# taz.de -- Fünfter „Jason Bourne“-Film im Kino: Wo Morden noch Probleme l… | |
> Jason Bourne sagt im Film, er erinnere sich an alles. Und die Zuschauer? | |
> Im fünften Film des Franchise gibt es viel Action und wenig Handlung. | |
Bild: Schießt lieber: Matt Damon als Jason Bourne | |
Die große Frage unserer Zeit, wie alles mit allem zusammenhängt, stellt | |
sich leider nun immer öfter auch im Kino. Im konkreten Fall heißt das: Muss | |
man die vier vorhergehenden „Bourne“-Filme gesehen haben, um nun den | |
fünften seiner Art, „Jason Bourne“, verstehen zu können? | |
Trotzig sagt man sich, dass das Kino das letzte Refugium filmischen | |
Erzählens sei, auf das man sich nicht in 20-stündigen Bingewatch-Sessions | |
vorbereiten muss, um Plots und Figuren in Staffel 5 wertschätzen zu können. | |
Und dann, kaum dass der Film begonnen hat, hört man die Stimme, die zu | |
Jason Bourne (Matt Damon) gehört, aus dem Off sagen: „Ich erinnere mich, | |
ich erinnere mich an alles.“ Und was ist mit uns Zuschauern? | |
Zur Erinnerung: Jason Bourne, und genau das war das Packende, erinnerte | |
sich zu Beginn des ersten Films von 2002 an gar nichts mehr. Selbst der | |
Name Bourne war ein Zufallstreffer im Ausweisstapel, den Matt Damons Figur | |
damals in einem Safe fand. „Die Bourne Identität“, noch von Doug Liman in | |
Szene gesetzt, war ein schöner Beleg dafür, dass die besten Innovationen | |
oft direkt aus der Mottenkiste kommen: Die Figur Jason Bourne hatte der | |
markige Verfasser von Männerurlaubs-Literatur, Robert Ludlum, noch zu | |
Kalte-Kriegs-Zeiten in den 80ern erfunden. | |
Dank eines Scripts von Tony Gilroy (der schließlich den vierten Film des | |
Franchise mit Jeremy Renner als Platzhalter inszenieren durfte) wurde | |
daraus unter der Regie von zuerst Liman und dann Paul Greengrass ein Held | |
unserer Zeit. Matt Damons Bourne wusste zwar nicht, wer er selbst war, aber | |
in der von neuen Technologien beherrschten Welt nach 9/11 fand er sich | |
gerade deshalb gut zurecht. Durch die Intrigen der schmutzigen | |
Geheimdienste navigierte er als eine Art letzter Cowboy, der sich auf seine | |
Einfälle und sein reflexhaftes Geschick verlassen kann, umweht von der Aura | |
der Einsamkeit, bestärkt von der Kraft seiner Fäuste. | |
## Die wahre Bourne-Identität | |
Es erscheint deshalb ganz logisch, dass Bourne zu Beginn von „Jason Bourne“ | |
– mit dem Matt Damon und Paul Greengrass zum Franchise zurückkehren, weil | |
Gilroy/Renner offenbar an der Businessfront versagt haben – irgendwo im | |
griechischen Grenzgebiet untergetaucht ist. Dort verdient er sich seinen | |
Lebensunterhalt als Freestyle-Kämpfer und Wettobjekt unter Flüchtenden. Es | |
sieht nach einer ziemlich freudlosen Existenz aus. Könnte er es nicht wie | |
James Bond in „Skyfall“ machen: Wenn schon „off the grid“, dann mit Son… | |
Strand, Drinks und Sex? | |
So oft auch die Rede davon war, dass Daniel Craigs Bond nach dem Vorbild | |
von Bourne entstand, zeigt sich hier eben die wahre Bourne-Identität: Wo | |
„Bond“ stets von bösen Taten handelt, die absolut keine Konsequenzen haben, | |
schon gar nicht für den nächsten Film, geht es in „Bourne“ immer nur um d… | |
Konsequenzen. Der Mann hat Schlimmes erlebt, ist für Schlimmes | |
verantwortlich und erwartet nur Schlimmes von der Zukunft. Wozu auch fast | |
nichts weiter zu sagen ist – Matt Damon spricht im ganzen Film kaum mehr | |
als zehn Sätze. | |
Die Reden schwingen andere. Den Anfang macht Julia Stiles als Bournes | |
Exkollegin Nicky Parsons, die sich vom fernen Reykjavík aus Zugang zum | |
CIA-Computer in den USA verschafft, zielsicher auf den Ordner für die | |
„Black Ops“ zusteuert und dann auf einen Stick speichert, der sinnigerweise | |
in Großbuchstaben mit „Encrypted“ beschriftet ist. | |
Der Hack bleibt in der CIA nicht unbemerkt, wo mit Alicia Vikanders Heather | |
Lee ein glattes neues Gesicht auf die weltweiten Überwachungsbildschirme | |
starrt, das mit seinem Kontrast zu Tommy Lee Jones’ Tränensäcken, die | |
dieser als neuer CIA-Director zur Schau trägt, gewisse Akzente setzt. | |
Ohne tiefer in die dünne Handlung einzusteigen, sei beschrieben, dass sich | |
der Film wesentlich in drei Actionsequenzen teilt: eine rasante Verfolgung | |
durch ein von gewalttätigen Protesten ins Chaos gestürztes Athen, ein | |
raffinertes Katz-und-Maus-Spiel im Londoner Stadtteil Paddington und eine | |
unbedingt furios erscheinen wollende Autojagd durch Las Vegas. | |
## Snowden dreimal erwähnt | |
Um diese allesamt mit Bourne-typisch hoher Schnittfrequenz und ausgefeilter | |
Choreografie inszenierten und zweifellos beeindruckenden Actionsequenzen | |
herum sortiert der Film ein paar aktuelle Anspielungen, die das Gefühl von | |
Gegenwärtigkeit suggerieren sollen. | |
Snowden wird mindestens dreimal erwähnt – ohne dass je die ambivalente | |
Brisanz des Falls gemeint wäre. Genauso oberflächlich bleibt der Subplot um | |
einen „Social Media“-Unternehmer, der einst vom CIA Startkapital erhielt, | |
nun aber nicht länger seine Daten mit dem Geheimdienst teilen will. Statt | |
aber wirklich einen Streitfall wie den um die iPhone-Verschlüsselung | |
potenzieller Attentäter durchzudenken, zieht sich „Jason Bourne“ wieder ins | |
Ludlum-Universum zurück. Dorthin, wo das Morden noch Probleme löst und | |
dabei nur die Tragik der Helden zählt, während Passanten und Schergen | |
völlig beiläufig ins Gras beißen. | |
So bleibt „Jason Bourne“ zwar seiner Titelfigur treu, die im Handeln ohne | |
Identitätsverpflichtung aufgeht, aber das Gefühl des Neuen, das dem | |
Franchise vor Jahren anhaftete, hat sich völlig verschlissen. Was übrigens | |
nichts mit Matt Damon als Schauspieler zu tun hat, der mit zunehmenden | |
Alter immer nur besser wird. | |
11 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Barbara Schweizerhof | |
## TAGS | |
Hollywood | |
Matt Damon | |
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