| # taz.de -- Interview mit Eisdielenbesitzer: „In Deutschland leckt man eher“ | |
| > Der Neuköllner Eismacher Domenico Richichi bewirbt sich darum, bester | |
| > Gelatiere Europas zu werden. Ein Gespräch über Konsistenzen, Olivenöl und | |
| > den Berliner Winter. | |
| Bild: In Italien würde man das Eis anders essen, weil es dort cremiger ist | |
| taz: Herr Richichi, stammen Sie wie die meisten Eismacher in Deutschland | |
| aus Norditalien? | |
| Domenico Richichi: Ich komme aus Süditalien. Ich mache Eis nach der | |
| sizilianischen Tradition, allerdings mit weniger Zucker. | |
| Warum ist sizilianisches Eis süßer? | |
| Es muss kälter sein, damit es im sehr heißen Sommer auf Sizilien nicht so | |
| schnell schmilzt. Und je kälter es ist, desto mehr Zucker braucht es. Der | |
| Zucker sorgt dafür, dass das Eis nicht so fest wird, sondern cremig bleibt. | |
| Warum ist die Konsistenz so wichtig? | |
| Es muss cremig sein, damit man es beißen kann. Nur so kommt man zu einer | |
| guten Portion im Mund. | |
| Wird das Eis deshalb in Italien eher gespachtelt? | |
| In Sizilien fließt das Eis sogar von der Spachtel in die Waffel. Es wird | |
| quasi gegossen. | |
| Wie Softeis? | |
| So ähnlich. Aber das ist in Deutschland nicht möglich. | |
| Warum nicht? | |
| In Italien wird das Eis pro Kilo verlauft, in Deutschland pro Liter. Daher | |
| ist es Vorschrift, den Portionierer zu verwenden. | |
| Und mit dem Portionierer muss das Eis fester werden? | |
| Ja, genau. Es muss härter sein, wenn man Kugeln formen will. Daher leckt | |
| man es hier eher. | |
| Vor zwanzig Jahren hießen alle Eiscafés Venezia, es gab vor allem die | |
| Sorten Schoko, Erdbeer, Vanille, Stracciatella. Bei Ihnen gibt es | |
| Schokoladeneis ohne Milch, Istanbul-Eis mit großen Mandel- und | |
| Pistazienstücken sowie die Sorte Kibana mit Kiwi, Banane, Ananas und | |
| Walnuss-Streuseln. Gehören Sie einer neuen Generation von Eismachern an? | |
| Wir benutzen auch Amarena! | |
| Ehrlich? | |
| Diese Sorte nennen wir Grog. Es ist eine Stracciatella mit | |
| Amarenakirschen-Soße und Haselnuss- und Mandelstreuseln. | |
| Also eine moderne Interpretation? | |
| Ja, vielleicht. Ich gebe zu: Die Eisrezepte haben sich verändert. Das Eis | |
| ist nicht mehr so süß, und es enthält auch weniger Fett. Der Geschmack der | |
| Menschen verändert sich, die Gastronomie passt sich an. Das gilt nicht nur | |
| für die Eisdielen. | |
| Sie machen auch beim Gelato-Festival mit, das heute beginnt. Mit welchem | |
| Eis bewerben Sie sich darum, bester Gelatiere Europas zu werden? | |
| Ich darf nicht viel verraten, deshalb nur: Es heißt Mediterrano, ist ein | |
| Sorbet aus Pistazie mit dem blumigen Duft von Orangenbäumen und Olivenöl, | |
| einer Karamellsoße und gerösteten Mandelstreuseln. | |
| Kann man noch mehr über eine Sorte erfahren?! – Ist Ihr Eis eigentlich bio? | |
| Beim Obst achte ich sehr darauf, dass es bio ist. Bei den Zitronen ist es | |
| beispielsweise besonders wichtig, dass sie nicht gespritzt sind, denn es | |
| wandern immer Teile von der Schale in den Saft – schon für den Geschmack. | |
| Bei anderen Dingen achte ich eher auf die Qualität. | |
| Gibt es bessere Produkte als Bioprodukte? | |
| Dazu erzähle ich mal eine kleine Geschichte. Ich verwende bei meinem Eis | |
| gern das Olivenöl meines Vaters. Er besitzt in Kalabrien einen Olivenhain, | |
| den er von seinem Großvater geerbt hat. Vor drei Jahren hat er ein | |
| Biozertifikat für sein Öl erworben. Dafür musste er mehr Geld bezahlen, als | |
| er mit den Oliven in vier Jahren verdienen kann. Das ist ein Problem für | |
| die kleinen Bauern in Italien. Sie stellen wunderschöne Produkte her, ganz | |
| ohne Chemie, können sich aber die Zertifikate dazu nicht leisten. | |
| Wie sind Sie zum Eismachen gekommen? | |
| Meine Großmutter hat Eis gemacht. Als ich beschloss, das Eismachen zu | |
| lernen, war sie schon verstorben. Ich war total verloren, denn in Italien | |
| bieten alle möglichen Firmen Kurse an. Es gibt Kurse mit und ohne Theorie, | |
| mit und ohne Herstellung, mit und ohne Verkauf. Manche dauern drei Wochen, | |
| andere drei Monate. Ich war ratlos. | |
| Und dann? | |
| Dann stellte mir eine Freundin einen alten Gelatiere vor, aus einem kleinen | |
| Dorf in der Nähe von Rom. Er fragte mich, was ich vorhätte: ob ich das Eis | |
| anderer herstellen wollte oder mein eigenes. Als ich ihm sagte, dass ich | |
| mein eigenes Eis machen will, durfte ich bei ihm in die Ausbildung gehen. | |
| Sieben Monate lang, jeden Tag von sechs Uhr morgens bis abends um neun. Es | |
| war wirklich toll. | |
| Und danach kamen Sie gleich nach Deutschland? | |
| Ja, 2011. Im ersten Jahr habe ich ausschließlich versucht, Deutsch zu | |
| lernen. Und am 30. Juni 2012 habe ich meine Eisdiele eröffnet. | |
| Und wie läuft es seitdem? | |
| Ich müsste mein Eis teurer machen, aber das schaffen die Berliner nicht. | |
| Auch wenn diese Stadt genau deshalb so schön ist: Die Berliner haben nach | |
| wie vor viel zu wenig Geld. Noch lebe ich also von meinem Ersparten. | |
| Was machen Sie im Winter? | |
| Ich mache es nicht wie die Gelatieri in Deutschland, die meist in Italien | |
| überwintern. Sondern wie die Gelatieri in Italien, die im Winter als | |
| Konditorei arbeiten. Ich biete Kaffee und italienisches Gebäck an. | |
| Auch aus eigener Herstellung?Natürlich! | |
| 6 Jul 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Messmer | |
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