachar Al Chahin von der syrischen Kultur. Um Fluchtgeschichten geht es | |
an diesem Abend nicht. | |
Die „Newcomer“, wie sie viele nennen, entscheiden frei, worüber sie | |
sprechen wollen. Bachar Al Chahin arbeitete vor dem Krieg als | |
Kulturreiseführer in Syrien. Als er vor einem Jahr nach Deutschland kam, | |
sagt er, war das eine furchtbare Zeit. Er stand am Lageso, wusste nicht, | |
wie es weitergeht. Heute ist er im Pergamonmuseum tätig und lernt die | |
deutsche Sprache. In seiner Heimat zeigte er Touristen aus aller Welt | |
syrische Sehenswürdigkeiten. „Was würdest du den Europäern heute gern über | |
Syrien sagen?“ fragt Moderatorin und Schriftstellerin Svenja Leiber. Bachar | |
Al Chahin setzt an und hört so schnell nicht mehr auf. Es gibt viel zu | |
sagen. | |
Er spricht über die Toleranz, die in Syrien vor dem Krieg herrschte. | |
„Christentum und Judentum sind den Syrern nicht fremd“, sagt er. Die | |
Integration fällt den meisten SyrerInnen leichter, als viele meinen, will | |
er dem Publikum zu verstehen geben. Gekommen sind AraberInnen, | |
AnwohnerInnen von Flüchtlingsunterkünften und Interessierte jeder | |
Altersgruppe. | |
## Muslimin, Frau, Syrerin | |
Lina Al Haddad sitzt ebenfalls vor ihnen. Die 28 Jahre alte Psychologin aus | |
Damaskus hat ihre Identität bereits in einigen Kulturen hinterfragt. Vier | |
Jahre lebte sie in Japan. „Ich bin Muslimin, Frau, Syrerin. Aber machen uns | |
diese Begriffe wirklich aus?“ Seit drei Monaten ist sie in Deutschland und | |
studiert an der Freien Universität Berlin. | |
Sie kam im Flugzeug. „Jeder, der derzeit aus Syrien kommt, flieht. Für mich | |
war es sehr schmerzhaft. Ich bin über das Meer geflogen, in dem so viele | |
ertranken.“ Viele Deutsche seien überrascht gewesen, dass sie studiert hat, | |
kein Kopftuch trägt und allein lebte, sagt sie. „Dabei ist das nichts | |
Besonderes!“ | |
Beiden ist es wichtig, nicht unterschätzt zu werden, mit Klischees | |
aufzuräumen. Natürlich bleiben Fragen zur Integrationsbereitschaft an | |
diesem Abend nicht aus. Das Gefühl, allgemeingültige Lösungen finden zu | |
müssen, hat aber niemand. Viel wichtiger ist es, sich austauschen zu | |
können. Einige SyrerInnen aus dem Publikum stehen auf, wenn sie etwas zur | |
Diskussion beisteuern möchten, sehen alle Anwesenden direkt an. Das | |
funktioniert. | |
Am Ende verlässt kaum jemand den Raum. Der Abend hat sein Ziel erreicht. | |
Viele kommen ins Gespräch. Zum Abschluss sagt Bachar Al Chahin: „Ich | |
vermisse meine Familie, meine Heimat. Die Arbeit im Museum und das Lernen | |
der Sprache helfen mir, mich in Berlin zu Hause zu fühlen.“ Verena Krippner | |
16 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Verena Krippner | |
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