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# taz.de -- Nationale Konstruktionen
> Kunst Immer wieder ruft die gefilmte Menge „Für das große Polen“, „Go…
> Ehre, Vaterland“ in einerInstallation von Piotr Wysocki. Er ist Teil der
> Ausstellung „Common Affairs“ in der Deutsche Bank KunstHalle
Bild: „Nowe Życie“ ist ein Projekt der Künstlerin Elżbieta Jabłońska
von Nina Monecke
Wenn es nach dem polnischen Außenminister Witold Waszczykowski geht, dann
sind Einrichtungen wie das Polnische Institut Berlin enge Verbündete der
polnischen Regierung. Zum Beispiel, um die polnische Geschichte oder Kultur
zu fördern. „Wir wollen, dass polnische Bürger, die im Ausland leben, als
Vertreter der Interessen der Republik auftreten“, so Waszczykowski.
Beim Polnischen Institut in Berlin ist derzeit in zehn Meter langen
Leuchtreklamelettern der Schriftzug „Neues Leben“ auf Polnisch zu lesen.
„Nowe Życie“ ist ein Projekt der Künstlerin Elżbieta Jabłońska. Sie
entdeckte die 40 Jahre alte Tafel bei einer verlassenen
Landwirtschaftsgenossenschaft in der Nähe ihrer Heimat Bydgoszcz. Dort
wurde die Konstruktion auf ein Ausflugsschiff verladen und langsam
schippernd nach Berlin transportiert.
„Neues Leben“ klingt optimistisch, nach einem Neuanfang. Angesichts der
Pläne des polnischen Außenministeriums, die Institute im Ausland zu
reformieren und eine neue Kulturdiplomatie zu etablieren, lassen sich die
Worte aber auch als ironisch-kritischer Auftakt der Ausstellung „Common
Affairs“ verstehen. Denn neu kann, muss aber eben nicht besser bedeuten.
In der Deutsche Bank KunstHalle verhandeln polnische Künstler neben den
Arbeitsbedingungen ihrer Branche vor allem Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft ihres Landes. Janek Simon greift in seinem Projekt „Real Poles“ zum
Beispiel eine alte Redewendung auf. Spricht man vom „echten Polen“, dann
ist eine Person gemeint, die konservativ und nationalistisch geprägt ist.
Eine Formel, die im aktuellen politischen Diskurs darüber, was es bedeutet,
polnisch zu sein, gerade wieder häufiger verwendet wird. Ob sein Projekt
„Real Poles“ politisch aufgeladen sei, beantwortet Simon trotzdem nur mit
einem Vielleicht. Zumindest mache er sich lustig. Die zierlichen Skulpturen
sind aus nicht zueinander passenden Teilen zusammengesetzt. Sie beinhalten
Elemente des Gottes Shiva sowie afrikanischer und mittelalterlicher
Kirchenfiguren, wirken skurril und vulgär.
Auch Piotr Wysocki beschäftigt sich in seinen Arbeiten mit polnischem
Nationalgefühl. „The Cross“ entstand nach einem der prägendsten Ereignisse
jüngerer polnischer Geschichte, dem Flugzeugabsturz bei Smolensk 2010, bei
dem der damalige Präsident Lech Kaczyński ums Leben kam. Fünf Tage nach dem
Unglück, über das bis heute Verschwörungstheorien bezüglich der
Verantwortlichen kursieren, stellten Pfadfinder ein Holzkreuz vor dem
Präsidentenpalast in Warschau auf. Der Platz wurde zum Ort des Gedenkens.
Wysocki filmte das Geschehen.
Das Ergebnis ist eine Videoinstallation aus mehreren kleinen Bildschirmen
und verschiedenen Blickwinkeln, angeordnet in Form eines Kreuzes. Immer
wieder ruft die gefilmte Menge „Für das große Polen“, „Gott, Ehre,
Vaterland“ oder den Namen des Bruders des verstorbenen Präsidenten,
Jarosław Kaczyński. Russland wird als Feind angesehen. Wysocki wahrt
Distanz. Seine Kritik, wie aus nationaler Trauer eine nationale Identität
gespeist wird, ist subtil.
Das Kreuz regte auch eine Debatte darüber an, ob christliche Symbole im
öffentlichen Raum der Trennung von Staat und Kirche entgegenstehen. Der
Einfluss der katholischen Kirche auf die polnische Politik ist groß. Die
Kirche ist eng mit der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS)
verbunden. Die forderte zuletzt ein „positives Geschichtsbild“.
Karol Radziszewski zeigt stattdessen ein alternatives Geschichtsbild. Für
sein Projekt, das er 2009 begann, interviewte er den Aktivisten Ryszard
Kisiel über homosexuelles Leben im kommunistischen Polen. Kisiel zeigte ihm
bis dahin unveröffentlichte Archivfotos seines Queer-Magazins Filo: Männer
in Strapsen, geschminkt, beim Analsex. Die Bilder entstanden als Antwort
auf Repressionen der Geheimpolizei gegen Homosexuelle 1985. Zu sehen ist
außerdem Kisiels Collage aus Donald-Duck-Stickern, die zu dem Wort „AIDS“
zusammengesetzt wurden.
Radziszewski, der im vergangenen Jahr das „Queer Archives Institute“
gründete, interpretiert seine Arbeit als „Identitätsprojekt“, ein
Gegenentwurf zu den Versuchen der Regierung, eine bestimmte nationale
Identität zu konstruieren. Mit Kunst könne er mehr erreichen als auf der
Straße. Und ob nun distanziert-kritisch oder offen politisch, diese
Kunstwerke sind sicher nicht das, was sich die polnische Regierung unter
dem „wahren Polen“ so vorstellt.
Bis 30. Oktober, Deutsche Bank KunstHalle, Unter den Linden 13/15, täglich
10–20 Uhr und Polnisches Institut, Burgstraße 27, Di.–Fr. 10–18 Uhr
23 Aug 2016
## AUTOREN
Nina Monecke
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