# taz.de -- Schmerzen hat man nicht, oder man spricht nicht drüber | |
> Autobiografie Anstatt sich zuzumuten, hält sich die Modefotografin Elfie | |
> Semotan in ihren Erinnerungen aus ihrem Leben heraus | |
Wie ist dieses Buch wohl zustande gekommen? Wie stellt man sich im Verlag | |
den dazu passenden Leser vor? Vielleicht genügsam, womöglich naiv. In jedem | |
Fall darf er die Sache mit dem „persönlichen Erzählen“ nicht allzu wörtl… | |
nehmen, das Verleger Christian Brandstätterin mit seinen Künstlerbüchern | |
pflegen möchte. | |
„Eine andere Art von Schönheit“ ist Elfie Semotans Buch betitelt, im ersten | |
Augenblick klingt dieser Titel der „ersten Autobiografie der weltberühmten | |
Fotografin“ nach Grenzgang. Im besten Fall nach der Frage, was alles | |
ausgeschlossen und verspottet werden muss, bevor die Schönheit ihres | |
diskursiven Amtes walten kann. Doch das konnte im Grunde nicht sein. | |
Wer nur eines der makellos ausbalancierten Mode- und Porträtfotos der | |
ihrerseits perfekten Elfie Semotan, die im Juli ihren 75. Geburtstag | |
feiert, gesehen hat, konnte ahnen, dass die Reise dieser Autobiografie | |
nicht in Grenzgebiete, sondern ins Herz der absoluten Geschmackssicherheit | |
gehen würde. Der Takt hält den Rahmen, und noch im Ironischen, im | |
Originellen ihrer Perspektive wird jene Schönheit das Gleichgewicht wahren. | |
Eine subtile, für viele Verehrer Semotans unwiderstehlich elegante | |
Autorität ist ihr eigen. Sie habe einen besonderen Blick, ein Semotan-Bild | |
sei unverwechselbar, sagen die Bewunderer, ihre Kunst in meisterhafter | |
Weise subjektiv. | |
Doch der subjektive Blick der Fotografin scheint sich auf sprachlicher | |
Ebene nicht übersetzen zu lassen. Im Text herrscht komplette Affirmation, | |
Harmlosigkeit statt weiblicher Autorenschaft. Die eigenen Dramen der | |
Öffentlichkeit vorzuführen war lange Zeit männliches Vorrecht. Elfie | |
Semotan scheint die alte Rangordnung zu achten. Anstatt sich zuzumuten, | |
nennt sie Etappen und hält die eigene Seele heraus. | |
Die Kindheit auf dem Land. Die Mutter, die das Familienleben nicht erträgt | |
und geht. Die kleine Elfie will das ohne jeden Vorwurf sofort verstanden | |
haben. Keine Beziehung scheint je dramatisch ausweglos gewesen zu sein. | |
Schmerzen hat man nicht, oder man spricht nicht drüber. Sie studiert Mode, | |
modelt in Paris. In ihrer Beziehung zu dem Fotografen John Cook wird sie | |
selbst zur Fotografin und publiziert in den großen Magazinen der Welt. | |
Zwei Künstler (Kurt Kocherscheidt und Martin Kippenberger) waren ihre | |
Ehemänner. Ihr bester Freund ist der legendäre Designer Helmut Lang. Man | |
kann es sich kaum vorstellen, aber diese vor aufregenden Konstellationen | |
wimmelnde Autobiografie stellt keine einzige Frage. Nirgends die kleinste | |
Unterströmung oder ein Riff, an dem man sich wenigstens ein bisschen die | |
Erkenntnis ritzen könnte. | |
Alles ist klar, inklusive des Geredes darüber, wie wichtig es ist, sich im | |
Leben immer wieder verunsichern zu lassen. Es ist verblüffend, aber vom | |
anderen scheint dieses ferne Ich tatsächlich nicht mehr als höfliches | |
Staunen zu erwarten. | |
Elisabeth Wagner | |
Elfie Semotan: „Eine andere Art von Schönheit“. Bearbeitet von Ute Woltron. | |
Christian Brandstätter Verlag, Wien 2016, 240 Seiten, 192 Abb., 35 Euro | |
13 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Elisabeth Wagner | |
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