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# taz.de -- Wer nicht kürzt, der spart
> KÖNIGSRECHT Während die CDU auf die Möglichkeit verzichtet, versuchen FDP
> und Linke Bremen über die Haushaltsgesetze mitzugestalten – mit
> gegensätzlicher Tendenz
Bild: Wer wenig hat, muss länger zählen: Knete
von Benno Schirrmeister
Am Bequemsten macht es sich die CDU: FDP-Fraktion und Die Linke und sogar
das rot-grüne Regierungslager haben fleißig fast 200 Einzeländerungsanträge
formuliert. Sie werden damit die Beratungen des Haushalts- und
Finanzausschusses kommende Woche zu einem erheblichen Konditionstest
machen. Die größte Oppositionsfraktion jedoch gefällt sich in einer
fundamentalistischen Pose: Als hätte sie Theodor W. Adornos „Minima
Moralia“ für sich entdeckt – und missverstanden – wird sie nur einen
Pauschal-Antrag zum Doppelhaushalt 2016/17 ins Parlament einbringen.
Einzelanträge: keinen.
Es gibt kein richtiges Leben im Falschen heißt bei den Christdemokraten:
„Durch Änderungsanträge allein ließen sich die systematischen Mängel, die
sich durch alle Bereiche der Haushaltsentwürfe ziehen, nicht korrigieren.“
Die „grundlegend falsche Schwerpunktsetzung“ lasse sich „nicht durch eine
Veränderung einzelner Haushaltsstellen heilen“.
Dabei ist Haushaltsgesetzgebung das Werkzeug, mit dem das Parlament das
Gemeinwesen am meisten gestalten kann. Es nicht zu nutzen, kommt einem
Politikverzicht gleich. Den könnte die FDP-Fraktion als Argumentationshilfe
für ihren Antrag verwenden, bis 2018 die gesetzliche Diäten-Erhöhung
auszusetzen, was 650.000 Euro sparen würde. Das ist zu betonen, weil der
Effekt bei vielen der 97 liberalen Änderungsanträge so klar nicht ist. Und
statt zu behaupten, sie hätte mit denen „mal eben 200 Millionen Euro
gespart“, müsste die Liberalen-Fraktion daher richtigerweise sagen, dass
sie „mal eben 200 Millionen Euro gekürzt“ hat – ob’s was bringt, oder
nicht. Und sogar: Koste es, was es wolle. Denn einige Anregungen kämen
Bremen teuer: So schlägt die FDP vor, das Beschäftigungspolitische
Aktionsprogramm (BAP) von vier Millionen auf Null zu setzen. Dass Bremen,
weil es diese vier Millionen Euro aufwendet, elf Millionen aus dem
Europäischen Sozialfonds erhält, würde die Kürzung selbst dann zum
Verlustgeschäft machen, wenn das BAP keine Effekte hätte.
Die Linksfraktion verfolgt einen komplett gegensäztlichen Ansatz. Bremen
sei, so deren Finanzpolitiker Klaus-Rainer Rupp am Montag, in einer
prekären Lage. Neben der Herausforderung durch die rund 15.000
Geflüchteten, müsse das Land sein Armutsproblem aktiv angehen. Hier habe
die Koalition versagt. „Das Versprechen, die soziale Spaltung zu
überwinden, hat Rot-Grün nicht eingelöst“, so Rupp.
Dabei würden Bremens soziale Schulden auch ökonomisch verheerend wirken.
Die Armut koste „nicht weniger als ein weiterer 30 Milliarden-Kredit“; das
indiziere der Sozialhaushalt. Zugleich gebe es einen Sanierungsstau bei
Straßen und Gebäuden. Am Ende stiegen dadurch die Reparaturkosten – die,
das stehe zu befürchten, unter den ab 2020 geltenden Bedingungen der
Schuldenbremse gar nicht mehr vom Staat in Angriff genommen werden könnten.
Trotzdem habe die Fraktion den Haushaltsentwurf geflöht. „Wir können
präzise sagen: an welchen Stellen es zu wenig ist“, so Rupp. Auf 240
Millionen Euro weitere Ausgaben sei man gekommen, „und nichts davon ist
‚Schöner Wohnen‘“.
Die Linksfraktion erwartet, dass Bremen angesichts der aktuellen
Niedrigzinssätze 25 Millionen Euro jährlich durch Zins-Swapping sparen
könnte. Dann wären, so Rupps Kalkül, die geforderten zusätzlichen Ausgaben
2016 gegenfinanziert, und „damit hielte Bremen in diesem Jahr die Vorgaben
der Sanierungsvereinbarung ein“. Zugleich müsse das Land diesen Kurs aber
2017 verlassen, auch um den Preis des Verzichts auf die jährlich 300
Millionen Euro Bundesbeihilfen. „Man richtet sonst einen Schaden an, der
nicht wieder gut zu machen ist“, so Rupp.
Von der Tendenz her decken sich die Änderungswünsche von der Linken mit
denen des Regierungslagers: Wie die Linke haben gestern auch SPD und Grüne
gefordert, die Zielzahl bei der Polizei auf 2.600 Angestellte zu erhöhen,
was einen historischen Höchststand bedeuten würde. Ebenso halten die
Koalitionäre es für nötig, LehrerInnen einzustellen. Doch wo Rot-Grün 56
zusätzliche Stellen will, hält Die Linke den Bedarf für mehr als zehnmal so
hoch: Sie fordert 576 neue Vollzeitstellen, und 100 statt 50 weiterer
Referendariatsplätze.
Um Migrations- und Armutsfolgen in der Schule zu bewältigen, sei oft
Doppelbesetzung geboten, erläutert die Fraktionsvorsitzende Kristina Vogt:
„Wir haben einen starken Zusammenhang zwischen Bildung und Armut.“ Der habe
sich in den vergangenen 30 Jahren verfestigt. Bremen brauche deshalb „in
den benachteiligten Stadtteilen eine aufholende Entwicklung“.
31 May 2016
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
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