# taz.de -- Ein Kurbelradio, falls alles zusammenbricht | |
> Praktiker „Preppers“ horten Notfallrationen und nostalgische Technik für | |
> den Krisenfall. Ist das Umsicht, Leidenschaft oder Macke? | |
BERLIN taz | Mazze hat 160 Konservendosen bei sich zu Hause eingelagert. | |
Als Vorrat, falls der Einzelhandel mal zusammenbrechen sollte. Aber was | |
tun, wenn das gar nicht passiert? Hm. Einmal in der Woche gibt es bei Mazze | |
Essen aus der Dose. So werden die Dosen „kontinuierlich rotiert“, schreibt | |
der 30-jährige Familienvater im Forum „Preppers Germany“. Das ist | |
Vorratshaltung, wegen der ihn manche Preppers bewundern. | |
Preppers, vom englischen „prepared“, vorbereitet sein, nennen sich Leute, | |
die hobbymäßig persönliche Katastrophenvorsorge betreiben und in Foren und | |
auf Facebook endlos darüber diskutieren, welcher Wasserfilter der beste | |
ist, wie man eine Öllampe selbst baut und ob die furztrockenen Notfallkekse | |
„BP-WR“ aus Norwegen, zehn Jahre Haltbarkeit, besser schmecken als das | |
deutsche Pendant „NRG-5“. | |
Begeistert hat die Prepper-Szene darauf reagiert, dass das Bundesamt für | |
Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe höchstselbst in einer Broschüre zu | |
einen selbst angelegten Nahrungsmittelvorrat für 14 Tage rät. „Wer hätte | |
das gedacht, es gibt eine deutsche Bundesbehörde, die zum Preppen | |
auffordert“, schreibt „Hunk“, 33. Das Motto des Forums bei „Preppers | |
Germany“: „Der Unterschied zwischen Panik und klarem Verstand ist die | |
Vorbereitung.“ | |
Unter „Vorbereitung“ verstehen die Preppers aber durchaus | |
Unterschiedliches: Unter ihnen gibt es Mitglieder, die sich über die | |
Haltbarkeit von Dörrfleisch unterhalten, Bastler, die darüber streiten, wie | |
man aus einem alten Ski einen Flitzebogen basteln kann, aber auch | |
Waffensammler, die ihre Glock19 erklären, falls doch mal der | |
Verteidigungsfall eintreten sollte. Die Affinität zu Bastelladen und | |
Outdoor, aber auch zum Militär ist unverkennbar. | |
Der Vertrieb sicherstadt.de von Jaromir Ctrnacty mit Sitz in Bayern hat | |
sich auf die private Krisenvorsorge spezialisiert, Motto: „Für mich gibt’s | |
keine Krise.“ Ctrnacty bietet eine Mischung aus Artikeln der | |
Katastrophenhilfe, des Outdoorbereichs und der Selbstverteidigung an. | |
„Der Bestseller ist das kleine Radio mit Kurbelantrieb, an dem man auch das | |
Handy aufladen kann“, erzählt Ctrnacty, studierter Ökonom und | |
Umwelttechniker. Aber auch die Wasserfilter und Solarpanels gehen gut. Sein | |
Geschäft läuft in gewisser Weise kontrazyklisch: „Wenn es den Menschen gut | |
geht und sie sich sicher fühlen, ist es komplizierter, ihnen die Botschaft | |
von der Krisenvorsorge zu übermitteln“, meint er. | |
Er rät den Kunden zu einem Notfallpaket mit hochkalorischen Keksen, | |
Wasserfilter, einem Solarlicht, dem Kurbelradio und einer Miniheizung. Das | |
müsste ausreichen, wenn Strom, Heizung, Wasser und der gesamte Einzelhandel | |
für zwei Wochen ausfallen sollten und man nur noch im Kurbelradio die | |
Nachrichten darüber empfangen könnte, wie sich die Lage so entwickelt. Die | |
Broschüre des Bundesamts für Katastrophenschutz empfiehlt auch noch | |
Campingtoiletten zur Vorsorge, wenn es mal ernst werden sollte. | |
Preppers sind nicht unbedingt wohlhabend, das wird in den Foren klar, in | |
denen über die Eigenherstellung von Müsliriegeln und den Gebrauchswert von | |
Taschenlampen aus dem Ein-Euro-Shop gefachsimpelt wird. Hochtechnisierte | |
Kocher und Zelte wie in den teuren Outdoorläden hätten in dieser Szene | |
keine Chance. Beliebt sind kleine Gadgets. | |
Aber warum tun diese Leute so, als bräche morgen die Versorgung zusammen | |
und man könne mit einer Ladung Konservendosen und einer Kiste Pappkeksen | |
aus Weizenmehl, Fett und Zucker im Keller gegensteuern? Ist es ein bisschen | |
wie das Kriegsspielen kleiner Jungs? „Dahinter steckt der Wunsch, die | |
Kontrolle über die eigene Lebenssituation in einer unkontrollierbaren Welt | |
zu behalten,“ sagt der Angstforscher Borwin Bandelow im Gespräch mit der | |
taz, „das kann auch etwas Zwanghaftes haben.“ Dabei ist die Gefahr, mit dem | |
Fahrrad zu verunglücken oder eine schwere Krankheit zu bekommen, viel | |
größer als eine mehrwöchige Versorgungskrise ohne Strom, Wasser- und | |
Supermarktzugang. Gegen diese wirklichen Gefahren helfen allerdings auch | |
keine Konservendosen. BarbaraDribbusch, Minh Schredle | |
Bildstrecke: taz.de/Hamsterkauf | |
23 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
Minh Schredle | |
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