# taz.de -- Topp oder hopp | |
> BerichtDie Bildungsexpansion setzt sich fort. Aber nicht für alle | |
Bild: Kinder mit Migrationshintergrund legen zu | |
BERLINtaz| Die Deutschen werden immer gebildeter. So haben knapp 45 Prozent | |
der unter 35-Jährigen die Fach- oder Hochschulreife, ein doppelt so hoher | |
Anteil wie in der Elterngeneration der über 60-Jährigen. Das ist die gute | |
Nachricht [1][des aktuellen Berichts „Bildung in Deutschland 2016“], den | |
die Kultusministerkonferenz und das Bundesbildungsministerium am Donnerstag | |
vorstellten. | |
Die schlechte: Ein Teil der Bevölkerung ist von der Bildungsexpansion | |
faktisch abgekoppelt. So hat jeder sechste Bundesbürger keinen beruflichen | |
Abschluss, unter den Menschen mit Migrationshintergrund ist es sogar fast | |
jeder dritte. | |
Das Wissenschaftlerkollektiv, welches die Daten alle zwei Jahre | |
zusammenträgt, empfiehlt daher den Politikern, die die Datensammlung als | |
Grundlage ihrer Bildungspolitik begreifen, den Blick verstärkt auf jene | |
gering Qualifizierten zu richten. | |
Es ist die sechste Gesamtschau des deutschen Bildungssystems in zehn | |
Jahren. Und wie schon beim ersten Bericht liegt der Fokus in diesem Jahr | |
erneut auf den Menschen mit Migrationshintergrund. | |
Sie stellen ein Fünftel der Bevölkerung, bei den unter 10-Jährigen liegt | |
der Anteil sogar bei einem Drittel. Tatsächlich gelang es in den letzten | |
Jahren immer mehr Menschen mit ausländischem Pass zumindest einen Mittleren | |
Schulabschluss zu erreichen, auch unter den HochschulabsolventInnen stieg | |
der Anteil der ausländischen Jugendlichen – allerdings langsamer als jener | |
mit deutschem Pass. | |
Aktuell kommen noch die Menschen hinzu, die in Deutschland Schutz vor Krieg | |
und Verfolgung suchen. Über die Hälfte derjenigen, die 2015 in Deutschland | |
Asyl beantragten, ist jünger als 25 Jahre. Die Wissenschaftler haben | |
errechnet, dass allein für ihre Integration ins Bildungssystem bis zu | |
44.000 zusätzliche PädagogInnen nötig sind. Kosten: bis zu 3 Milliarden | |
Euro pro Jahr. | |
Der Bildungsbericht dokumentiert auch einen ungebrochen engen Zusammenhang | |
zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg. Das beginnt bereits im | |
Kindergarten. Obwohl von den 3- bis 6-Jährigen 95 Prozent eine Kita | |
besuchen haben, insbesondere Kinder von Eltern mit niedrigem Schulabschluss | |
sowie aus Familien, in denen am Küchentisch nicht Deutsch gesprochen wird, | |
herrscht bei der Einschulung Sprachförderbedarf. | |
Die Segregation setzt sich im Schulsystem fort. Kinder, deren Eltern einst | |
einwanderten, sowie jene, deren Eltern wenig Bildung genossen, sind | |
überproportional häufig an Haupt- und Förderschulen zu finden, was sich | |
wiederum auf die beruflichen Chancen auswirkt: „Personen ohne | |
Schulabschluss sind faktisch chancenlos, der Hauptschulabschluss bietet nur | |
Zugang zu einem sehr eingeschränkten Segment von Berufen“, sagt der | |
Sprecher der Autorengruppe Kai Maaz. | |
Neben herkunftsbedingten kristallisieren sich immer stärker auch regionale | |
Unterschiede heraus. So sehen die Wissenschaftler ein Nord-Süd-Gefälle in | |
der Bildung. Im einigen Regionen Schleswig-Holsteins oder | |
Nordrhein-Westfalens haben sich sogenannte prekäre Ausbildungsmärkte | |
entwickelt, wo es trotz allgemeinen Geburtenrückgangs und des von der | |
Wirtschaft beklagte Fachkräftemangels deutlich mehr Bewerber als | |
Ausbildungsplätze gibt. Felix Hackenbruch Anna Lehmann | |
17 Jun 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bmbf.de/de/bildung-in-deutschland-2016-3010.html | |
## AUTOREN | |
Felix Hackenbruch | |
Anna Lehmann | |
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