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# taz.de -- Überkommene Altväterlichkeit
> Ausstellung Die alten Väter verschleiern und neue suchen: Um Vaterfiguren
> in der Gesellschaft und Kunst geht es in „Father Figures Are Hard To
> Find“ – eine Schau der NGBK in Kreuzberg
Bild: Maskenspiel mit Motiven aus der schwulen Subkultur: Rotimi Fani-Kayode: �…
von Inga Barthels
Was heißt es heutzutage, Vater zu sein? Wer kann zur Vaterfigur werden, wem
bleibt das verwehrt? Welche Formen der Väterlichkeit sind heute noch
relevant? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Gruppenausstellung „Father
Figures Are Hard To Find“ in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst
(NGBK) in Kreuzberg.
Die Lyrics von George Michaels „Father Figure“ sind gleich am Eingang zu
hören: „I will be your father figure“, singt er, „I will be the one who
loves you – till the end of time.“ Der Song war 1988 ein Hit, damals hatte
sich der Sänger noch nicht geoutet. Zwei Jahre später sorgte das Buch
„Families We Choose“ der Anthropologin Kath Weston für Aufruhr. Sie
beschreibt, wie sich Schwule und Lesben in den USA selbst neue Familien
schaffen, die nichts mit ihren genetischen Familien zu tun haben. Neue
Formen der Verwandtschaft jenseits der Biologie und traditioneller
Familienbande, das ist eines der Themen der Ausstellung.
Doch es geht auch um biologische Väter. Explizit mit der Vaterfigur setzt
sich Konrad Mühe in seinem Kurzfilm „Fragen an meinen Vater“ auseinander.
Es geht um einen berühmten Vater, den Schauspieler Ulrich Mühe, der 2007 an
Krebs starb. Mühe verwendet Filmausschnitte, in denen sein Vater in
verschiedenen Rollen spricht. Konrad Mühe selbst kommt im Film nicht zu
Wort, und doch wirkt der Film wie ein Gespräch, das Unsicherheit,
Verbitterung, Versöhnung zwischen Vater und Sohn thematisiert. Dabei werden
Vorwürfe an den Vater laut, Selbstzweifel, ob der öffentliche Umgang mit
den Gefühlen der richtige Weg ist, und Resignation, dass das Verhältnis nie
perfekt sein wird. „Es ist etwas zwischen dir und mir, was uns trennt, ich
weiß ihm keinen Namen“, sagt Ulrich Mühe in einer der Szenen. Der Film ist
ein bewegender Einblick in eine komplizierte Vater-Sohn-Beziehung.
## Symbolische Väter
Auch mit Vätern im weiteren Sinne – Vater Staat und Vater Religion –
beschäftigt sich die Ausstellung. Der in Polen geborene Künstler Przemek
Pyszczek empfindet in seinen quietschbunten „Facade Paintings“ die Fassaden
der Plattenbausiedlungen in Warschau nach, die nach dem Fall des Eisernen
Vorhangs mit Farben und Grafiken bemalt wurden, die den wirtschaftlichen
Aufstieg symbolisieren sollten. Michaela Meise zeigt zwei Skulpturen aus
ihrer Reihe „Mare Nostrum“ – benannt nach der italienischen Rettungsaktion
von Geflüchteten aus Seenot. Die Skulpturen stellen die ersten ChristInnen
dar, die in einem Boot von Palästina nach Europa kamen und sich hier
ansiedelten. Christliche Religion als Ausgangspunkt für Nächstenliebe,
nicht als Abschottungsgrund gegen alles Fremde.
Sinnbildlich für die Ausstellung ist das Werk der israelischen Künstlerin
Naama Arad. Ihre Installation zeigt die Präsidentenköpfe des Mount Rushmore
in den USA, monumentales Denkmal männlicher Herrschaft. Doch die Sicht auf
das Motiv ist verschleiert, gebrochen durch einen seidenen Vorhang. Die
Ausstellung ruft das Ende des klassischen, weißen, heterosexuellen
Patriarchen aus.
Die KuratorInnen lassen auch Künstler zu Wort kommen, die sie als
alternative Vaterfiguren der Kunst ansehen. So sind erstmals fünf
Zeichnungen des 1991 an Aids gestorbenen Schriftstellers Ronald M.
Schernikau zu sehen, der in seiner 1980 erschienenen „Kleinstadtnovelle“
das Leben eines offen schwulen Teenagers in seiner Heimatstadt Lehrte
beschrieb. Später ging er als einziger Westdeutscher an das
Literaturinstitut in Leipzig. Die ausgestellten Werke greifen
Zeitungsbilder auf, denen Schernikau einen homoerotischen Unterton
verleiht.
Rotimi Fani-Kayode ist ein anderer, der es nie ganz in den Kanon der
Kunstgeschichte geschafft hat – zu schwarz, zu schwul, zu unangepasst.
Fani-Kayode wurde in Nigeria in eine mächtige Yorubafamilie geboren. 1966
kam er als elfjähriger Kriegsflüchtling in England an. Als er sein
Coming-out hatte, wurde er von der Familie verstoßen. Neben seiner
künstlerischen Arbeit als Fotograf engagierte sich Fani-Kayode bis zu
seinem Tod 1989 gegen Aids.
In seinen Fotografien beschäftigt sich Fani-Kayode mit dem Exil und mit den
Widersprüchen seiner Kultur und seiner Sexualität. Traditionelle
afrikanische Gewänder und Masken bringt er zusammen mit Motiven aus der
schwulen Subkultur. Rotimi Fani-Kayodes beeindruckende Fotografien und
seine Lebensgeschichte zeigen, dass es Zeit wird für neue Vaterfiguren –
nicht nur in der Kunst.
NGBK: „Father Figures Are Hard To Find“. Bis 30. April, täglich 12–19 Uh…
Mi.–Fr. bis 20 Uhr, Oranienstraße 25. Begleitprogramm unter ngbk.de
2 Apr 2016
## AUTOREN
Inga Barthels
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