# taz.de -- Zwischen den Rillen: Feinschmecker an der Nordsee | |
Moomin: „A Minor Thought“ (Smallville/Word & Sound) | |
Es tut sich was im House-Sektor. Blutete Liebhabern des klassisch-souligen, | |
im Disco beheimateten Dancefloor-Sound zuletzt das Herz, wenn zu viel an | |
harschem White-Noise-Lärm und an Industrialmusic-Verstörung die Tanzflächen | |
zur Peaktime beschallt hatte, so gibt es auch immer wieder Künstler, die | |
kurzlebige Moden und Entwicklungen umzukehren wissen. | |
Der gebürtige Kieler Sebastian Genz alias Moomin nimmt auf seinem zweiten | |
Album „A Minor Thought“ erst mal das Tempo zurück. Behutsam ausgewählte | |
Jazz- und Soulsamples zieren seine analog produzierten Tracks. Damit ist er | |
eingebettet in die Klangsignatur seiner Labelkollegen vom Hamburger | |
Smallville Label. Es scheint fast, als habe Moomin mit seinem Housesound | |
die Oldschool-Werte von HipHop für sich wiederentdeckt. Auch musikalisch | |
steht Moomin, der über HipHop und UK-Breakbeat zur elektronischen Tanzmusik | |
fand, hörbar zu seinen Wurzeln. | |
## Säuselndes Saxofon | |
Rauschende Meereswellen, die sacht an die Nordseeküste schwemmen, | |
Möwengeschrei und eine säuselnde Saxofonmelodie, die sich aus dem | |
Hintergrund langsam ins Gedächtnis schraubt – der Auftakt „123“ vereint | |
bereits programmatisch die zentralen Elemente des verspielten Housesounds | |
von Moomin. Eine feine Balance aus Reduktion und Klangfülle weckt das | |
Gefühl, mit geschlossenen Augen am Strand zu stehen und vergeblich zu | |
versuchen, alle Eindrücke in sich aufzusaugen. | |
Ein beachtlicher Fuhrpark aus analogen Drummachines bildet die Basis für | |
Moomins Instrumentarium. Darüberhinaus ist eine schlau konzipierte Collage | |
aus musikalischen Versatzstücken hörbar, die der Twentysomething mit alten | |
Samplern zu einem dichten Klangteppich zu verweben weiß. | |
Inspiration kann dabei alles werden, meist sind es jedoch alte Jazz und | |
Soulplatten, die es Moomin seit Kindertagen angetan haben. „Auf das | |
Sampling hat mich eigentlich mein Vater gebracht, der mir früher zu meinen | |
HipHop-Tracks oft die Samplequellen der zugrunde liegenden Originale, wie | |
etwa James-Brown-Songs, zeigte.“ Die Liebe zum Detail und dem kleinen | |
Extrageräusch – ein Flüstern, ein Lachen oder das Kratzen der Nadel – | |
prägen den lebendigen Sound auf „A Minor Thought“, der nie ganz sauber | |
wirkt und dadurch umso wärmer strahlt. | |
Moomin, der inzwischen in Berlin lebt, ist ein Platten-Digger, wie man die | |
fanatischen Vinylsammler im HipHop-Kosmos nennt, sein Referenzrahmen ist | |
weit. Bei „Morning Groove“ lässt er Breakbeats in den zurückgelegten | |
Housetrack einfließen. | |
## Von Frau zu Frau | |
Das Stück „Woman to Woman“ erinnert mit seinen weichen und glockenartigen | |
Akkorden des Retropianos Fender Rhodes und dem indifferent dahingeworfenen | |
Glissando an Neunziger-Jahre-Rapsound à la Eins Zwo. | |
„Time to Reflect“ entwickelt aus perkussiven Bongorhythmen einen | |
geschmeidigen Groove. Trotz der unterschwellig mitschwingenden | |
melancholischen Grundstimmung, kann man beim Hören doch nie ganz aufhören, | |
mit dem Fuß zu wippen. Denn obwohl „A Minor Thought“ kein Tanzalbum sein | |
will, bleibt Moomins Affinität zum Dancefloor spürbar. | |
Der Titeltrack „A Minor Thought“ demonstriert sein inniges Verhältnis zum | |
Gesang, seine Vocals bleiben fast schon geisterhaft im Hintergrund stehen | |
und werden so zu subtilen Fasern im Klangteppich. „Chemistry“ ist der | |
rätselhafteste Track des Albums. | |
Zu einem umgekehrten Glockenschlag über einer pochenden Bassdrum gesellt | |
sich ein unbestimmtes Orgelflirren, psychedelische Akkorde verharren | |
abwartend in der nebligen Klangsphäre. Ein hüpfendes Acid-Ostinato, | |
zischende Snaredrums – doch die Bassdrum will sich nicht so recht | |
einfügen. Moomin spielt mit Tonalitäten und Hörgewohnheiten. Schlussendlich | |
verhallt der Track unaufgelöst im Raum. „A Minor Thought“ ist rund. Man | |
hört daraus Bescheidwissertum, Feinschmecker-Referenzialität und | |
musikalische Entwicklungen, die in Moomins Kosmos nun mal eher auf der | |
Mikroebene stattfinden. Housemusik kann und darf wieder intelligent sein – | |
ohne dass die Kickdrum einem auf die Zwölf gehen muss. Laura Aha | |
19 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Laura Aha | |
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