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# taz.de -- Als die moderne Kunst wieder gefragt war
> Provenienz Die systematische Erforschung vieler Museumsbestände begann
> spät. In Berlin wurden neue Erkenntnisse zu einer Sammlung präsentiert,
> die 1945 den Anstoß zum demokratischen Neuanfang in den Museen gab
Bild: Aufkleber der Galerie des 20. Jahrhunderts, auf der Rückseite von Karl H…
Provenienzforschung? Bis vor Kurzem konnten selbst nur wenige
Wissenschaftler etwas mit dem Begriff anfangen. Der neue Berufszweig von
Kunst- und Kulturhistorikern speist sich nicht zuletzt aus dem generell
gewachsenen Bewusstsein für die Geschichte von Sammlungen und Archiven. An
den staatlichen Museen Berlin war bereits 2008 eine Arbeitsstelle für
Provenienzforschung unter der Leitung des Kunsthistorikers Uwe Hartmann
eingerichtet worden.
Doch erst seit 2013 erlebt die Provenienzforschung einen regelrechten Hype.
Der „Fall Gurlitt“ mit dem allgegenwärtigen Verdacht auf „Raubkunst“ h…
deren Ergebnisse zur Urteilsgrundlage über die Rechtmäßigkeit der Bestände
von öffentlichen Sammlungen, Museen und Bibliotheken gemacht.
Generelle Aufgabe der Provenienzforschung ist es, Sammlungsstücke in ihren
Kontexten zu erforschen. Hinzu kommt nun das Ziel, diejenigen Kunstwerke zu
identifizieren, bei denen zwischen 1933 und 1945 ein
„NS-verfolgungsbedingter Entzug“ vorliegt und diese zu restituieren. In
diesem kulturpolitischen Umfeld ist es kein Zufall, dass 2010 ein
Forschungsprojekt zu einer heute nahezu unbekannten Sammlung, der „Galerie
des 20. Jahrhunderts“, gestartet wurde, deren Bestände sich als Leihgabe
des Landes Berlin in der Sammlung der Nationalgalerie befinden.
Zwei Veranstaltungen im Hamburger Bahnhof verliehen der Aufarbeitung dieses
nahezu vergessenen Kapitels der Berliner Stadtgeschichte neue
Aufmerksamkeit. Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz,
Hermann Parzinger, Kulturstaatsekretär Tim Renner und der Generaldirektor
der Staatlichen Museen, Michael Eissenhauer, gaben kulturpolitischen
Rückenwind.
Bernhard Maaz, jetzt Generaldirektor der Bayerischen
Staatsgemäldesammlungen, ordnete dieses Museumsprojekt in einem kurzen
Vortrag ein. Die „Galerie des 20. Jahrhunderts“ wurde im Sommer 1945 als
ein Anstoß zum demokratischen Neuanfang in der Museumslandschaft Berlins
begonnen. Ludwig Justi, der in den 1920er Jahren bedeutende Direktor der
Nationalgalerie, erschien als ideale Besetzung für den Aufbau einer
Sammlung der Moderne, um die eingetretenen Verluste in den Berliner
Sammlungsbeständen zu ersetzen. Er hatte seit 1919 im Kronprinzenpalais die
weltweit erste Dauerausstellung für die zeitgenössische „klassische
Moderne“ geleitet, bis zur ersten „Säuberung“ der Museen im Frühjahr 19…
Neben Justi war Adolf Jannasch in der Magistratsverwaltung der Impulsgeber.
Erste Ankäufe von Werken Max Pechsteins oder Karl Schmitt-Rottluffs
markierten 1947 das ästhetische Gegenprogramm zum kulturkonservativen
Akademismus der NS-Kunstpolitik. Bereits 1948 spaltete sich Großberlin in
Ost und West. Justi blieb als Generaldirektor der Staatlichen Museen mit
den ersten 300 Sammlungsstücken im Osten. Im Westen startete Adolf Jannasch
die Sammlung neu und begann wiederum mit Max Pechstein. Bis zur Eröffnung
der Neuen Nationalgalerie in der Architektur Ludwig Mies van der Rohes
1968, die diesen Bestand überwiegend aufnahm, hatten sich 1.700 Werke
angesammelt.
In einer vertiefenden Diskussion wurde aus verschiedenen Perspektiven
Expertenwissen versammelt. Die Provenienzforscherinnen Hanna Strzoda und
Christina Thomson erläuterten die Arbeitsstrategien und Ergebnisse ihrer
Dokumentation, die sowohl als Buch als auch auf der gerade freigeschalteten
Website www.galerie20.smb.museen veröffentlicht sind.
In einem weiteren Vortrag von Thomson wurde nachvollziehbar, was
theoretisch alles zu einer Objektbiografie gehört: Es geht um die
Einordnung der Werke, die Verläufe der Erwerbungen vom Künstler, um die
damit handelnden Galerien und deren Preise, bis zu den Besitzern der
Kunstwerke schließlich. All dies nachzuzeichnen gelingt nur in begrenztem
Maße vollständig.
Im Falle der „Galerie des 20. Jahrhunderts“ wurden circa 500 Kunstwerke
untersucht, bei fünf „NS-verfolgungsbedingter Entzug“ erkannt und diese
restituiert. Bei einigen blieb Unklarheit. Die große Zahl der Kunstwerke
ist unbelastet. Erstaunlich erscheint nur, dass diese systematische
Forschungsarbeit erst so lange nach 1945 begonnen wurde. Wolfgang Ruppert
23 Mar 2016
## AUTOREN
Wolfgang Ruppert
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