# taz.de -- Die Polizei erstickt Proteste im Keim | |
> ÄGYPTEN Zahlreiche Gruppen hatten dazu aufgerufen, am 25. April gegen den | |
> „Verkauf“ zweier Inseln an Saudi-Arabien auf die Straße zu gehen. Die | |
> innenpolitische Kontroverse war dabei eher der Anlass | |
AUS KAIRO Karim El-Gawhary | |
Es war der Versuch, in Ägypten politischen Raum auf der Straße | |
zurückzugewinnen. Mehrere Oppositionsgruppen, von säkularen | |
Jugendaktivisten über Linke bis hin zur verbotenen Muslimbruderschaft, | |
hatten dazu aufgerufen, sich am 25. April unter dem Motto „Unser Land steht | |
nicht zum Verkauf“ in Kairos Innenstadt zu Protestmärschen zu versammeln. | |
Doch zumindest bis Redaktionsschluss waren diese Kundgebungen durch ein | |
massives Sicherheitsaufgebot in der Innenstadt unterbunden worden. Rund um | |
die erwarteten Versammlungsorte wurden sowohl Aktivisten auch als | |
mindestens fünf ägyptische Journalisten verhaftet. | |
Anlass für die angekündigten Proteste war eine Übereinkunft, die der | |
ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi diesen Monat bei einem | |
Staatsbesuch des saudischen Königs Salman getroffen hatte. Demnach sollen | |
zwei unbewohnte, aber strategisch wichtige Inseln im Roten Meer am Golf von | |
Akaba an Saudi-Arabien abgegeben werden. Da Riad gleichzeitig | |
Milliardenkredite angekündigt hatte, kam es in Ägypten zu einem Aufschrei, | |
al-Sisi verkaufe Teile des Landes an Saudi-Arabien. | |
Vor zehn Tagen kam es bereits zu den bisher größten Demonstrationen, seit | |
das Regime in November 2013 de facto ein Demonstrationsverbot erlassen | |
hatte. Mehrere tausend Demonstranten hatten sich in Kairos Innenstadt | |
versammelt und riefen wie zu Zeiten des Aufstands gegen den ehemaligen | |
Präsidenten Husni Mubarak zum Sturz des Regimes auf. „Erst verkaufen sie | |
zwei kleine Inseln, dann vielleicht das ganze Land. Statt den Saudis | |
Geschenke zu machen, sollten sie sich lieber um die Jugend hier im Land | |
kümmern“, erklärte die Studentin Fatima an jenem Tag gegenüber der taz. | |
Für viele Demonstranten war die Abgabe der Inseln nur ein Anlass. „Wir | |
müssen das Land vom Militärregime reinigen“, forderte ein älterer | |
Demonstrant, der anonym bleiben wollte. „Seit drei Jahren herrschen Folter, | |
Mord, Terrorismus, Zerstörung, Preiserhöhungen und Korruption. Ich habe die | |
ägyptischen Präsidenten Nasser, Sadat, Mubarak und Mursi erlebt. Al-Sisi | |
ist eindeutig der schlimmste“, fügte er hinzu. | |
Es ist ausgerechnet der ägyptische Nationalismus, mit dem die Militärs und | |
Al-Sisi in den letzten Jahren Anhänger mobilisiert hatten, der sich nun in | |
der Insel-Frage gegen sie wendet. Symbolisch suchte sich die Opposition den | |
25. Januar für ihre angekündigten Protest aus. An diesem Tag, dem | |
„Sinai-Befreiungstag“, wird der Rückgabe der Halbinsel Sinai von Israel an | |
Ägypten 1982 gedacht. | |
Schon in den Tagen zuvor herrschte eine regelrechte Hysterie seitens der | |
Machthaber. Al-Sisi hatte in einer Rede erklärt, er werde keine Versuche | |
erlauben, Ägyptens Sicherheit zu bedrohen. Innenminister Magdy Abdel | |
Ghaffar hatte gewarnt, dass seine Truppen mit „äußerster Härte“ gegen al… | |
vorgehen würden, die die öffentliche Sicherheit stören. Staatlich | |
kontrollierte Medien sprachen davon, dass „die Proteste im Sand begraben | |
werden“. | |
Bereits im Vorfeld des 25. April kam es zu einer Verhaftungswelle. Laut der | |
ägyptischen Menschenrechtsorganisation EIPR sollen über 90 Menschen in acht | |
Provinzen festgenommen worden sein, um Demonstrationen zu verhindern. „Die | |
Polizei hat vornehmlich junge Menschen in Cafés im Zentrum Kairos, an | |
U-Bahn-Stationen und an Straßensperren oder in ihren Häusern festgenommen“, | |
heißt es in einer Erklärung. | |
26 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Karim El-Gawhary | |
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