# taz.de -- Mosaik der Erinnerung | |
> Fotografie Bilder aus einem untergegangenen Land: Mit „Kontrast Syrien“ | |
> zeigt Mohamad Al Roumi im Museum für Islamische Kunst, wie seine Heimat | |
> vor dem Bürgerkrieg verfasst war | |
Bild: Syrien, vor dem Krieg: „Tor der Armut“ (Damaskus 2008) | |
von Nina Monecke | |
Wenn der syrische Fotograf Mohamad Al Roumi über das heutige Syrien | |
spricht, liegt seine Stirn in Falten. Leid und Zerstörung sind das, was die | |
Welt derzeit mit seiner Heimat verbindet. Al Roumi aber zeigt auf seinen | |
Bildern keine Trümmer und keine Menschen, die um getötete Angehörige | |
trauern müssen. Denn das Land, in dem der heute 71-Jährige groß wurde, hat | |
er in anderer Erinnerung: multiethnisch, farbenfroh und stolz. | |
Geboren wurde Al Roumi in Aleppo, wuchs dann in Tell Abiad nahe der Grenze | |
zur Türkei auf. Die kleine Steppenstadt im syrischen Mesopotamien ist ein | |
Mosaik verschiedener Religionen und Ethnien. Hier lebten Kurden, Turkmenen, | |
Jesiden, Syrer, Araber und Armenier zusammen. | |
Die Region hat Al Roumi nie losgelassen, seine halbnomadischen Wurzeln | |
beeinflussen bis heute seine künstlerische Arbeit. Seiner Kindheit in der | |
Steppe widmet er einen der beiden Teile seiner „Kontrast Syrien“-Schau im | |
Museum für Islamische Kunst. Die Hauptfarbe der Wüstenlandschaft sei zwar | |
eigentlich Braun, die Farben der Menschen kontrastierten aber die Erdtöne, | |
so Al Roumi. Er deutet dabei auf ein Foto, das Frauen und Kinder der Sbaa, | |
eines Kamelnomadenstammes, zeigt. Sie tragen lange farbige Gewänder mit | |
weiten Ärmeln und locker um den Kopf geschlungene Seidentücher. Die Frauen | |
schauen direkt und selbstbewusst in die Kamera. | |
Die Beduinen, die hier am Ufer des Euphrats mit ihrem Vieh leben, sind | |
sesshaft geworden. Sie wohnen in Zelten, deren Dächer sie aus Ziegenhaar | |
knüpfen. Bei Feuchtigkeit dehnt sich das Material aus, das Innere der | |
Häuser ist so vor Regen geschützt. Al Roumi kennt das Leben der Menschen, | |
die er fotografiert. Er versuche, sie in ihrer Einfachheit zu zeigen, | |
erzählt er in schnellem Französisch. Nie, sagt er, provoziere er besondere | |
Situationen. Diese Authentizität merkt man den Bildern, die zwischen 1976 | |
und 1998 entstanden, an. Auch spricht aus ihnen große Intimität: Die | |
Porträtierten hätten ihn als einen von ihnen akzeptiert. | |
Die Beduinen stellen nahezu alles, was sie zum Leben brauchen selbst her. | |
Daher stamme seine Leidenschaft für jede Art handwerklicher und | |
landwirtschaftlicher Arbeit, sagt Al Roumi, der früher auch als Maler | |
gearbeitet hat. Wann immer er in einer Stadt lebte, habe er sich dort auf | |
die Suche nach Orten des Handwerks begeben, etwa in Aleppo und Damaskus, wo | |
sich Autowerkstätten, Gießereien und Schmieden aneinanderreihen. Diese | |
Fotos, die den anderen Teil der Ausstellung bilden, sind in kontrastreichem | |
Schwarz-Weiß aufgenommen und entstanden in den Jahren 2008 und 2010. Damals | |
besuchte Al Roumi zum Beispiel ein armenisches Vater-Sohn-Paar in ihrer | |
Autowerkstatt in Aleppo. Die Armenier seien in Syrien berühmt für ihre | |
qualitativ hochwertige Arbeit. Wie bei den Beduinen müssen auch hier die | |
Kinder mithelfen. | |
Leider hängen diese Schwarz-Weiß-Fotos nicht in einem der Museumsräume, | |
sondern im Treppenhaus. Die meisten Besucher hasten so an den Fotografien | |
vorbei, ohne sie wirklich zu betrachten. | |
Oben am Treppenaufsatz blickt man direkt auf Al Roumis persönliches | |
Lieblingsbild der Schau, das er „Tor der Armut“ genannt hat. Vor dem | |
Eingang zum „Diebesmarkt“ im Zentrum von Damaskus verkaufen arme Menschen, | |
was sie entbehren können. Ein Mann sitzt auf der Bordsteinkante und putzt | |
gerade ein Paar Schuhe. Er trägt eine feine Stoffhose, Hemd und Weste. | |
Obwohl die Menschen hier nicht viel Geld haben, legen sie Wert auf ihre | |
Kleidung, um so ihre Würde zu bewahren. Das ist auch Al Roumi wichtig. | |
Seine Fotos seien keine „gestohlenen Bilder“, die unbemerkt aufgenommen | |
wurden. Die Menschen wissen, dass sie fotografiert werden, oft schauen sie | |
Al Roumi direkt an. | |
Zu der Ausstellung gehört außerdem das Video „Blau-Grau“ von 2002, das auf | |
internationalen Filmfestivals gezeigt wurde. Der Film sei eine Hommage an | |
ein Syrien, das bald untergehen wird, sagt Al Roumi. Nur wenige Sekunden | |
wird in dem gut 20-minütigen Clip gesprochen. Die Bilder sollen für sich | |
stehen. Und das tun sie auf faszinierende Weise – nicht zuletzt, weil sie | |
ein Land zeigen, das es so nicht mehr gibt. Syrien sei das erste Opfer der | |
islamistischen Fundamentalisten gewesen, so der Fotograf. Sie hätten die | |
Gesellschaft kaputt gemacht. Al Roumi selbst lebt in Paris. In seiner | |
Heimat war er seit über vier Jahren nicht mehr. | |
„Kontrast Syrien. Fotografien von Mohamad Al Roumi“. Bis 9. Oktober im | |
Museum für Islamische Kunst im Pergamonmuseum, Fr.–Mi. 10–18 Uhr | |
6 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Nina Monecke | |
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