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# taz.de -- Feminismus: Fehlanzeige
> Glaube Frei von Fremdkonstruktionen: Ethnologin Susanne Schröter legt
> eine beeindruckende Studie über fromme Muslime – vor allem Muslimas – vor
Seit der Islamische Staat in Syrien und im Irak wütet und sein totalitäres
Weltbild auch im Westen Anhänger zu mobilisieren vermag, hat die Debatte
über das zivilgesellschaftliche Verständnis des Islam an Schärfe gewonnen.
Es ist eine Debatte, die oft ohne ausgeprägte Kenntnisse über muslimische
religiöse Lebensrealitäten geführt wird und in Stereotypen festfriert. Mit
„Gott näher als der eigenen Halsschlagader“ legt Susanne Schröter eine
empirisch beeindruckend tiefe Untersuchung über fromme Muslime in Wiesbaden
vor, die diese Stereotypisierung meidet.
Als Ethnologin geht es ihr darum, fromme Lebenswelten und Sinnstrukturen
aus ihrer Innensicht zu entschlüsseln. In den Vordergrund rückt damit keine
weitere Fremdkonstruktion, sondern die Selbstkonstruktion frommer
Muslime. Durch teilnehmende Beobachtung des Gemeindelebens, vor allem aber
in zahlreichen, lebensgeschichtlich orientierten Gruppen- und
Einzelgesprächen kommen prominent die Gläubigen selbst zu Wort. Wobei es
vornehmlich Mädchen und Frauen sind, für deren Glaubensalltag sich Schröter
interessiert und mit denen sie die intensivsten Gespräche geführt hat.
Die Stärke der Studie liegt darin, dass sie die Vielfältigkeit des
muslimischen Lebens keiner groben Verallgemeinerung unterwirft. Das gilt
sowohl für das breite Spektrum der Moscheegemeinden, mit denen Schröter uns
bekannt macht und das von Sufi-Orden bis hin zu Hardlinern reicht, die die
Aufregung nicht verstehen, wenn Salafistenprediger zu Moscheeworkshops
eingeladen werden.
Das gilt aber auch bezüglich der Lebensentwürfe, die wir im O-Ton nachlesen
können. Jede Altersstufe ist hier vertreten und jeder Bildungsgrad von
sozialer „Brennpunktexistenz“ bis zur Akademikerkarriere. Bei all dieser
Vielfalt legt Schröter das normative Fundament frei, das den verschiedenen
Varianten frommen Muslimseins zugrundeliegt.
## Buchstabengetreue Koranauslegung
Fast alle Moscheen predigen einen möglichst buchstabengetreuen Glauben, die
„Gesetze“ des Islam, Koran und Sunna, gelten als Leitlinien in allen
Lebenslagen. Favorisiert wird damit auch eine stockkonservative, von der
natürlichen Ungleichheit von Frau und Mann überzeugte heterosexistische
Geschlechterordnung, in der die möglichst frühzeitige Segregation der
Geschlechter als wünschenswerte Wirklichkeit idealisiert wird. Wie diese
Normen ihre Spuren in den Glaubenswelten der Muslime hinterlassen,
dokumentiert sich in den langen Gesprächen der Studie.
Was die Frauen eint, ist das bemerkenswerte Bedürfnis, sich einer ordnenden
Autorität, Allah, dem Koran und seinen textuellen Wahrheiten zu
unterwerfen. Das heißt dann leider auch, dass frauenfeindliche Passagen des
Koran – von der Legitimität des Schlagens „aufsässiger“ Ehefrauen bis zu
den sexuellen Regulations- und Verhüllungsgeboten, die restriktiv vor allem
auf Mädchen und Frauen zielen – nicht einfach auf dem Müllhaufen der
Geschichte entsorgt werden können.
Vielmehr werden sie in gewundenen Argumentationen auch von muslimischen
Frauen immer wieder gerechtfertigt. Hier zeichnet sich auch eine Tendenz
zur Fundamentalisierung vor allem der jüngeren Generation ab, bei der zu
gelten scheint: Je fester das Kopftuch um die Stirn geschlossen, desto
gottesfürchtiger und moralisch besser die Muslimasxistenz.
Mit dieser Religion ist, auch wenn sich das islamophil veranlagte Linke
wünschen mögen, kein feministischer Blumentopf zu gewinnen. Und damit auch
keine kritische Haltung, die der totalitären Friedhofsruhe des Ultraislams
Substanzielles entgegenzusetzen hätte. Eva Berger
Susanne Schröter: „Gottnäher als der eigenen Halsschlagader“. Campus 2016,
402 S., 34,95 Euro
16 Mar 2016
## AUTOREN
Eva Berger
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