# taz.de -- Kommentar Olympische Spiele in Rio: In Dankbarkeit, Amen | |
> Die Spiele in Rio waren eine Enttäuschung. Die Brasilianer haben nicht | |
> den Erwartungen entsprochen. Und das ist gut so! | |
Bild: Schön war's | |
Irritierend ist, dass im deutschsprachigen Raum (und nicht nur dort, | |
überall in westlichen Ländern) niemand über diese Olympischen Sommerspiele | |
so redet, wie es sehr viele Sportler*innen, die dort tätig waren, tun: als | |
ein Fest der Leibesübungen globalen Zuschnitts. Als die wichtigste Zeit in | |
einem Athlet*innenleben. | |
Medial wird vor allem diese Sicht vermittelt: War das alles öde! Und teuer. | |
Schlimm, das mit den Favelas. Und die Sicherheit, ganz schwierig sei das | |
gewesen. Rio de Janeiro, kurzum, muss so eine Art Hölle gewesen sein. Man | |
möchte spitz anfügen: Nicht so herrlich durchorganisiert wie vor acht | |
Jahren in Peking. Oder vor zwei Jahren in Sotschi am Schwarzen Meer, nicht | |
wahr? | |
Zur Erinnerung: Es war eine linke Regierung Brasiliens, die sich nichts | |
sehnlicher wünschte, als diese Olympischen Sommerspiele auszurichten. Lula, | |
Rousseff & Co: Sie wollten ihr Land als einen Global Player präsentieren, | |
der ein Monsterevent auszurichten vermag. | |
Das Korsett der Erwartungshaltungen machte es den Brasilianern von Beginn | |
an unmöglich, zu gefallen. Die Welt wollte dauerhaft gute Laune gepaart mit | |
perfekter Organisation als Zeichen der Dankbarkeit dafür, dass die Spiele | |
weder in einem reichen Land (wie London 2012) noch in einem diktatorisch | |
regierten Staat (wie China 2008) ausgerichtet werden dürfen. | |
## Die lahmen Sicherheitskontrollen | |
Es war erfrischend, dass das brasilianische Publikum sich nicht verstellt | |
hat. Sie haben sich nicht ans IOC-Drehbuch gehalten, sondern ihr wahres | |
Gesicht gezeigt. Es kann schön sein, aber auch hässlich. Es war alles echt. | |
Die Freude bei Rafaela Silvas – der Frau aus den Favelas – Sieg, ebenso wie | |
die rassistischen Kommentare gegen sie zuvor. Das Desinteresse am | |
Bogenschießen, überhaupt an Wettkämpfen, bei denen kein Brasilianer | |
mitmachte. Die Giftigkeiten, die Buhrufe und Schmähungen gegen die | |
Kontrahenten: Real war das alles. | |
Auch die schlechte Laune darüber, dass die langen Schlangen vor den Stadien | |
nicht kürzer wurden, weil die Sicherheitskontrollen so lahm liefen. | |
Sowieso: die lahmen Sicherheitskontrollen selbst. Das trübe, | |
mülldurchwirkte Wasser, auch das: echt. | |
Rio hat der Welt nicht gegeben, was sie erwartet hat: klinisch reine, | |
makellos durchorganisierte Spiele mit freundlich-poliertem Dauerlächeln auf | |
den dunkelhäutigen Gesichtern, Samba in den Stadien und südamerikanische | |
Wärme. Autokratische Staaten, die sich auf ferngesteuertes Publikum und | |
Drehbuchinszenierungen verstehen, hätten das besser geschafft: womöglich in | |
Moskau, Schanghai, Pjöngjang oder Almaty. | |
## Sommerspiele nach brasilianischer Art | |
Man darf und man soll die homophoben Beschimpfungen auf den Rängen | |
kritisieren. Sie als gute Gelegenheit nehmen, eine gesellschaftliche | |
Debatte im Land – und nicht nur da – zu führen. Aber der Impetus eines | |
Thomas Bach, IOC-Chef, bei seiner Abschlussrede in der Nacht auf Sonntag | |
war unerträglich. Er sprach so wie wir als reiche Mitteleuropäer: Sie haben | |
sich Mühe gegeben, aber die gute Laune fehlte leider sehr. | |
Was Bach (und die allermeisten anderen) nicht würdigten: Dass die Spiele in | |
Rio durch Brasilianer selbst kritisiert werden konnten, ist der wichtigste | |
Unterschied zu Olympischen Spielen wie 2014 in Sotschi. | |
Es waren Sommerspiele nach brasilianischer Art. Wir sahen: Rio ist ein sehr | |
schöner Ort. Diese Spiele waren lebendig, aber das sind sie in | |
demokratischen Ländern ja immer. Es hat sogar oft Spaß gemacht – weil man | |
wieder Athlet*innen, gleich, wie sie aussehen, zuschauen konnte, wie sie | |
von der Welt gesehen werden wollen. Tokio 2020 wird perfekt werden. | |
Glatter, oberflächlicher, steril. Schade, oder? | |
23 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Sunny Riedel | |
Jan Feddersen | |
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